Düsseldorfs Oberbürgermeister im großen Sommerinterview OB Geisel: „Der Investitionsstau ist massiv“

Der OB über den Zoff mit der Stadtsparkasse, die Hängepartie beim Ingenhoven-Bau, Kita-Gebühren und Tage am Strand.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Zwischen Familien-Urlaub in Griechenland und Dienstreise nach Brasilien hat sich Oberbürgermeister Thomas Geisel den Fragen der WZ gestellt.

Herr Geisel, im Griechenland-Urlaub ist das Auto Ihrer Familie aufgebrochen worden. Unter anderem wurden die Latein-Unterlagen Ihrer Töchter gestohlen. Latein lernen im Urlaub? Da muss ein strenger Vater dahinter stecken. . .

Geisel: Meine Frau ist da etwas mehr hinterher. Aber letztlich haben wir das gemeinsam mit unseren Töchtern verabredet: jeden Tag eine Stunde Latein. Sie waren sogar fast ein bisschen traurig, dass die Unterlagen weg waren. Schlimm war für meine Töchter, dass ihr Handy auch weg war. Aber das hatte natürlich auch eine gute Seite für uns Eltern.

Und haben Sie sich auch viel Arbeit mit in den Urlaub genommen?

Geisel: Nein. Ich habe wirklich Urlaub gemacht, auch einfach nur Tage am Strand verbracht. Ich dachte eigentlich, dass ich ein bisschen über meine Haushaltsrede nachdenken würde, aber ich habe dann doch nur den Reiseführer gelesen. Das einzige Stück Arbeit war ein tägliches, zehnminütiges Telefonat mit meinem Büro morgens.

Sie sind seit fast zwei Jahren Oberbürgermeister. In dieser Zeit hat es viele Wechsel von Führungskräften bei Stadtverwaltung und Stadttöchtern gegeben — auch durch Ihr Zutun. Ist das nicht riskant, so viele Spitzenpositionen in so kurzer Zeit auszutauschen?

Geisel:Der Eindruck, dass ich hier erstmal kräftig aufgeräumt hätte, trifft nicht ganz zu. In einigen Fällen hat sich der Wechsel ergeben, ohne dass ich dies forciert hätte. Manfred Abrahams zum Beispiel wollte - verständlicherweise - Vorstand bei den Stadtwerken werden. Und ich glaube auch nicht, dass es ein Risiko gibt: Wir haben die Positionen mit sehr erfahrenen, renommierten und qualifizierten Fachleuten nachbesetzt.

Die nächste wackelige Personalie ist Stadtsparkassen-Chef Arndt Hallmann. Sie haben von Anwälten prüfen lassen, mit welchen Rahmenbedingungen seine Ablösung verbunden wäre.

Geisel: Dass man sich mal den Vertrag angeschaut hat, ist doch normal. Das ist nicht mit Blick auf eine mögliche Trennung passiert. Darüber müsste sowieso der Verwaltungsrat entscheiden.

Sind Sie persönlich denn nach dem Zoff um die angemessene Ausschüttung an die Stadt für eine Ablösung von Hallmann?

Geisel: Es wäre sehr schwierig, vertrauensvoll zusammenzuarbeiten, wenn der Sparkassenvorstand an seiner bereits eingereichten Klage gegen die Entscheidung der Sparkassenaufsicht festhalten würde. Die Sparkassenaufsicht hat in ihrer Entscheidung nichts anderes festgestellt, als das, was ich für allgemeine Regeln der Good Governance halte: Nämlich, dass der Vorstand bei der Aufstellung des Jahresabschlusses die Rechte und die Verantwortung von Verwaltungsrat und Träger zu beachten und ihnen die Entscheidung über die Verwendung des Jahresüberschusses zu überlassen hat. Ich bin überzeugt, die Sparkasse braucht jetzt Ruhe und ein Rechtsstreit durch alle Instanzen, wie er von den Anwälten von Herrn Hallmann schon angekündigt wurde, würde dem Institut massiv schaden. Die Sparkasse muss sich jetzt auf ihren öffentlichen Auftrag und ihr Geschäft konzentrieren. Wenn der Vorstand jetzt klagt, dann handelt er gegen das Institut und alleine in seinem persönlichen Interesse, weil er offenbar den Makel nicht auf sich sitzen lassen möchte, einen rechtswidrigen Jahresabschluss aufgestellt zu haben.

Was planen Sie für das Jahr 2016 von der Stadtsparkasse ein?

Geisel: Nach heutigem Stand rechne ich wieder mit einem über dem Plan liegenden Ergebnis. Wir werden für den Etat wohl einen zweistelligen Millionenbetrag einplanen können.

Das Geld wird dringend gebraucht. Doch trotz vor allem sehr guter Gewerbesteuereinnahmen gelingt es der Stadt nicht, einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Warum nicht?

Geisel: Einen strukturell ausgeglichenen Haushalt streben wir an. Allerdings ist der Investitionsstau massiv - vor allem im Schulbereich Wir müssen zurzeit mehr Geld investieren, als wir abschreiben können, deshalb benötigen wir Liquidität.

Das Loch soll mit Hilfe des Verkaufs von weiterem Tafelsilber gestopft werden. Welche Summe will die Stadt mit dem Verkauf des Flughafen-Areals an den Flughafen denn mindestens erzielen?

