Personalmangel führt zu Missständen im Gefängnis
Fünf Jahre nach dem Umzug der Ulmer Höh’ von Derendorf nach Ratingen beklagen Gefangene und Betreuer die Zustände.
Düsseldorf/Ratingen. Vor fünf Jahren zog das Düsseldorfer Gefängnis „Ulmer Höh’ “ von der Ulmenstraße in den Neubau nach Ratingen. Zeit für den Herausgeber des Gefangenenmagazins „Ulmer Echo“ und Gefängnisseelsorger, Dominikanerpater Wolfgang Sieffert, eine Bilanz zu ziehen. Die fällt für die Verhältnisse, unter denen die Beschäftigten, Inhaftierten und Ehrenamtler im „neuen Knast“ (Sieffert) leben und arbeiten, sehr schlecht aus.
Kern des Problems sei der Personalmangel, erklärt Sieffert auch auf Nachfrage der WZ. Von 285 Stellen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Düsseldorf seien 267 besetzt. Zu wenig für 830 Inhaftierte. Zu wenig für die Infrastruktur der neuen Ulmer Höh. Man habe im 2012 eröffneten Gefängnis (Baukosten: 180 Millionen Euro) „zu viele Sicherheitsaspekte eingebaut und unglaubliche Laufwege“, nennt Sieffert weitere Gründe, die für alle belastend seien. Den Personalmangel bezeichnet Pater Wolfgang als „eine Dreistigkeit, nicht nur für die Inhaftierten“ und „eine Zumutung für die Bediensteten.“ Er unterstützt den Personalrat, der gestern das Gespräch mit Vertretern des NRW-Justizministeriums suchte.
Die Bediensteten in der Ulmer Höh’ würden „Berge von Überstunden vor sich herschieben“ heißt es in der Gefängniszeitung (Träger: Katholischer Gefängnisverein Düsseldorf), die jetzt an alle Inhaftierten verteilt und rund 1300 Abonnenten verschickt wurde. Doch trotz der Überstunden gebe es zu wenig Umschluss, Aufschluss und Kommunikation, zu wenig Sport, zu wenige Gruppen und schulische Angebote. Der Seelsorger warnt vor einem bloßen „Verwahrvollzug“.
Denn ein Teil der Inhaftierten verbringe Tage und Nächte bis auf die Freistunde allein auf der Zelle. Dies sei nicht zielführend, denn der Strafvollzug soll bei den Inhaftierten „für das Leben nach der Haft nötige Fähigkeiten stärken“, so das „Ulmer Echo“. Im Text mit dem Titel „Sinfonie des Unbehagens in vier bis fünf Strophen“ stellen die Autoren fest, „dass für eine bedeutende Zahl der Inhaftierten in der JVA Düsseldorf der Vollzug die gesetzlichen Ziele zurzeit schlicht verfehlt.“
In der alten Ulmer Höh’ habe es Kunst-, Bastel- oder auch Schachgruppen gegeben. Doch die Besuchszeiten von Ehrenamtlern seien im neuen Gefängnis eben wegen des Personalmangels, so Pater Wolfgang, verkürzt. Berufstätige Ehrenamtler können sich nur noch samstags engagieren und nicht wochentags am Abend. Auch eine Rockband gebe es in Ratingen nicht mehr. Abende, bei denen sich etwa eine Tischgemeinschaft der Düsseldorfer Jonges mit Inhaftierten unterhält und austauscht, könnten ebenfalls nicht mehr stattfinden.
Das „Ulmer Echo“ machte auch eine Umfrage bei 25 Inhaftierten, die die alte und neue Ulmer Höh’ kennen. Ergebnis: Das neue Gebäude punktet da fast nur in baulichen Bereichen, also bei der Größe der Zellen und der Hygiene. Fazit der Auswertung: „Wenn es um Kommunikation, Unterstützung, Kontakt und die soziale Dimension des Miteinanders geht, schlägt das Leben im ehemaligen Gebäude nach dem Urteil der beteiligten Gefangenen Ratingen um Längen.“
Heinz-Werner Schnittker, der Geschäftsführer des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer (SKFM), hat 25 Jahre im JVA-Beirat gearbeitet. Er erinnert sich an die alte, gut erreichbare Ulmer Höh’ in Derendorf, „im Bauch der Stadt“, auch als „Ort von Begegnung und Kommunikation“. Die Kapazitätserweiterung um 355 Plätze im Ratinger Neubau sei der Wirtschaftlichkeit geschuldet. Bedauernd stellt er im „Ulmer Echo“ fest: „Der Gedanke einer Resozialisierung (...) kann bei der Planung nicht Leitmotiv gewesen sein.“