Künstler aus Krefeld Aus dem Großraumbüro ins Museum

Krefeld · Der in Krefeld geborene Künstler Ignacio Uriarte setzt seine von Büro-Welten inspirierte Kunst nun im Kaiser-Wilhelm-Museum mit Exponaten aus der Sammlung in einen Dialog.

Ignacio Uriartes „Krefelder Fenster“ – das sind 45 Farbzeichnungen mit Permanent Marker auf Papier – ist das Herzstück seiner Ausstellung „Den Zufall ordnen“ im Kaiser-Wilhelm-Museum. Auch hier diente Alltägliches aus der Büro-Sphäre als Inspiration für eine den Betrachter neugierig machende ästhetische Serie.

Foto: Andreas Bischof

Dass die, zumindest in stereotypen Vorstellungen meist sehr eintönige, Welt von Büros, mit ihrer vormaligen Papierflut, als tragende Inspirationsquelle für das Œuvre eines Künstlers dienen könne, mag überraschen. Doch bei dem 1972 in Krefeld geborenen Ignacio Uriarte ist es so – zumindest teilweise. Wobei seine ästhetische Welt bei näherer Betrachtung auch ganz andere, emphatisch weniger profane Bezugspunkte hat, aber dazu gleich etwas mehr. Uriarte kehrt nun mit dem „Sammlungssatellit #5“ in gewisser Weise zu den Ursprüngen zurück. Wurde eingeladen, im Kaiser-Wilhelm-Museum von ihm ausgesuchte Werke aus der Sammlung in Kontext mit seiner eigenen Kunst zu stellen.

Viele Exponate kennt der Künstler aus seiner Jugend in Krefeld

Die Papierinstallation „Zickzack Expansion Kontraktion“ aus 2020 von Ignacio Uriarte wurde vielleicht von Schallwellen eines Synthesizers inspiriert.

Foto: Andreas Bischof

Als junger Mensch besuchte Uriarte häufiger das KWM mit seiner Schule; erinnert sich vielleicht sogar noch an das eine oder andere Kunstwerk, das ihn damals auf diese oder jene Weise beeindruckt habe. Heute ist er ein arrivierter Künstler, dessen Weg indes einen Umweg durch die Welt der Büros genommen hatte. Er studierte zunächst BWL, arbeitete längere Zeit in einem Großraumbüro, und just die Eindrücke aus dieser von oft kleinen „Ritualen“ und besonderen Materialien geprägten Sphäre nutzt der Künstler heute als Ausgangspunkt für seine Arbeiten. Zwei neue Arbeiten hat er ganz frisch für die Kunstmuseen Krefeld und diesen Sammlungssatelliten, der unter dem etwas banal wirkenden Titel „Den Zufall ordnen“ gezeigt wird, angefertigt. Beide Werke leben von einer reduzierten, minimalistischen Ästhetik, die auf serielle Prozesse zurückgeht und bei denen der meditative Entstehungsprozess Teil der künstlerischen Aura sein mag. Hat Uriarte zwar bisweilen einen – indes einzigen Assistenten –, so sind gerade die beiden jetzt im zweiten Obergeschoss des KWM gezeigten Arbeiten „ganz allein“ von ihm angefertigt.

Sowohl die zweiteilige Papierinstallation „Zickzack Expansion und Kontraktion“ als auch das „Krefelder Fenster“ (Permanent Marker auf Papier) spielen auf jeweils ihre Art mit „Handlungen“, die aus dem ewigen, vielleicht etwas angestaubten, Katalog von Büroarbeit schöpfen. Hier etwa, beim ersteren, Papier falten, beispielsweise um es in einen Umschlag zu tun, und beim zweiteren Linien ziehen mit einem Filzstift, das allerdings hier obsessiv und mit einem fast leeren Marker. Durch geschicktes, inspiriertes, über sich hinaus zeigendes Aufladen der banalen Handlung und deren ganz und gar nicht banalen Ergebnisse mit ästhetischem Fleisch, durch serielles affirmatives Komponieren, entstehen Anmutungen, die den Betrachter sehr neugierig machen. Man möchte näher treten und verstehen, wie die Schattierungen entstanden sind. Ist es wirklich nur gefaltetes Papier, das in zwei Feldern entgegenläufige Frequenzmuster zu zeigen scheint? Sind die 45 Zeichnungen des „Krefelder Fensters“ wirklich nur die geschichteten Spuren von mehr und mehr sich entleerenden und nur tröpfchenweise aufgefüllten Permanent Markern?

Die fast spirituelle Ruhe – Uriarte hat durchaus als ehemaliger Messdiener auch rituelle Wurzeln, wie er uns verrät – der Werke steht im eklatanten Bruch zu ihrer „Hintergrundgeschichte“ als Reminiszenzen von Spuren aus dem Lebensalltag im Großraumbüro. Der Künstler setzt seine eigene Kunst geschickt in den Dialog mit minimalistischen und/oder seriellen Werken aus der Sammlung und rückt diese somit in ein eigenes Licht. Etwa Richters 1024 Farben, Fritschs „Bücherregal“ oder den „imaginären Teich“, wie Uriarte beschreibt, des „White Stone Circle“ von Long. Unterschiedliche Zeiten und künstlerische Welten, die Uriarte hier unter „seinen Hut“ bringt – und uns als Publikum vielleicht neue Perspektiven auf Exponate der Sammlung schenkt.

In einer Ecke des Ausstellungsraumes treffen wir auf eine Art „Allerheiligstes“, einen versteckten Raum. Dort – ultraviolett beleuchtet von Dan Flavins Leuchtstoffröhren „Ohne Titel“ – verbirgt sich das „Licht“. Sichtbar gemacht durch zwei Luther-Hohlspiegelobjekte.