Razzia: Schausteller-Lager galt als rechtsfreier Raum
Für Kenner kam der Polizei-Einsatz nicht überraschend, eine Politikerin kämpft seit Jahren für Ordnung.
Düsseldorf. Die Nachricht von der Razzia der Polizei mit 330 Mann im Winterlager von Schaustellern in Rath schlug gestern Morgen völlig überraschend ein. Doch je mehr man sich unter Kennern der Rather Szenerie umhörte, desto klarer wurde: Der Hintergrund der Aktion ist im Grunde seit über 20 Jahren bekannt. Und zu dem gehören: Bedrohung und Gewalt auf offener Straße, Nötigung, Erpressung, Diebstahl, Raub, Sachbeschädigung — alles angeblich ausgeführt von einzelnen Mitgliedern zweier großer Familienclans, die einst von der Stadt auf dieser Brachfläche angesiedelt worden sind.
Es klingt wie aus einem Kriminalfilm, was sich da seit Jahren zwischen Oberhausener Straße, Mühlenbroich und Theodorstraße zusammengebraut haben soll. Immer wieder ist jetzt auf einmal die Rede vom „rechtsfreien Raum“. „Es hieß oft: Da traut sich noch nicht einmal die Polizei mehr rein“, sagt SPD-Ratsherr Frank Spielmann.
Den Stein zur großen Razzia ins Rollen gebracht hat nach eigenem Bekunden indes Sylvia Pantel, CDU-Ratsfrau und im September Bundestagskandidatin. „Ich kämpfe seit Jahren dafür, dass dort endlich durchgegriffen wird. Ich freue mich, dass es jetzt soweit war — gute Arbeit von der Polizei.“
Angefangen habe sie an einem schönen Sonntagnachmittag vor drei Jahren, als sie mit ihrem Mann am Mühlenbroich spazieren ging: „Ich wollte ihm zeigen, dass wir uns als Stadt um die Leute dort kümmern, mit Streetworkern, mit dem Jugendamt. Und dass wir auch etwas erreicht haben, zum Beispiel, dass viele Kinder der Familien regelmäßig in die Schule gehen. Stattdessen sind wir sofort massiv bedroht worden, als wir in die Nähe von drei Männern kamen, die am helllichten Tag offensichtlich geklaute Kupferkabel isolierten.“ Pantel rief am nächsten Tag den Ordnungsdienst der Stadt an, doch da winkte man nur resigniert ab und verwies sogleich an die Polizei. Pantel: „Auch die zuckte erst mit den Schultern. Das Problem war: Es mussten wasserdichte Beweise her für die kriminellen Machenschaften dort.“
Außerdem herrschte lange der Glaube vor, das Areal gehöre den Clans, tatsächlich war und ist es Grund und Boden der Stadt. Intern wurde der kriminalpräventive Rat eingeschaltet und die Landesregierung. Pantel: „Erst als beim Bau des Gefängnisses ganz in der Nähe Metall gestohlen worden ist, hat mir Justizministerin Müller-Piepenkötter geglaubt.“
Altgediente Rather Verwaltungsbeamte berichten gegenüber der WZ von Bedrohung und Gewalt: Im Amt an der Münsterstraße habe ein Clanmitglied mit einem Hockeyschläger auf einen Beamten eingeschlagen, als es Unstimmigkeiten bei der Sozialhilfe gab. Mehrfach seien auch Hunde als Bedrohungspotenzial mitgeführt worden.
In Sorge um den Ruf seines Gewerbes war gestern hingegen Bruno Schmelter, Chef der Düsseldorfer Schausteller: „Diese Leute in Rath haben überhaupt nichts mit normalen Schaustellern zu tun, die auf die Kirmesplätze kommen“, stellte er klar. Und: „Wir seriösen Schausteller warten seit Jahren darauf, dass die Stadt uns einen Winterunterkunftsplatz anbietet.“
“ Hier und Heute S. 3