Konzert Tonhalle meldet sich mit Pfingstkonzert zurück

Düsseldorf · Ein grandioser musikalischer Nachmittag mit Ádám Fischer und den Düsseldorfer Symphonikern. Es war das erste Konzert des Hauses mit Publikum nach der Corona-Pause.

Das Pfingstkonzert war das erste Konzert mit Publikum nach der Corona-Pause in der Tonhalle Düsseldorf. Blick vom Rang, wo lediglich Publikum zugelassen war, auf Ádám Fischer und die Düsseldorfer Symphoniker.

Foto: Susanne Diesner

In einem losen aber gewiss bis ins Detail ausgeklügelten Rhythmus sitzen vereinzelt Einzelne oder auch Zweiergrüppchen auf dem Rang der Tonhalle. Die an diesem Tag zunächst so vorsichtig, bedächtig, ruhig, ja vielleicht noch etwas starr wirkt. Zeitgleich aber für feine Sensoren des Publikums, das sich an diesem Pfingstsonntag hier eingefunden hat, weht schon ein Hauch der Magie durch den Raum. Heute wird aus der Tiefe des Parketts in die Höhen des Ranges, dort allein nämlich darf sich an diesem Tag Publikum aufhalten, nach langer bitterer Abstinenz die Seele der Musik hinaufsteigen; um dann wie ein Frühlingstau auf die Zuhörer herabzurieseln. Sonst zu Pfingsten feiern wir eigentlich das Hinabsteigen des Heiligen Geistes zu uns Menschen – diesmal durch Töne.

Die Karten für das Konzert wurden verlost und verschenkt

Doch wie ist es dazu gekommen? Den großen Teil der Geschichte kennt man. Corona bremste unsere Kultur aus, auch die Tonhalle und tut es mit Einschränkungen bis heute. Doch unter besonders vorsichtigen Vorkehrungen, an die sich alle Beteiligten von der Tonhalle halten, ist es trotzdem das erste Mal nach der Zwangspause möglich geworden ein Konzert für Publikum vor Ort zu veranstalten. Symbolträchtig zu Pfingsten, mit einem nicht minder symbolträchtigen Programm, gespielt von den Düsseldorfer Symphonikern mit grandioser musikalischer Durchdringung dirigiert von ihrem Principal Conductor Ádám Fischer.

Maximal 100 Menschen, laut Vorschrift, durften als Publikum in den Mendelssohn-Saal. Intendant Michael Becker, der durch den Nachmittag leitete, und sein Team hatten sich entschlossen, die Karten für dieses außergewöhnliche Konzert indes nicht einfach zu verkaufen, sondern zu verschenken. „Unter allen treuen Besuchern des Hauses, die in den vergangenen Wochen Spenden an die Tonhalle geleistet und sich Tickets für ausgefallene Konzerte nicht haben zurückerstatten lassen, wurden 100 Personen ausgelost und eingeladen“, heißt es seitens des Konzerthauses. Auch im Publikum entdecken konnte man den Oberbürgermeister Thomas Geisel.

Das Publikum durfte diesmal
nur im Rang sitzen

Nun saßen die Besucher, die zuvor – versehen mit Maske – durch zwei separate Eingänge eingelassen wurden, auf Plätzen im Rang. Manche mögen dieses Gefühl im Rang der Tonhalle kennen, sich erhoben über den Dingen zu fühlen, auch akustisch, und dennoch den runden Mischklang dessen um sich herum wehen lassen zu können, was unten passiert. Dass nur im Rang Publikum saß, hat wohl mehrere Gründe. Einerseits brauchte man für das große Streichorchester (plus die hier sehr wichtige Harfe), um das „Adagietto“ – ja, das aus Viscontis „Tod in Venedig“ – aus Mahlers „Fünfter“ würdig zum Klingen zu bringen, schlicht mehr Platz. Wodurch sich Teile des Orchesters über das gesamte Parkett verteilten und Ádám Fischer somit nahezu mittig im Orchester auf einem speziell angefertigten Podest stand. Andererseits war somit wohl noch mehr Sicherheitsabstand zwischen Musikern und Publikum möglich.

Das pausenlose gut siebzigminütige Konzert wurde übrigens live per Videostream mit 360-Grad-Kamera übertragen, konnte also medial auch von Menschen verfolgt werden, die nicht zu den glücklichen 100 gehörten, die dieses emphatische Zurückmelden des Düsseldorfer Konzerthauses leibhaftig miterleben konnten. Und es sollte sich zu einem Konzert entwickeln, das wirklich niemanden kaltlassen würde. Weder die Musiker, noch das Publikum.

Und ja es scheint so etwas zu geben wie eine spezielle Aura, die sich dann in die Musik legt, wenn sie während oder nach großen Krisen gespielt wird. Eine Intensität, die man sonst eher von historischen Mitschnitten aus noch dunkleren Zeiten kennt. Und ja, es ist so. Abseits der überraschend weichen und runden akustischen Finesse, die die rein örtliche Verteilung von Hörer und Spieler mit sich brachte, hat der Rezensent Mahlers Musik selten so leidenschaftlich und intensiv erlebt. Vielleicht ist da auch eine gehörige Portion Projektion dabei – aber lebt gerade nicht Musik auch von einer ganzheitlicheren Betrachtungsweise.

Auch wenn die „Distanz“ zwischen Musikern und Publikum doch etwas größer war als gewohnt, sprangen mehrfach Funken über. Sowohl mit Mahler als auch mit Haydn. Der, später mit Bläsern und auf dem Podium, den eigentlichen Schwerpunkt des Nachmittags bildete. Zunächst gepaart mit Mahler mit Ausschnitten aus seinen „Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuz“. Dann nach einer spritzigen – herrlich die perlenden Hörner aus dem Off – Ouvertüre zur Oper „La fedeltà premiata“ hatte Fischer sehr bedacht eine der in sehr vielerlei Hinsicht sonderbarsten Schöpfungen Haydns auf das Programm gesetzt: seine „Abschiedssinfonie“ fis-Moll Nr. 45.

Ein Programm, das mit Mahlers vor mit zarter Droge süßlich betäubtem Weltschmerz sich über den Hörer ergießenden langsamen Satz, der durch den Film auch einen expliziten Bezug zu ganz aktuellen Themen wie „Seuchen“ hat, ohnehin weit über die reinen Noten hinausweist. „Fedelità“ heißt übrigens Treue oder Loyalität und jene sollte wohl „prämiert“, also belohnt werden. In diesem Falle unzweifelhaft auch die Treue des Publikums gegenüber seinem Konzerthaus.

Und eben jene „Abschiedssinfonie“, in dessen letzten Satz nach und nach die Musiker aufhören zu spielen und – hier wunderschön auch mit Licht inszeniert – die Bühne verlassen, zeigte nicht nur die brillante Qualität der Düsys, trotz der langen Zwangspause, sondern auch bildhaft was Vereinzelung bedeutet.