Ausstellung Weltstar Thomas Schütte im Hetjens-Museum
Düsseldorf · Gartenzwerge, Hunde, schöne Frauen und dickköpfige Männer: Die Ausstellung bietet einen gut komponierten Überblick über Thomas Schüttes Produktion der letzten Jahre.
Thomas Schütte im Hetjens-Museum, das ist ein kleines Wunder, denn das „Pötte-Museum“ hat so gut wie die gesamte Moderne verschlafen. Die wenigen Anläufe in der Vergangenheit kann man vergessen, sie waren oft nur eine merkantile Angelegenheit. Die jetzige Leiterin Daniela Antonin, Spezialistin für Meißener Porzellan, sah mit 33 Jahren erstmals 2005 Werke des Düsseldorfer Bildhauers und war begeistert. Seit 2017 ist sie Chefin, und nun gelang es ihr, den Festsaal und den Studioraum mit knapp 40 Skulpturen des Künstlers zu bestücken.
Schütte ließ nichts anbrennen. Er sorgte für eine Aufteilung des Raums in einzelne Kabinette, und er wählte alle Arbeiten selbst aus, „Köpfe“, „Urnen“, „Gartenzwerge“, „Hunde“ und „Flaggen“. Ein kleiner, gut komponierter Überblick über seine Produktion der letzten Jahre, die selbst für seine Fans noch Überraschungen gibt, trotz der kapitalen Retrospektiven in der Kunstsammlung, in der Galerie Konrad Fischer und in seinem Pavillon neben der Raketenstation. Weder die Flaggen noch die Hunde waren dort zu sehen.
Titel eines Werks: „Frauenkopf implodiert“
Den Auftakt machen Köpfe, mit denen er derzeit auch seine triumphale Ausstellung in Berlin bestückt. Einige Skulpturen wie „Experten“ sind Teil einer neuen Serie, der „Männerkopf“ geht auf die „Männer im Wind“ zurück. Während die Figuren in Ganzkörpergröße für das Kunsthaus Bregenz in Bronze abgegossen wurden, ist das hiesige Exemplar nur ein stattlicher Kopf, nicht in Bronze, sondern in glasierter Keramik. Schütte pflegt die Techniken, die er benutzt, gegeneinander auszuspielen. Perfekt, wie der kräftige Hals fast im Kragen versinkt, um sich gegen einen fiktiven Wind zu wehren.
„Ofenfrisch“ sind zwei „Experten“, die mit ihrem Intellektuellen-Schädel fast als Virologen taugen könnten, wäre da nicht neben den Hängebacken ein mildes Lächeln. Tritt man zurück und betrachtet den Hinterkopf, so scheint ein Fußball auf dem Kragen zu sitzen. Das Gegenüber aber wirkt maskenhaft, das Gesicht wie aus Pappkarton ausgeschnitten, bevor irgendein Stichel in die Augen und den Mund gebohrt hat. Es gibt bei Schütte aber immer auch das Porträt der klassisch-schönen Frauen mit wunderbarer Silhouette. Ein Köpfchen kippt gar zur Seite, weil das offensichtlich dickwandige Objekt zu schnell erhitzt wurde und kollabiert ist. „Frauenkopf implodiert“ ist die prosaische Bezeichnung. „Die Desaster kommen von allein“, sagte der Künstler einmal. Vieles ist aber auch gewollt. Manche „Masken“ in der Ausstellung wirken, als habe er den Ton mit dem Fleischklopfer bearbeitet, um die weiche Masse zu ritzen und zu verformen.
Eine Augenweide sind wie stets die Bozzetti, in denen er die Körperhaltung einer Sitzenden, das Verhältnis von Kopf und Schulter, die Entwicklung eines Gesichts aus einem bloßen Tonklumpen entwickelt und auf Tonplatten schultert. Hier lässt sich studieren, wie neugierig der Bildhauer ist, wie er mit dem Zufall, aber auch mit dem genauen Rückgrat oder den Pobacken spielt. Da hockt vor einer blutroten Liegenden eine froschgrüne Figur, als betrachte sie die Bescherung, die der Künstler angerichtet hat. Doch dann wieder ist so ein Körperteilstück eine grandiose Übung, um das Kauern eines Körpers zu beobachten, der tierisch oder menschlich, männlich oder weiblich sein kann. Zufall und Kalkül finden genial zueinander.
Es wird aber auch todernst. „You and me“ liegen wie Totenmasken auf den Sockeln, sind jedoch dank der farbenfrohen Glasur scheinbar voller Leben. Schütte bohrt in die Pupillen und in den sprechenden Mund, als wolle er beides durchlöchern, um unter die Haut zu dringen. Eine der Masken ist in Grün und erinnert an Schüttes Memorial zum Tod des befreundeten Galeristen Konrad Fischer im Jahr 1996, die andere in Hellrot. Die Köpfe sind so hoch auf Fundamente aufgebockt, dass man sich auf Zehenspitzen stellen muss, um in die starren oder halb geschlossenen Augen zu blicken. Unweit davon entfernt liegen die kleinen, gebeutelten „Geisterköpfe“. Und im Studioraum in der ersten Etage wird es mit dem weißen, dem rosa und dem blauen Hund geradezu phantastisch. Fantasiewesen, ein Verschnitt aus Einhorn, Beuteltier und Hund. Mythische Wesen insgesamt. Sie entstehen seit 2015.
„Urnen“ begleiten den Künstler seit 1998. Sie haben eine majestätische Präsenz, sind vollendet in der Form und perfekt im Glanz. Hinzu gesellen sich „Gartenzwerge“, kleiner im Format und freudig in der Erscheinung. Schmuckstücke gleichsam. „Flaggen“ und „Falsche Flaggen“, darunter die Bundesfahne, aber auch fiktive Farbflächen in glasiertem Ton hängen an den Wänden.