Schütte-Pavillon Thomas Schütte küsst seine Kollegin Erinna König wach

Am Wochenende wird bei schönem Wetter eine Völkerwanderung zum Schütte-Pavillon neben der Raketenstation erwartet, denn dort eröffnet die Düsseldorferin Erinna König eine Schau mit 35 Werken, die sie eigens für ihre Retrospektive geschaffen hat.

Erinna König: Brettersäule, 2019, Lackfarbe auf Holz, Aquarell hinter Acrylglas.

Foto: Dejan Sarić

Die 72-Jährige hat wie Jörg Immendorff in der Protestbewegung der 1960er-Jahre begonnen, studierte zunächst an der Düsseldorfer Kunstakademie bei Teo Otto in der Bühnenbild-Klasse, dann bei Dieter Roth und Joseph Beuys, dessen Meisterschülerin sie ist. Sie wurde Mitbegründerin der Filmklasse und des Studentenparlaments, machte aber auch beide Staatsexamina mit Auszeichnung und unterrichtete an Düsseldorfer Gymnasien.

Wie viele Künstler der frühen 1970er Jahre hängte sie den Unterricht an den Nagel, um frei zu sein für ihr eigenes Werk. Sie wurde geschäftsführende Gesellschafterin des „Op de Eck“ am Grabbeplatz, wo sie mit einer Prokuristin und mit 25 Mitarbeitern arbeitete, um sich ihre Arbeitszeit selbst einzuteilen. Denn nach getaner Arbeit ging es ins Atelier. Das war auch so, als sie eine Vertretungsprofessur an der Kunsthochschule Kassel hatte. Sie gab ihre Kunst nie auf und stellte bei den Galeristen Konrad Fischer, Achim Kubinski und Erhard Klein aus. Doch das ist viel zu lange her. Erst Thomas Schütte, der große Künstler, sorgt für ihr Comeback.

Im lichtdurchfluteten Oval seines Pavillons, mit Ausblick auf die strahlend gelb erblühten Rapsfelder, gibt sich die Ausstellung seltsam vertraut. Das liegt an den Fundstücken aus dem Alltag, die sie in neue Zusammenhänge bringt. Sie wirken minimalistisch verfremdet, haben aber eine latente Poesie, als seien sie kostbar. Alles erscheint makellos und doppeldeutig zugleich.

Spiegel, Stuhl, Bettstatt, Tischbeine und Säulen haben ihr Leben in der Realität hinter sich, und nun erblühen sie auf wundersame Weise. Erinna König vermeidet das Mixen von Kunst und Leben, wie es Blumenkinder liebten. Sie ist auch keine typische Beuys-Schülerin, in dessen Objekten sich der Aktionismus spiegelt. Die Installationen sind formal klar durchdacht und wirken wie dreidimensionale Bilder.

Wie ihr einstiger Kommilitone Imi Knoebel geht Erinna König den Weg des klaren Konzepts, Knoebel als Erforscher des unendlichen Reichs der Farbe, König auf der Suche nach der Schönheit in der klassischen Kunst. Bei ihr kann die Farbe dank der Teermasse zum Relief, das Objekt im ferrariroten Metall zur Fläche, der Gegenstand vom Innenhof zum Schatten und der Stuhl zum Spiegelbild werden. Das Vexierspiel zwischen Kunst und Alltag gelingt durch geringe, aber wirkungsvolle Eingriffe.

Auseinandersetzung mit Tradition ist für sie selbstverständlich

In der Regel hat sie ihr jeweiliges Konzept vor Augen, bevor sie nach den Materialien in ihrem Fundus sucht. So brauchte sie einen besonderen Leim, der nur langsam erstarrt. Erst auf Empfehlung der Firma Henkel wurde sie fündig, holte sich ein ordinäres Frotteetuch und schob es in der klebrigen Matsche hin und her, bis sich eine Silhouette frei nach einer Madonna bildete. Die Auseinandersetzung mit der Tradition ist der einstigen Kunsterzieherin selbstverständlich.

Wie sie denkt und handelt, wird in „Machtpeter“ (1991) deutlich. In die Rückenlehnen zweier ausrangierter Kinostühle setzt sie Bilderrahmen mit transparentem Panzerglas ein. Es entsteht eine Maske, die das Tageslicht reflektiert, und die eine nicht ganz auslotbare Magie erhält. Das „Haus“ (1984) ist ein Brettergestell, dessen Teile sie beim Abbruch ihres Ateliers in der berühmten Künstlersiedlung an der Brückenstraße im Düsseldorfer Hafen rettete, als die Decken entfernt wurden. In dieses Gestell stellt sie einen ausrangierten Sessel, dessen Armlehne sie entfernt und auf dessen Sitz sie eine umgedrehte Laute legt, die plötzlich an einen schwarzen Käfer aus einer Kafka-Erzählung erinnert. Mit diesem Handgriff lädt sie das Gefundene auf und macht es rätselhaft.

Tischchengruppe aus Marmor, Holz und Kunststoff, 2018.

Foto: Dejan Sarić

Auf ihre einstige Protestphase verweist ein Palästinensertuch, dessen Mittelteil sie weiß grundiert und auf das sie ein grünes, leicht gebogenes („konisches“) Dreieck malt. So verwandelt sich ein politisches Tuch in ein edles Kunstwerk – und bleibt doch ein politisches Zeichen.

Im Nachbargebäude breitet sie ihre kleinen Objekte aus, darunter eine Art Kuchenstück mit Schlagsahne – nur ist die rote Kirsche ein Busennippel, ein feministisches Aperçu voller Ironie. Zur Überraschung ihrer Fans präsentiert sie sich in diesem Raum auch als brillante Zeichnerin, die die Silhouette aus einem nicht abgesetzten Strich entwickelt. Eine Wand im Vorraum enthält strahlend schöne Pigmentdrucke, die in einer 35er-Edition für kleines Geld erworben werden können.