Prozess: Arge zahlte jahrelang für Tote
Pärchen hatte Formulare für das Jobcenter gefälscht: Zwölf Monate Haft auf Bewährung.
Düsseldorf. Amtsrichter Dirk Kruse schüttelt den Kopf: „Es ist erschütternd, dass ein Mensch stirbt, ohne dass es jemand dreieinhalb Jahre zur Kenntnis nimmt. Und es ist erstaunlich, wie einfach es ist, an soziale Leistungen zu kommen. Offenbar ist unser System fehlerhaft.“ Zuvor hatte er ein Pärchen (30 und 32 Jahre alt) zu einer Haftstrafe von zwölf Monaten auf Bewährung verurteilt. Die beiden hatten jahrelang Sozialleistungen vom Jobcenter für eine tote Nachbarin kassiert, ohne dass es aufgefallen war.
Gisela W. hat vermutlich schon im November 2009 das Zeitliche gesegnet. Von dem Datum stammt die Fernsehzeitung, die vor der skelettierten Leiche lag, als die Wohnung in Düsseldorf-Eller im März vergangenen Jahres geöffnet wurde. Niemand hatte die 52-Jährige bis dahin vermisst.
„Uns ist damals aufgefallen, dass der Briefkasten nicht mehr geleert wurde“, schilderte die 32-jährige Apothekenhelferin, wie sie auf die Idee gekommen sind. In der Post fand das Paar ein Formular des Jobcenters, um die Leistungen verlängern zu lassen: „Das haben wir dann ausgefüllt.“ Anstandslos überwies die Arge das Geld für die Tote sogar auf das Konto der Angeklagten.
Fortan kümmerte sich das Pärchen intensiv um den Briefkasten von Gisela W., fünf Mal wurden die Verlängerungsanträge zurückgeschickt. Erst dann verlangte das Jobcenter ein persönliches Erscheinen. Bis dahin hatten die beiden schon mehr als 9500 Euro kassiert.
„Wir haben nicht gewusst, ob die Frau tot ist. Aber wir haben es uns gedacht“, räumte der 30-Jährige ein. Er habe die Nachbarin, die unter dem Dach im vierten Stock lebte, überhaupt nicht gekannt. Da beide Angeklagte geständig waren und nicht vorbestraft sind, kamen sie mit einer Bewährungsstrafe davon.
Jürgen Hennigfeld, Sprecher des Düsseldorfer Jobcenters, weist die Kritik des Richters zurück: „Hier ist mit einer erheblichen kriminellen Energie vorgegangen worden. Da wurden Urkunden gefälscht. Einen solchen Fall hat es bei uns bis jetzt nicht gegeben.“