Mit vier schon in die Oper
Eltern ignorieren oft die Altersempfehlungen der Bühnen in der Stadt. Das sorgt immer wieder für Probleme.
Düsseldorf. Sternschnuppen-Konzert in der Tonhalle: Während auf der Bühne die Symphoniker Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ zelebrieren, plappert einer der jungen Zuschauer eifrig mit seiner Mutter. Für die Sitznachbarn ist das störend und ein paar Mal legt die Mutter mahnend den Zeigefinger auf die Lippen. Den vielleicht vierjährigen Jungen kümmert das aber wenig.
Die Sternschnuppen-Konzertreihe richtet sich an Kinder von sechs bis acht Jahren, so wird es vom Veranstalter auch ausgewiesen. Auch andere Bühnen in der Stadt geben mit Altersempfehlungen den Eltern eine Orientierungshilfe. Allerdings halten sich viele nicht daran. So waren auch bei der Premiere von Figaros Hochzeit am Wochenende in der Rheinoper viele Kitakinder im Publikum zu sehen, obwohl sich das Stück an Schulkinder richtet und schon für Sieben- oder Achtjährige anspruchsvoll ist.
Die großen Kulturstätten der Stadt kommentieren das auf ähnliche Weise: „Wir können unsere Besucher nicht aussperren“, sagt zum Beispiel Tanja Brill, Sprecherin der Rheinoper. Die Oper gebe Altersempfehlungen, allerdings seien gleichaltrige Kinder vom Entwicklungsstand her sehr unterschiedlich. Nach einer Aufführung von „Der gestiefelte Kater“ bekam die Rheinoper kürzlich die Zuschrift einer Mutter, deren sechsjähriges Kind sich beim Auftritt des Monsters erschrocken habe. Brill: „Für viele Kinder ist das dagegen der Höhepunkt der Inszenierung.“
Barbara Kantell, Dramaturgin am Jungen Schauspielhaus, hat schon öfter Kinder erlebt, die zwischendurch Aufführungen verließen: „Es gibt immer Eltern, die glauben, ihr fünfjähriges Kind sei auf dem Stand eines Achtjährigen.“ Allerdings seien die Empfehlungen immer Annäherungswerte. Es habe auch schon Lehrer gegeben, die sagten, ihre Schüler seien für ein Stück noch zu jung gewesen: „Deshalb bieten wir Lehrern an, sich Stücke vorher allein anzusehen.“
Ganz anders geht die Puppenbühne an der Helmholtzstraße mit dem Thema um. Hier entschloss sich die Leiterin Manuela von Zacharewicz irgendwann, die Altersvorgaben genau anzuwenden. Viele Eltern akzeptieren das, aber nicht alle. Da ist es in dem kleinen Theater auch schon mal zu Streit gekommen.
Von Zacharewicz glaubt, dass Eltern und Kinder heute sehr unter Leistungsdruck stehen. Sie höre von Eltern, ihre Kinder seien unterfordert. „Früher hatten wir hier krabbelnde Babys und viel Unruhe. Unter solchen Bedingungen funktioniet ein kleines Puppentheater aber nicht.“
Svenja Kruse vom Stadtelternrat hat dafür kein Verständnis: „Ich finde das zu rigide, die Entscheidung sollte man den Eltern überlassen.“ Oft seien kleine Geschwister dabei, wenn es zu Hause keinen Babysitter gibt. Und die könnten von Veranstaltungen profitieren, die vielleicht noch ein bisschen hoch für sie sind. Das glaubt Bildungsforscherin Irene Dittrich von der FH Düsseldorf: „Allerdings sollte man sein Kind dann genau beobachten. Wenn es unruhig und gelangweilt wirkt, bringt es wenig.“
Der Wille von Eltern, ihre Kinder früh kulturell zu fördern, hat nach Dittrichs Beobachtung zugenommen: „Eltern sind heute sehr ehrgeizig. Man kann es ihnen nicht verübeln, der Druck, das Kind zum erfolgreichen Abitur zu bringen, ist enorm hoch.“