Kultur Glaskünstler hinterließ großes Mosaik
Krefeld · Kultur statt Corona August Pigulla schuf am ehemaligen Hauptzollamt ein Werk, das überwiegend aus schwarzweißen Stein- und Glasplatten besteht.
Eines der schönsten Beispiele für Kunst im öffentlichen Raum ist an der Ecke von Dampfmühlen- und Jungfernweg zu finden. Zwischen den eher unscheinbaren Häusern der Umgebung setzt die großflächige Giebelwandfassade des ehemaligen Hauptzollamts einen markanten Akzent. Über eine fast quadratische Fläche von 12 mal 12,5 Metern erstreckt sich ein Mosaik aus überwiegend schwarzweißen Stein- und Glasplatten. Die Grundformen der Platten sind symmetrisch, doch die Anordnung in unterschiedlichen Größen und farblichen Abstufungen ergeben einen lebendigen Rhythmus. Neben verschiedenen Grautönen entdeckt man auch Akzente in einem matten Goldton und ganz dunklem Rot.
Vor allem wenn man vom Ostwall kommt und direkt auf das Gebäude zugeht, kann man die Vielseitigkeit dieser Gestaltung auf sich wirken lassen. Besonders schön ist das am Nachmittag zu erleben, wenn die Sonne auf die matt schimmernde Fassade scheint und die Strukturen der verschiedenen Steine gut sichtbar sind. Seit 1965 befindet sich das Kunstwerk an dieser Stelle. Der über Krefeld hinaus weit bekannte Glaskünstler August Pigulla (1923-2016) hat es für das damalige Hauptzollamt entworfen. „Alles, was transparent und lichtdurchflutet ist, fasziniert mich“, hat Pigulla selbst einmal gesagt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam der aus Schlesien stammende Künstler nach Krefeld und las dort einen Artikel über den Glaskünstler Gustav Fünders. Dieser leitete an der damaligen Werkkunstschule eine vor allem in den 1950er und 1960er Jahren renommierte Klasse für Glas- und Mosaikgestaltung. Pigulla wurde sein Schüler, und gemeinsam mit Hubert Spierling (1925-2018) und Joachim Klos (1931-2007) bildet er das berühmte Trio von Meisterschülern, das aus der Fünders-Klasse hervorging.
Bereits im Studium experimentierte der Künstler mit technischen Möglichkeiten. Ausgehend von der traditionellen Glasmalerei versuchte er, deren Grenzen zu überwinden. So fügte er Glasstücke collagenartig ohne trennende Bleiruten zusammen oder schichtet sie zu Reliefs. Als Pigulla 1957 seine Ausbildung beendet hatte, war der Bedarf an Glasgestaltung groß. Das ermöglichte ihm von Anfang an eine freiberufliche Tätigkeit. Vor allem im Rheinland bekam er viele Aufträge im sakralen und öffentlichen Raum. Neben Glas und Mosaik arbeitete er mit Metall.
Charakteristisch für seine Werke sind die grafischen, oft feingliedrigen Strukturen, die sich durch eine besondere Rhythmik auszeichnen. Der Gedanke an musikalische Strukturen ist nicht fern, denn neben der bildenden Kunst liebte Pigulla auch die Musik. Noch in seiner Heimat wollte er Musiker werden, Krieg und Militärdienst haben diese Pläne verhindert.
Pigulla blieb nach seiner Ausbildung in Krefeld, und noch im hohen Alter beschäftige er sich in seinem Atelier an der Moltkestraße mit verschiedenen Techniken. So fertigte er thermische Gravuren in Acrylglas an. Zu seinen letzten Arbeiten zählen neue Entwürfe für die Fenster der Kirche St. Bonifatius in Moers-Asberg. Bereits 1967 hatte er für die damals neue Kirche die Fenster entworfen. Deren Format ist mit 830 x 54 Zentimetern sehr ungewöhnlich. Für diese schmalen, aber hoch aufstrebenden Flächen entwickelte der Künstler ein Farbkonzept aus Rot und Blau, das dem eher nüchternen Kirchenraum erst seine spirituelle Atmosphäre gegeben hat. Zu Lebzeiten Pigullas konnten nur zwei Fenster verwirklicht werden. Der Künstler, der selbst immer sehr bescheiden und zurückhaltend auftrat, schenkte der Gemeinde die übrigen Entwürfe. In Krefeld kann man beim Spaziergang mit der Fassade am Jungfernweg ein Werk sehen, das auch nach 55 Jahren nichts von seiner zeitlosen Schönheit verloren hat.