Herr Czerwinski, die Grünen können im Moment vor Kraft kaum laufen, ist im Rathaus oft zu hören. Wie stark fühlen Sie sich denn?
Politische Sommerinterviews Verkehrswende: „Tempo der Stadtspitze ist peinlich“
Düsseldorf · Grünen-Fraktionssprecher Norbert Czerwinski kritisiert im Sommerinterview den OB, weist aber auch auf Erfolge der eigenen Partei hin.
Norbert Czerwinski: Ach, das ist schon ein schönes Gefühl, so viel Zustimmung zu bekommen. Ja, wir haben gerade kräftig Rückenwind, aber vor Kraft nicht laufen können? Nein. Umfragen geben noch keine Kraft. Die Erwartungen an uns sind sehr hoch, da spürt man eher eine wachsende Verantwortung.
Sie haben nach der Europawahl mit fast 30 Prozent für die Grünen in Düsseldorf angekündigt, mehr Druck auch im Ampelbündnis für Tempo beim Klimaschutz zu machen. Sehr viel gesehen hat man davon dann nicht, oder?
Czerwinksi: Ich finde doch. Wir haben das Thema Klimaschutz von Anfang an in der Ampel etabliert. Die Fridays for Future-Bewegung aber hat dann gezeigt: Das reicht nicht, es muss mehr passieren. Und dann hat der Rat im Juli tatsächlich beschlossen, dass Düsseldorf nicht erst 2050, sondern schon 2035 klimaneutral sein soll. Das ist ein großer Schritt, der jetzt natürlich mit einem Bündel an konkreten Maßnahmen umgesetzt werden muss.
Aber Sie können doch nicht zufrieden damit sein, wie in Düsseldorf die für die Luftqualität so wichtige Verkehrswende umgesetzt wird?
Czerwinski: In der Tat: Da ist das Tempo der Stadtspitze peinlich. Wir ärgern uns sehr darüber, wie langsam es etwa mit dem Radwegebau voran geht, der an der Karlstraße ist seit 2013 ein Thema, aber immer noch nicht angelegt. Da wurden unsere Erwartungen schlicht nicht erfüllt. Als Grüne haben wir längst vorgeschlagen, wie Berlin eine eigene Tochtergesellschaft für den Ausbau des Radwegenetzes zu gründen, was die Stadt ja beim Schulbau erfolgreich mit der IPM getan hat. OB Geisel hat das abgeblockt. Genauso schlecht sieht es beim ÖPNV-Ausbau aus. Wir haben 2014 die Ampel-Vorrangschaltung für Bahnen und Busse politisch auf den Weg gebracht, aber wie wenig ist seitdem passiert? Da gingen Jahre verloren.
Nun malen Sie aber sehr schwarz.
Czerwinski: Natürlich hat sich auch Positives getan, wir haben zum Beispiel den Takt bei der Rheinbahn abends und an Wochenenden erhöht. Wichtig war auch der Führungswechsel bei der Rheinbahn, ich habe großes Vertrauen in den neuen Vorstand. Wir brauchen neue, zusätzliche Bahnen, doch auch bei deren Anschaffung stand der OB auf der Bremse. Denn wir wollen nicht nur weitere Taktverbesserungen, sondern auf Sicht auch ganz neue Straßenbahnlinien, zum Beispiel von Flingern nach Gerresheim über den Hellweg oder von Vennhausen nach Eller.
Sie vertreten die Grünen ja nicht nur im Aufsichtsrat der Rheinbahn, sondern auch im VRR. Wann werden denn endlich die Ticketpreise gesenkt und was halten Sie von der viel diskutierten 365-Euro-Jahreskarte wie in Wien?
Czerwinski: Die in Wien übrigens die Grünen durchgesetzt haben. In Wien sind allerdings die Voraussetzungen doch sehr anders, zum einen war die Jahreskarte dort auch vorher schon viel günstiger, dann gibt es ein super ÖPNV-Netz, man hat das kostenlose Parken in der Stadt komplett abgeschafft. Das heißt aber nicht, dass so etwas im VRR, in Düsseldorf nicht möglich wäre. Klar ist: Die Fahrkarten müssen preiswerter werden, doch dafür müssen Bund und Land den Städten deutlich höhere Zuschüsse gewähren. Ich möchte auch das Sozialticket erweitern für die Preisstufe B.
