Serie Vom Bandoneon zu Piazzollas Musik

Serie Kultur trotz Corona: Heute widmen wir uns dem Tango Nuevo, den es ohne Heinrich Band aus Krefeld so wohl nicht gegeben hätte.

1985 fand in Krefeld das erste Bandoneon-Festival statt. Dabei steht das Instrument aus der Seidenstadt im Mittelpunkt – wie hier bei Fabián Carbone (v.) im Jahr 2018 in der Fabrik Heeder.

Foto: Strücken, Lothar (sl48)

Alle paar Jahre gehört es in bestimmten Städten zum guten Ton, dass in Tageszeitungen oder auch auf anderen Publikationswegen auf bestimmte wichtige Begebenheiten, Erfindungen, Namen und Köpfe hingewiesen wird. Insbesondere, wenn es um nicht ganz so derart berühmte Verbindungen zu der Stadt geht, dass nun wirklich jedes Kind davon wissen müsste. Ein Reflex, der absolut legitim ist und vor allem aus der Perspektive einer auf das kulturelle Erbe einer Stadt bedachten Gesellschaft lobenswert und vollkommen zielführend erscheint.

In Krefeld gibt es
das Bandoneon-Festival

So passiert es auch in Krefeld regelmäßig, wenn es um das Bandoneon geht. Denn der Krefelder Instrumentenhändler Heinrich Band hat Mitte des 19. Jahrhunderts aus einem schon bekannten Instrument, der Concertina, was eine Art Akkordeon ist, etwas Verbessertes – wie er damals meinte – gemacht und es kurzerhand Bandonion, hergeleitet aus seinem Namen, genannt. Nun, aus oben genannten Gründen – immerhin gibt es ja auch hier ein Bandoneon-Festival – möchten wir hier gar nicht zu ausführlich über die komplexe Geschichte des Bandoneons referieren.

Vielmehr möchten wir den Umstand, dass nun mal dieses Instrument seine Ursprünge in Krefeld nahm und sich schließlich zu dem Instrument des argentinischen Tangos schlechthin entwickelte, als Anlass nehmen, eine musikalische Empfehlung für wegen der Corona-Krise daheim gebliebene Kulturhungrige geben. In der heutigen Ausgabe von Kultur trotz Corona geht es um den Tango Nuevo und im Speziellen um den absoluten Guru dieser Musikrichtung Astor Piazzolla, selbst Bandoneon-Spieler und vor allem auch ein genialer Komponist.

Astor Piazzolla, geboren 1921 (in Mar del Plata) und gestorben 1992 (in der Hauptstadt Buenos Aires), tat mit dem Tango Nuevo etwas, was übrigens viele Komponisten schon zuvor und das sehr erfolgreich getan hatten. Man muss hierzu nicht in die Untiefen zeitgenössischer Musikästhetik eintauchen, es reicht ein Blick in die „klassische“ Musikgeschichte. Man nehme „folkloristische“ Ideen, Musik, die vom Volk, von den Menschen auf der Straße, oder auch mal vom Land kommen, und erhebe sie in eine andere Sphäre. Lasse sich durch ihre erdig-urige Kraft inspirieren, um mit ihren Energien Neues zu schaffen. Sie zu einer kunstvollen Kunst zu transformieren. Schubert tat dies, mehrfach. Brahms und Dvořák auch. Sehr berühmt wurden durch ähnliche Verfahren auch Figuren wie der Ungar Bartók.

Piazzolla tat Ähnliches mit dem Tango. Enthob ihn aus seiner Welt, ohne ihn aber zu zerstören. Nahm die Knospen dieser Tanzmusik aus ihrer urbanen Kultur, ließ sie fein gedeihen, hütete, hegte und pflegte sie. So, dass aus den Keimen heraus eine Kunstform erwuchs, die zwar weniger nur noch ein Tanz war, sondern vielmehr eine absolutere von ihrem Zweck losgelöstere Kunst. Eine Kunst, die viel mehr von „klassischen“ musikalischen Strukturen in sich hat, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Eine Musik, die aus der Ästhetik des Tangos lebt und sie mit kunstvollen Techniken mischt. Inmitten von ihr das so melancholische, so einer verrauchten, rauen, menschlichen Stimme ähnelnde Bandoneon. Das lachen, schluchzen, weinen, singen und erzählen kann. Mal atemlos, mal dahinsinkend süßlich. Mit viel Nähe zum Jazz und aber doch irgendwie eine andere Sprache sprechend.

Suite von Piazzolla erlangte
durch Film Bekanntheit

Wohl fast jeder hat schon einmal eine Piazzolla-Melodie gehört. Sei es das an Eingängigkeit kaum überbietbare Motiv aus „Libertango“, was doch so raffiniert ist. Erstaunlich, in wie vielen unterschiedlichen Versionen von unzähligen Interpreten es diesen Song gibt. Sei es die mysteriöse Magie der Suite „Punta del Este“, die Berühmtheit erlangte durch den Film „12 Monkeys“, der zurzeit indes eher dann doch weniger in den Sinn zu rufen wäre. Oder sei es „Oblivion“ oder die sublimen „Las Cuatro Estaciones Porteñas“ (Vier Jahreszeiten) und das „Adiós Nonino“.

Natürlich kann man beispielsweise auf der Videoplattform Youtube gerne mal zu Piazzolla stöbern – es lohnt sich. Mit dem legendären „Piazzolla Interpreta A Piazzolla“ erschienen 1961 in der Serie „Edición Crítica“ bei BMG macht man nichts falsch. Im Gegenteil. Zum Streamen beispielsweise auf Spotify oder auf Youtube, eine herzliche Empfehlung!