Alte Postverladestelle Performance „Ideal Paradise“: Spurensuche an einem besonderen Ort

Die alte Postverladestelle hinter dem Hauptbahnhof dient als Kulisse einer Performance, die ab Donnerstag zu sehen ist.

Foto: Claudia Bosse

Düsseldorf. Es war Liebe auf den ersten Blick. Als die Regisseurin und Wahl-Wienerin Claudia Bosse die stillgelegten Hallen der alten Postverladestelle hinter dem Düsseldorfer Hauptbahnhof zum ersten Mal betritt, weiß sie sofort: Hier soll ihr Projekt „Ideal Paradise“ ihren Abschluss finden. Von Donnerstag bis Samstag ist die Performance über gesellschaftliche Konstellationen, Rituale und politisches Denken in den Räumlichkeiten an der Kölner Straße zu sehen.

„2015 begann alles mit einer Installation, die aus Interviews bestand, die die politische Situation und gesellschaftliche Umbrüche in Kairo und Athen reflektierten“, erklärt Claudia Bosse. Inwiefern sind politische Konflikte religiös und umgekehrt? Welche Vorstellungen gibt es, wie man in einer durch Umbrüche gekennzeichneten Gesellschaft zusammenleben will?

Und: Gibt es überhaupt die eine, ideale Gesellschaft? Diesen und anderen Fragen ging das von Bosse geleitete „Theatercombinat“ auf den Grund, unter anderem auch mit Performances im öffentlichen Stadtraum in Wien und Bukarest.

Überlegungen, auch in Düsseldorf „nach draußen“ zu gehen, hat es anfangs gegeben. „Wir haben uns aufgrund der Jahreszeit dagegen entschieden. Aber auch wegen der Räumlichkeiten hier, die so komplex sind und uns so viele Möglichkeiten geben“, sagt Claudia Bosse. „Sie sind voller Relikte von analoger Arbeit, die es so bald nicht mehr geben wird. Auch das macht viel mit unserer Gesellschaft.“

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An den Wänden hängen vergilbte E-Mail-Ausdrucke, Landkarten und Poster mit Tierbabys. Kaum vorstellbar, dass hier bis vor zwei Jahren noch reger Arbeitsbetrieb herrschte, so verlassen wirken die großzügigen Räumlichkeiten jetzt. Die Zuschauer werden zunächst einzeln durch einen langen, dunklen Flur geschickt. Aus Lautsprechern tönen Interview-Fragmente, und in den einzelnen Räumen paart sich Hinterbliebenes der ehemaligen Belegschaft mit mitgebrachten Ausstellungsstücken.

Die Atmosphäre ist gleichsam bedrohlich wie geheimnisvoll. Zusammen mit sechs Performern begeben sich die Besucher anschließend auf Entdeckungsreise und erkunden in einem mehrmedialen Raum Sounds, Videos, Objekte und sich verändernde Konstellationen.

Ein weiterer Bestandteil der Performance ist ein Sprech- und Bewegungschor, der aus 13 Düsseldorfern besteht. Seit vergangener Woche wird täglich in der Postverladestelle geprobt. „In Wien haben wir ebenfalls Leute für einen solchen Chor gesucht. Die, die kamen, waren sehr viel gemischter, was Alter und Herkunft angeht“, sagt Claudia Bosse.

In Düsseldorf hätten sich überwiegend ältere Menschen ohne Migrationshintergrund gemeldet. Bedauern tut die Regisseurin das nicht. „Auch das sagt ja etwas aus über eine Stadt und das Zusammenleben hier.“

Anfangs blicken die 13 Chormitglieder von einer Empore auf die Zuschauer hinab. Durch diese räumliche Anordnung wird ihnen eine starke Präsenz verliehen. Im weiteren Verlauf erfahren die Zuschauer von den Performern und Chormitgliedern, was für sie persönlich kulturelle Identität bedeutet.

Im Zusammenspiel mit der besonderen, eindrucksvollen Location entsteht so eine intensive, interessante Odyssee, an dessen Ende, soviel sei verraten, nicht das „Ideal Paradise“ wartet. „Das gibt es überhaupt nicht“, sagt Claudia Bosse.