Paar-Therapeutin Julianna Heiland: „Alle Paare haben Probleme“

Die Paar-Therapeutin Julianna Heiland spricht über Beziehungskrisen und die Chancen professioneller Beratung.

Düsseldorf. Für die meisten bedeutet das neue Jahr einen Neuanfang — auch in der Beziehung. Doch viele Paare schaffen es nicht, ihre Probleme allein in den Griff zu kriegen. Psychotherapeutin Julianna Heiland berät in ihrer Praxis Paare in Krisensituationen. Sie verrät, worum es in einer Beziehung wirklich geht und warum gerade die Feiertage Konfliktpotenzial bieten.

Frau Heiland, vielen Paaren fällt es schwer, den Schritt zu einer Therapie zu machen. Woran liegt das?

Julianna Heiland: Ich denke, dass sie es ein Stück weit als Makel empfinden, dieses Gefühl, es nicht geschafft zu haben. Sie schämen sich ein wenig. Es scheint, man denkt in unserer Gesellschaft: ‘Ich muss das doch können’, ähnlich wie bei der Kindererziehung. Dabei ist dieses Können keineswegs angeboren. Und ich denke, alle Paare haben hin und wieder Probleme.

Stimmt das Vorurteil, dass eher Frauen als Männer zu einer Therapie drängen?

Heiland: Ich erlebe das sehr unterschiedlich: Mich rufen auch viele Männer an. Und die meisten melden sich erst dann, wenn es bereits um die Trennung geht.

An welchem Punkt sollte man denn zu Ihnen kommen?

Heiland: Wenn man merkt, dass man keine Lösung findet. In der Regel ist es so, dass jedes Paar ein klassisches Streitthema hat, welches sich dadurch auszeichnet, dass es immer wieder auftritt, aber nie gelöst wird. Außerdem sollte man Hilfe suchen, wenn man merkt, dass man sich nicht mehr glücklich fühlt in der Beziehung.

Worin liegen bei den meisten Paaren die Probleme?

Heiland: In einer Beziehung geht es nicht nur darum, glücklich zu sein. Man will auch unerledigte Konflikte aus der Kindheit lösen. Etwa 90 Prozent aller Paar-Konflikte haben ihren Ursprung in der Familiengeschichte. Es gibt Momente, die wir als verletzend oder unangenehm empfunden haben und die wir heilen wollen, durch neue Erfahrungen in der Beziehung.

Ein Beispiel?

Heiland: Sagen wir, ein Mann wurde als Kind immer von seiner Mutter kritisiert. Dann will er später in seiner Beziehung die Erfahrung machen, dass er es seiner Partnerin recht macht. Aber das kann er natürlich nicht immer und er wird wieder kritisiert. Also kommt das alte, unangenehme Gefühl in ihm hoch und er ist von der Beziehung enttäuscht. Hinter Problemen steckt immer, dass man eine andere Erfahrung machen möchte, dies aber nicht so geschieht, wie man es sich vorgestellt hat.

Können Sie die Probleme von Frauen besser nachvollziehen, oder schaffen sie es immer, völlig neutral zu sein?

Heiland: Ich glaube, da ich diesen Job schon sehr lange mache, kann ich beide Seiten gut nachvollziehen. Die Probleme sind auch nicht immer geschlechtsspezifisch, es geht mir mehr um die psychische Situation.

Ist der Therapiebedarf an den Feiertagen größer als sonst?

Heiland: Es stimmt schon, dass um Weihnachten herum mehr Paare Hilfe suchen, manche sogar schon vorher. Vielleicht werden ihnen dann Probleme stärker bewusst, gerade zwischen den Feiertagen, wenn man zur Ruhe kommt. Die meisten haben ja den Anspruch, dass das Fest harmonisch verläuft, aber dann wird deutlich, dass man sich in der Beziehung gar nicht wohl fühlt. Die Probleme gehen ja zu Weihnachten nicht einfach weg. Ähnlich ist es im Urlaub.

Gibt es auch Paare, denen sie gleich eine Trennung empfehlen?

Heiland: Nein. Wenn Paare zu mir kommen, dann gibt es ja zumindest einen, der an der Beziehung festhalten will. Aber manche Paare bitten auch direkt um Trennungshilfe, beispielsweise weil ein Partner nicht mehr will und der andere damit nicht zurecht kommt. Und es kann bereichernd sein, zu sehen, woran die Beziehung gescheitert ist. Man nimmt sich selbst ja schließlich mit in jede neue Partnerschaft und dann macht man es beim nächsten Mal vielleicht besser.

Was sind die Grundregeln für eine glückliche Partnerschaft?

Heiland: Eine ganz wichtige Grundregel, wenn auch eine schwierige, ist es, den anderen so zu nehmen, wie er ist und sich daran zu erfreuen. In der ersten Verliebtheit tun wir das ja. Interessanter Weise sind aber genau jene Dinge, die uns anfangs besonders anziehen später Trennungsgründe. Natürlich soll man ansprechen, was einem nicht gefällt, wir wollen uns ja mit unserem Partner weiterentwickeln. Aber die grundsätzlichen Charakterzüge sollte man so nehmen, wie sie sind und sich seinem Partner gegenüber wertschätzend verhalten.

Wie hoch sind die Erfolgschancen einer Therapie?

Heiland: In Zahlen kann ich das nicht ausdrücken, aber es werden in jedem Fall mehr Beziehungen gerettet, als zerbrechen. Die Rate der Paare, die zusammen bleiben, ist wesentlich höher als die der Paare, die sich danach trennen.