Lesung von Fatih Çevikkollu in Düsseldorf Gastarbeiter auf der Suche nach einer Heimat

Düsseldorf · In den Sechzigerjahren kamen zahlreiche Arbeitsmigranten nach Deutschland, unter ihnen auch der Vater von Schauspieler und Autor Fatih Çevikkollu.

Autor Fatih Çevikkollu (l.) im Gespräch mit Michael Serrer, Leiter des Literaturbüros NRW,(r.) in der VHS Düsseldorf.

Foto: Katharina Luxen

(kalux) „Den Fatih, den haben wir aus Deutschland mitgebracht“, habe Fatih Çevikkollu´s Großmutter damals zu Bekannten in der Türkei bei seiner Ankunft gesagt. Was zuerst amüsant klingen mag, als sei ihr Enkel das Mitbringsel einer Urlaubsreise, spiegelt jedoch das Schicksal der sogenannten Kofferkinder, wie Çevikkollu es einst war, wider. Hin und her geschickt zwischen seinem Geburtsland Deutschland und der Türkei – einem Land, das er kaum kannte. Bei einer ausverkauften Veranstaltung in der VHS Düsseldorf las er aus seinem Buch „Kartonwand: Das Trauma der Arbeitsmigrant/innen am Beispiel meiner Familie“. Dabei gewährte er dem Publikum einen Einblick in sein Leben als Sohn eines türkischen Gastarbeiters. Authentisch, charismatisch und berührend – mit all den Problemen und Enttäuschungen. Das Publikum dankte mit voller Aufmerksamkeit. 1968 sei sein Vater als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, arbeitete bei Ford als Schlosser. Seine Mutter begleitete ihn, gegen den Willen ihres Vaters, der immer gesagt habe: „Weißt du wer nach Deutschland kommt, Leute, die es nötig haben.“ Die Willkommenskultur hätten sie als spärlich ausgebildet empfunden. Auch den Gastarbeitern selbst sei klar gewesen: Sie würden kommen, arbeiten und nach ein paar Jahren wieder gehen, schildert Çevikkollu. Im Schlafzimmer habe eine Kartonwand gestanden, voller eingepackter Dinge, denn es sollte ja wieder zurückgehen. Çevikkollu versucht in seinem Buch, die Frage zu klären: „Was macht es mit Menschen, wenn sie irgendwann merken: Der Traum zurückzukehren hat sich nicht erfüllt?“ Seine Familiengeschichte stehe dabei beispielhaft für die Erfahrungen und Hürden, mit denen sich viele türkische Gastarbeiter und ihre Familien haben auseinandersetzen mussten. Er schildert, wie er energiegeladen nach Schulschluss heimkehrte, und seine Eltern immer und immer wieder schweigend antraf. Jeder habe vor sich hingelebt. Familiäre Wärme habe er nicht gespürt. Der Drang, endlich von zuhause wegzukommen, sei stark gewesen. Der Mutter, die zumeist alleine zuhause war, habe die Isolation nicht gut getan. Sie sei über die Jahre komisch geworden, habe Stimmen gehört und mit sich selbst gesprochen. Oft habe er gehört, dass Gastarbeiterfamilien unter psychischen Störungen leiden würden.