Herr Busch, was war Ihre erste Reaktion, als Sie vom Erfrierungstod der beiden Männer gehört haben?
Interview mit Thalia-Chef Michael Busch Nach Tod zweier Menschen: Neuer Düsseldorfer Verein will Obdachlosen helfen
Interview | Düsseldorf · Ein neuer Verein will Menschen dauerhaft aus der Wohnungslosigkeit holen. Der Thalia-Chef erklärt, warum er sich dafür engagiert.
Bis zu 400 Menschen leben in Düsseldorf auf der Straße. Der Winter ist für sie besonders hart und gefährlich: Innerhalb kurzer Zeit sind in den vergangenen Wochen zwei obdachlose Männer erfroren. Der Verein Housing First, der von der Hilfsorganisation Fiftyfifty mitgegründet wurde und von der Stadt gefördert wird, will Wohnungslosen dauerhaft eine Alternative zur Straße bieten. Thalia-Gesellschafter Michael Busch ist Mitglied der ersten Stunde.
Michael Busch: Ich war im ersten Moment total schockiert. Noch hat die richtig kalte Phase ja gar nicht begonnen und trotzdem erfrieren zwei Menschen – und das in einer so wohlhabenden Stadt wie Düsseldorf. Dann habe ich mir zwei Fragen gestellt: Was soll noch passieren, wenn es Eis und Schnee gibt? Und was kann man tun, damit sich so etwas nicht wiederholt? Genau hier setzt auch die Idee des neuen Vereins Housing First an, in dem ich Mitglied bin.
Was ist die Idee dahinter?
Busch: Oft stecken Obdachlose in einem Zyklus fest – von der Straße in eine Notunterkunft oder in eine kurzzeitige kommunale Unterbringung und von dort wieder auf die Straße. Die Notunterkünfte sind oft die letzte Rettung, aber keine dauerhafte Lösung. Der Verein möchte nachhaltig helfen und Wohnungen für die bis zu 400 Düsseldorfer Obdachlosen bereitstellen, die überwiegend auf der Straße übernachten. Ihnen soll der Einstieg in ein normales, geregeltes Leben ermöglicht werden. Und das fängt eben mit einer eigenen Wohnung an.
Wie kam die Zusammenarbeit zustande?
Busch: Über Fiftyfifty, die das Projekt maßgeblich vorantreiben und ja von vielen Künstlern unterstützt werden. Der Kontakt kam auch über die Kunst zustande, darüber bin ich mit dem Gründer und Geschäftsführer Hubert Ostendorf ins Gespräch gekommen. Er hat mir von dem Verein erzählt und mir war schnell klar, dass ich mich engagieren möchte.
Was umfasst dieses Engagement?
Busch: Ich stelle einerseits gemeinsam mit meinem Freund und Partner, dem Notar Armin Hauschild selbst Wohnungen zur Verfügung. Drei haben wir bereits gekauft, zwei oder mehr suchen wir noch. Andererseits möchte ich aber auch Botschafter sein und andere Privatpersonen, Investoren und Wohnungsbaugesellschaften von der Idee überzeugen. Wir hoffen da auf eine Art Schneeballeffekt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass wir hier nicht weitere Verbündete für dieses Engagement finden.
Was sind das für Wohnungen?
Busch: Die Wohnungen sind klein, zwischen 25 und 30 Quadratmeter groß und für eine Einzelperson geeignet. Sie befinden sich im gesamten Stadtgebiet und in ganz normalen Mietshäusern, nicht mehr als eine pro Haus. Das ist wichtig, weil es auch darum geht, die Menschen in ein normales Umfeld einzuführen, damit sie einen echten Neuanfang bekommen, ganz ohne Stigma.
Reicht es dafür, einfach nur eine Wohnung gestellt zu bekommen?
Busch: Das ist der erste Schritt, aber die Arbeit des Vereins geht natürlich darüber hinaus. Die ehemaligen Obdachlosen werden begleitet und betreut, zum Beispiel bei Behördengängen, aber auch im Alltag. Die Expertise kommt dabei von Organisationen wie Fiftyfifty und der Drogenhilfe, die Housing First seit Jahren umsetzen. Ich bewundere sehr, mit wie viel Begeisterung und Empathie die jeden Tag wieder dabei sind. Glücklicherweise waren auch Oberbürgermeister Stephan Keller und sein Team – allen voran Miriam Koch – sofort begeistert von unserer Idee und haben sehr unkompliziert zwei Stellen für die wohnbegleitenden Hilfen zur Verfügung gestellt. Diese sind inzwischen besetzt, die ersten Wohnungen sind schon bezogen – darunter auch unsere.
Wer kümmert sich darum?
Busch: Meine Tochter und ihr Freund Patrick Weiß kümmern sich um die Wohnungen und waren auch bei der Übergabe dabei.
Also ist es auch ein Familienprojekt. Ist in Ihrer Familie soziales Engagement wichtig?
Busch: Ja, so bin ich auch erzogen worden. Ich komme aus einem Handwerkerhaushalt und bin sehr dankbar dafür, dass meine Eltern mir eine gute Ausbildung ermöglicht haben. Außerdem muss man sich, wie ich finde, bewusst sein, dass man großes Glück hat, wenn man in einem Land wie Deutschland geboren wird und unfassbare viele Chancen hat, die andere nicht haben. In meiner Position bin ich in der Lage, etwas zurückzugeben und das tue ich. Der gesellschaftliche Zusammenhalt lebt von einem Geben und Nehmen, von Solidarität; das gilt auch und insbesondere für eine Stadt wie Düsseldorf.
Was ist das langfristige Ziel von Housing First?
Busch: Im Verein haben wir gesagt, dass es in fünf bis sieben Jahren möglich sein sollte, so viele Wohnungen bereitzustellen, dass jedem geholfen werden kann, der das auch möchte. Denn klar ist: Es ist ein Angebot, das wir machen, aber man kann natürlich niemanden zwingen. Dennoch hoffen wir, unser Ziel zu erreichen: Düsseldorf soll eine Stadt sein, vielleicht die erste weltweit, in der niemand auf der Straße leben muss.