Geisel: Zurzeit wird die richtige Bewertungsmethode erarbeitet. Eine Summe möchte ich noch nicht nennen. Aber es geht hier nicht um den klassischen Verkauf des Tafelsilbers. Die Stadt verkauft ja zum Teil an sich selbst, da sie zu 50 Prozent Eigentümer des Flughafen ist und den Einfluss nicht an Dritte abgibt, wie das etwa beim Verkauf der Stadtwerke-Anteile war.

Wie können die anstehenden Investitionen denn noch besser bewältigt werden?

Geisel: Es gibt zwei Möglichkeiten Liquidität zu beschaffen: entweder über Kredite oder über Veräußerung von Vermögenswerten. Ich kann Vermögenswerte veräußern und mit dem Erlös investieren, also neue Vermögenswerte schaffen. Um die Schuldenfreiheit zu bewahren, hat sich die Stadt in der Vergangenheit allerdings auch mehrfach für eine andere Variante, für sogenannte Investorenmodelle, entschieden. Das haben wir etwa beim Kita-Bau: Ein Investor nimmt den Kredit auf, wir zahlen über die Pacht Zins, Tilgung und Betriebskosten — und nach 30 Jahren ist der Kredit getilgt, aber die Kita gehört dem Investor. Hätte die Stadt selbst investiert, hätten wir die gleiche finanzielle Belastung gehabt — aber die Kita würde am Ende der Stadt gehören. Das zeigt: Wenn Schuldenfreiheit zum Selbstzweck wird, kann das sehr unwirtschaftlich werden.

Auch über Kita-Beiträge ließen sich Einnahmen generieren. . .

Geisel: Wir sollten fragen, was wir wirklich erreichen wollen. Dass nur Kinder über drei Jahren keine Beiträge zahlen müssen, ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar. Wichtig ist vielmehr, dass die Kinder von Alleinerziehenden, von Migranten und von bildungsfernen Schichten einen niedrigschwelligen Zugang zur Kita bekommen, ob älter oder jünger als drei Jahre. Für diese Kinder bringt die Kita ein unverzichtbares Bildungs- und Integrationsangebot mit. Wenn die Kita aber wie in meiner eigenen Familie vor allem bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hilft und ein zweites - und in unserem Falle sehr auskömmliches - Einkommen ermöglicht, dann halte ich eine gewisse Gebühr für angemessen.

Auch Geld in die Kasse spülen soll der Verkauf des Areals für den Ingenhoven-Bau am Schauspielhaus. Vor zehn Monaten haben Sie sich mit den Investoren auf die Summe von 70 Millionen Euro geeinigt. Warum ist der Vertrag immer noch nicht unterschrieben?

Geisel: Es gab verschiedene Unwägbarkeiten. Etwa einen Eigentümer, der nicht verkaufen wollte. Zudem handelt es sich um ein ungeheuer komplexes Vorhaben und Vertragswerk.

Wird der Stadtrat denn im September endgültig über das Projekt entscheiden können?

Geisel: Das ist ein sehr ehrgeiziges Ziel. Ich kann nicht ausschließen, dass es weitere Verzögerungen gibt. Aber wir arbeiten mit Hochdruck daran, dass endlich der Baustart erfolgen kann.

Das heißt, Sie können dem neuen Schauspielhaus-Intendanten Wilfried Schulz nicht garantieren, dass er wenigstens seine dritte Spielzeit 2018 am Gründgens-Platz beginnen kann?

Geisel: Wir tun alles, was in unserer Macht steht, aber für den Baustellenbetrieb sind wir nicht verantwortlich; ich fahre ja nicht selbst den Kran.

Wie läuft das Rathaus-interne Sparprogramm „Verwaltung 2020“?

Geisel: Wir haben inzwischen die Rückmeldungen von den Ämtern. Manche sind reformfreudiger, andere tun sich schwerer. Insgesamt bin ich aber sehr angetan von den bisherigen Ergebnissen und den hunderten von Vorschlägen der Mitarbeiter. Es ist übrigens kein Sparprogramm, sondern ein Reformprogramm, um die Verwaltung effizienter und demografiefest zu machen. Nach meinem Eindruck ist Düsseldorf damit Vorreiter für die gesamte öffentliche Verwaltung.

Von zwei Projekten ist momentan nichts mehr zu hören, Erneuerung Konrad-Adenauer-Platz und Umzug der Ämter und Stadtbücherei in die alte Hauptpost.

Geisel: Da sind wir selbstverständlich weiter dran. Mit diesem Projekt konzentrieren wir wichtige Funktionen der Stadtverwaltung an einem Ort und das zu voraussichtlich günstigeren Konditionen als bisher. Auch beim Bahnhofs-Vorplatz sollten wir bis 2020 einen großen Schritt vorankommen. Ich treffe Herrn Pofalla bald zu einem Abendessen, da werde ich das noch einmal thematisieren. Ich erhoffe mir von beiden Projekten, dass sie zu einer städtebaulichen Aufwertung des Viertels beitragen, zusammen mit den Bauvorhaben an der Harkortstraße und gegenüber vom Capitol.

Sie werden Gast bei den Olympischen Spielen in Brasilien sein, ist Olympia auch noch mal ein Thema für Düsseldorf?

Geisel: Das wäre sicher für die Gesamtregion Rhein-Ruhr ein interessantes Projekt, auch für die regionale Zusammenarbeit und die Erneuerung der Infrastruktur. Aber zunächst wird das IOC seine Hausaufgaben machen müssen, denn das Nein in Hamburg war auch Folge einer als intransparent wahrgenommenen Struktur des IOC. Jetzt machen wir erstmal die Tour de France zu einem großartigen Sportereignis in Düsseldorf und dann sehen wir weiter.