Kunst Wenn sich Pflanzen und Tiere mit Maschinen vereinen

Düsseldorf · Der Pariser Street-Art-Künstler Ardif präsentiert Zwitterwesen aus Technik und Natur.

Street-Art-Künstler Ardif (l.) neben Pretty-Portal-Galerist Klaus Rosskothen.

Foto: Thomas Frank

Der Pariser Street-Art-Künstler Ardif hat die Galerie Pretty Portal in ein spezielles „Terrarium“ verwandelt. Auf der Wand erscheint ein riesiges Chamäleon, das auf einem Bambusrohr entlangklettert. Das Reptil schillert grün, mit hellwachem Glubschauge, das sich ja in alle Richtungen drehen kann, sobald es seine Beute erspäht hat. Jede Schuppe, jede Falte, jeder Punkt auf der Haut ist zu erkennen. Doch mit dem Chamäleon ist etwas passiert. Es sieht aus, als würde es sich häuten: Am Kopf, am Rücken, an den Hinterbeinen, am Schwanz zeigt sich das Innere des Körpers: Zahnräder, Keilriemen, Seile, Schienen oder Stangen verbinden sich mit Brücken, Türmen, Kirchen, Mühlenrädern, Mauern oder offenen Stadttoren. Ein Maschinen-Stadt-Zwitter in Schwarzweiß formt den Körper des Chamäleons. Doch die Architekturen und Apparate wirken nicht modern, sondern alt. Sie erinnern an wirklichkeitsgetreue Stadtansichten oder an Gebäudeentwürfe aus dem Mittelalter oder aus der Renaissance. Und das detailliert dargestellte Chamäleon könnte eine zoologische Zeichnung des Naturforschers Alexander von Humboldt sein.

Neben dem Reptil finden sich in der Urban-Art-Galerie an der Brunnenstraße auch andere Natur-Maschine-Architektur-Wesen. Eine riesige Libelle über einer Tür – wieder direkt auf die Wand gemalt. Ardif hat sie exakt in der Mitte seziert: links der blaubraune stabförmige Insekten-Körper mit seinem bläulich durchsichtigen Doppel-Flügel, rechts ein Körper aus Bauwerken und mechanischen Getrieben – eng ineinander verschachtelt. Auch auf gerahmte Leinwände hat Ardif seine „Mechanimals“ gebannt – so nennt er seine Tier-Maschine-Architektur-Wesen.

Mit Arcyl und Zeichentusche formen zwei japanische Koi-Karpfen mit ihren orange-schwarz-weißen Maschinen-Stadt-Körpern gemeinsam einen Kreis – beide mit Seilen aneinandergebunden. Oder ein grüner Maschinen-Architektur-Frosch sitzt auf einem Seerosen-Blatt, über Seile verknüpft mit der rosa Blüte, die sich ebenfalls als halb mechanisches Gebilde entpuppt. Oder Mohnblumen, Tabakpflanzen und Hanf, deren Stängel, Blätter und Blüten halb mechanisch sind. Ardif setzt seine Zwitterwesen hauptsächlich auf Pariser Häuser-Mauern. Als Murals (Wandmalereien) oder Paste Ups (mit Leim auf Wand angebrachte Werke auf Papier).

Ein Chamäleon erscheint hier als Natur-Maschine-Architektur-Zwitterwesen.

Foto: Thomas Frank

Doch wie andere Street-Art-Künstler kreiert Ardif auch seine Werke in Kunsträumen. Bei Pretty Portal präsentiert er nun seine erste Solo-Schau außerhalb Frankreichs. „MACHINaturE vs MachiNATURE“ lautet der – auch orthografisch – sperrige Titel. Er spiegelt die Faszination, die Ardifs „Mechanimals“ und „Mechafloras“ auslösen, nicht wider. Der Pariser Künstler erschafft Wesen aus Sphären, die sich im permanenten Widerstreit befinden: Natur, Maschine, Architektur. Es sind die Kontraste, die seine Geschöpfe ausmachen: bunt-schwarzweiß, Natur-Kultur, ebenso die Mischung aus Lebensechtheit und Science-Fiction, aus Schönheit und Unheimlichem. Ardif liefert Gegenbilder zu aktuellen Entwicklungen auf unserem Planeten: explodierende Städte, Raubbau an der Natur, rasanter technologischer Fortschritt – vor allem die Pläne des Silicon Valley, den Menschen mit Hilfe von Nanorobotern, Genreparatur-Werkzeugen oder künstlich intelligenten Prothesen unsterblich zu machen. „Es geht darum, weiterhin Technologien zu entwickeln, ohne die Natur zu opfern. Wir müssen eine Balance finden“, sagt Ardif. Er selbst liebt Technik, fürchtet sich aber auch vor ihr. Das Problem sei nämlich, dass wir nicht wissen wie die modernen Technologien funktionieren – sei es das Internet oder das Smartphone. Dementsprechend blickt er mit seinen Werken ins Innere der mechanischen Apparate.

Als Inspirationsquellen dienen ihm Zeichnungen von Ingenieuren und Architekten aus vergangenen Jahrhunderten. Er findet sie im Netz oder in Büchern. Da Ardif gelernter Architekt ist, arbeitet er als Künstler auch wie einer: Seine mechanischen Wesen entwirft er mit Lineal und Zirkel, allerdings intuitiv. Ob Homo Sapiens es schafft, Natur, Technik und Architektur harmonisch zu vereinen oder nicht, eines droht im so oder so - das zeigt Ardif auch: auf schwarzem Grund schwebt ein riesiger menschlicher Totenschädel, aus dem Maschinen, Gebäude und Chrysanthemen hervorquillen. Vanitas lässt grüßen!

Ardif: MACHINaturE vs MachiNATURE in der Galerie Pretty Portal bis 26. April, Mo – Fr 11-19 Uhr und nach Vereinbarung, Preisspanne: 1300 bis 3000 Euro, Brunnenstr. 12. Mehr Infos im Netz.