Rau, aber trendy — jetzt putzt sich Flingern-Süd heraus
Mit dem Bau der Schwanenhöfe ist die leicht schmuddelige kleine Schwester des angesagten Flingern- Nord in Bewegung geraten. Wir stellen die Macher hinter den spannendsten Veränderungen vor.
Düsseldorf. Die roten Backsteinmauern der alten Fabrikgebäude spiegeln sich in den Pfützen. Von Tristesse dennoch keine Spur — die ehemalige Thompson-Fabrik hat sich richtig herausgeputzt.
Außerhalb der Schwanenhöfe geht es dagegen teilweise rau zu — der Wohlstand hat sich woanders angesiedelt. „Die Insel Schwanenhöfe lebt von diesem Konflikt“, sagt Projektleiter Thomas Walten.
Und das offenbar nicht schlecht. Vor zwei Jahren wurde mit der Entwicklung des Geländes begonnen, Mitte 2013 werden alle 38 000 Quadratmeter voraussichtlich vermietet sein.
„Hier ist das historische Industriegebiet Düsseldorfs, mit viel alter Bausubstanz. Teilweise verrottet zwar, aber es lohnt sich, diese Schätze zu bergen“, ist Walten überzeugt. Die Gegensätze im Viertel findet er reizvoll. „Wir setzen auf die brisante Mischung.“
Gerade ist ein neuer Mieter dazu gekommen. Das Jeanslabel G-Star Raw hat seinen neuen Showroom in den Schwanenhöfen eröffnet. „Flingern-Süd hat etwas sehr Sympathisches, weil es so unperfekt ist“, sagt Axel Schukies vom Modelabel.
„Der Hafen war dagegen für uns keine Alternative — wir haben das Individuelle gesucht. Und das hier ist ein lebendiger Standort.“
Der Trend geht also weg von den am Reißbrett entworfenen Geschäfts- und Kreativvierteln, Authentizität ist gefragt. Dazu gehört auch, die Unterschiede zu bewahren. „Es gibt hier den Mix aus Kreativbusiness und Wohnen. Ein Schwerpunkt wird aber auch in Zukunft die Industrie bleiben“, sagt Schukies, „und das macht gerade den Charme aus.“
Mit seinem roten Barett und dem Drei-Tage-Bart sieht Armando Cortes ein bisschen aus wie ein in die Jahre gekommener Ché Guevara. Vor acht Jahren hat er mit zwei Freunden aus einer düsteren Eckkneipe an der Erkrather Straße das urige Restaurant „Clube Portugues“ gemacht.
Bald eröffnen die drei mit der „Frango Portugues“ ihren dritten Laden — ebenfalls an den Schwanenhöfen. „Das wird wie der Hühner-Hugo, nur auf Portugiesisch“, verspricht Cortes.
Die ersten Anzeichen von Gentrifizierung haben er und Mitinhaber Filipe Castelo aber auch schon bemerkt. „Die Preise ziehen jetzt an“, sagt Castelo. „Dabei gab es hier vor zehn Jahren noch nicht einmal einen Bürgersteig“, ergänzt Cortes. Trotzdem sind beide optimistisch. „So schnell wie in Flingern-Nord wird es hier nicht gehen“, glaubt Castelo — und Kiefernstraße sei Dank.
Dass Kultur und gutes Essen zusammengehören, beweisen Heike und Rüdiger Fabry. Ihre „Theaterkantine“ ist leicht zu entdecken: Man muss nur das grüne Plastiksofa und den Riesenbambus am Eingang von Halle 29 an der Ronsdorfer Straße finden. Im Juni haben die beiden am neuen Standort Premiere gefeiert. „Wir sind glücklich hier in der Ecke“, sagt Heike Fabry. „In Flingern-Süd vibriert es, man merkt, hier geht es jetzt los“, sagt sie. „Man kann nur hoffen, dass es den Underground-Charme behält. Aber ich denke, dass das ganz Schicke von der rauen Seite, die es hier auch gibt, abgehalten wird.“
Die Gegensätze findet sie spannend, aber vertretbar. „Es ist trotzdem ruhig und friedlich hier.“ In Zukunft wird der Stadtteil vor allem grüner, glaubt sie. „Und dann wird es eine Mischung aus kleinen Läden und Bars auf der einen und Autohäusern und Müllverbrennungsanlage auf der anderen Seite geben. Ich glaube, hier wird noch ganz viel passieren“, wagt sie den Blick in die Glaskugel.
Eine dieser kleinen Bars ist die Bronx-Bar. Klingt nach Ghetto, ist aber ironisch gemeint. Von innen erinnert ohnehin nur der vergoldete Schlagring als Zapfhahn an die Legenden des berüchtigten Stadtteils, ansonsten ist die Bar gemütlich-trendig. „Zu uns kommen Szenemenschen genauso wie der Handwerker“, sagt Mitinhaber Dietmar Neidig.
Zum Glück haben er und seine beiden Kompagnons nicht auf ihre Freunde gehört, denn deren erste Einschätzung war niederschmetternd. „Seid ihr bescheuert, da einen Laden aufzumachen“, hieß es. Anscheinend hatten sie aber den richtigen Riecher, denn seit zwei Monaten hat die Bar geöffnet und ist immer gerammelt voll.
„Flingern-Nord hat sich in den letzten Jahren ja prima entwickelt“, sagt er. „Und wir schlagen jetzt die Brücke nach Flingern-Süd.“ Er wehrt sich aber gegen den Vorwurf, Teil der Gentrifizierungsmaschine zu sein. „Wir sind nicht schuld daran, dass hier die Mieten steigen.“
Das etwas Abgerissene und die Kultur verbindet die Hans-Peter-Zimmer-Stiftung an der Ronsdorfer Straße im ehemaligen Consum.