Sie kritisieren die Stadtregierung hart, namentlich den Oberbürgermeister. Aber Sie als Grüne stellen seit 20 Jahren ununterbrochen die Umweltdezernentin in Düsseldorf – der ganz große Tatendrang scheint uns von diesem Dezernat nicht auszugehen.
Czerwinski: Eine Dezernentin alleine kann ja wenig ausrichten, es braucht immer Mehrheiten im Rat. Viele gute Initiativen werden ausgebremst, zum Beispiel das 1000-Bäume-Programm. Da heißt es dann: Nein, dort kann kein Baum gepflanzt werden wegen Kabeln in der Erde, da nicht, weil ein Parkplatz wegfiele. Das kann nicht sein. Aber wir lassen nicht locker, kämpfen hartnäckig für mehr Dach- und Fassadenbegrünungen oder Photovoltaikanlagen. Und stellen so ziemlich jede geplante Baumfällung in Frage, was schon einigen Bäume das Leben gerettet hat.
Sie wollen nicht auf der grünen Wiese bauen, aber wie sollen die immer weiter steigenden Wohnkosten denn gebremst werden?
Czerwinski: Zunächst mal sind die Möglichkeiten einer Kommune da begrenzt. Wir haben im Rat schon einiges erreicht, das Handlungskonzept Wohnen funktioniert bei neuen B-Plänen und wir haben mit der Ampel durchgesetzt, dass städtische Grundstücke nur noch für preiswerten Wohnraum oder an Baugruppen vergeben werden. Und jetzt kommt auch endlich eine Wohnraumschutzsatzung. Ansonsten müssen wir auch bauen, klar, aber mit Augenmaß und nicht ohne Rücksicht auf Verluste. Mir geht es da übrigens nicht nur um den Schutz von Äckern in Wittlaer oder Angermund. Sondern noch mehr darum, dass die wenigen Grünflächen in dicht besiedelten Stadtteilen wie Friedrichstadt, Flingern oder Bilk geschützt werden. Denn sie sind für das Stadtklima existenziell wichtig.
Zur OB-Wahl in einem Jahr: Wenn schon die FDP auf Sieg setzt, was sollen da Sie erst sagen?
Czerwinski: Gerade bei solchen Umfragewerten erwarten die Menschen, dass wir auch für das Amt des OBs ein gutes Personalangebot machen. Wir werden Anfang 2020 dafür einen geeigneten Kandidaten oder eine Kandidatin küren. Eine Persönlichkeit, die besser zuhören kann, die die Verwaltung anders führt und anders mit dem Stadtrat umgeht. Denn auch wir Grünen sind nicht zufrieden mit dem Amtsinhaber, wir wollen einen Wechsel.
Und welche „Koalition“ ist Ihnen im nächsten Stadtrat am liebsten?
Czerwinski: Spätestens die Erfahrung von 2014 hat gezeigt, dass alle Vorab-Planspiele sinnlos sind. Selbst direkt nach der Wahl hatte doch niemand eine Ampel auf dem Schirm. Für uns wird nach der Wahl der gleiche Maßstab gelten: Wie viel von unserem Wahlprogramm können wir mit wem durchsetzen?
War Ihnen das in der Ampel mit SPD und FDP genug?
Czerwinski: Die Kooperation klappt gut, obwohl wir sehr unterschiedliche Partner sind und in einzelnen Punkten wie der Tour de France mal nicht zusammen waren. Stolz bin ich darauf, was wir in der Kulturpolitik in Düsseldorf verändert haben, vor allem was die Stärkung der Freien Szene angeht, auf die wir als Grüne gedrängt haben. Und ich bin stolz darauf, dass sich Düsseldorf in den letzten Jahren mit einem freundlicheren Gesicht gezeigt hat, als weltoffene, tolerante Stadt, auch und gerade im Umgang mit Flüchtlingen. Und da beziehe ich den Oberbürgermeister auch mal ausdrücklich mit ein und selbstverständlich Miriam Koch, die einen guten Job als Flüchtlingsbeauftragte gemacht hat und jetzt als Amtsleiterin.