Düsseldorf Schnellverfahren: Handy geklaut — Urteil zwei Tage später

Seit März 2015 gab es hunderte Schnellverfahren in Düsseldorf — und nur einen Freispruch.

Symbolbild

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Düsseldorf. Hüttenstraße, 12 Uhr, vor einer Woche. Ein Mann fragt einen 30-Jährigen nach dem Weg zum Bahnhof, bedankt sich mit Handschlag — danach ist das Handy weg. Doch der 30-Jährige verfolgt den Dieb und ruft die Polizei, der 22-jährige Wohnungslose wird gestellt. Noch vor zwei Jahren wäre er nach der Vernehmung wohl entlassen worden — das Vergehen nicht schwerwiegend genug für eine Untersuchungshaft. Und die Justiz hätte ohne Wohnanschrift kaum eine Chance mehr gehabt, an ihn heranzukommen. Doch jetzt wurde der Mann direkt in die JVA gebracht, um dort auf seinen Prozess zu warten. Schon zwei Tage später stand er vor dem Richter und wurde zu zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. In dieser Zeit wird er niemanden mehr bestehlen.

Im März 2015 wurden die beschleunigten Verfahren in Düsseldorf eingeführt. Seither dürfen Verdächtige ohne festen Wohnsitz direkt nach der Tat hinter Gitter gesteckt und binnen einer Woche vor Gericht gestellt werden. Voraussetzung ist, dass ein Strafmaß von bis zu einem Jahr Haft zu erwarten ist. Inzwischen hat sich das eingespielt. Amtsgerichtssprecher Marcel Dué sagt: „Für uns ist das ein ganz normales Strafverfahren.“

Dafür gab es in diesem Jahr immer wieder Beispiele. Im Februar etwa erhielt die Düsseldorfer Polizei die Information, zwei Profi-Diebe aus Rumänien seien mit dem Fernbus auf dem Weg in die Stadt zum „Karnevalsgeschäft“. Einer von ihnen (41) wurde noch am Bahnhof mit einem gestohlenen Handy aufgegriffen, kam ins Gefängnis und wurde wenige Tage später zu sechs Monaten Haft verurteilt. Drei Wochen später gab es eine Bewährungsstrafe plus Geldbuße für einen 36-Jährigen, der in einer Bahn der Linie 709 geklaut hatte. Erst Anfang dieses Monats stand ein Ladendieb (42) vor einem der zwei Richter für die beschleunigten Verfahren, weil er wertvolle Parfüms gestohlen hatte. Er behauptete, für einen Blog nur mal deutsche Gefängnisse habe „testen“ wollen — dank der neuen Eilverfahren klappte das bis zum Prozess, danach wurde er gegen eine Geldstrafe von 2700 Euro entlassen. In den 20 Monaten seit Einführung des neuen juristischen Instruments hat es laut Andreas Stüve von der Staatsanwaltschaft lediglich in einem Fall einen Freispruch gegeben. „Ansonsten kam es, wenn es eine Hauptverhandlung gab, auch immer zu Verurteilungen.“

Die Straftaten lägen zu mehr als 90 Prozent im Bereich der Diebstahlsdelikte. „Für uns sind die Verfahren eine zusätzliche Möglichkeit, im Bereich der Bagatellkriminalität vorzugehen“, erklärt Stüve. „Es ist aber keine Verschärfung. Wir schließen eher eine Gerechtigkeitslücke.“ Denn zuvor waren Verdächtige ohne festen Wohnsitz für die Justiz schlicht nicht mehr erreichbar und entgingen so der Strafverfolgung in vielen Fällen. Stüve sagt es klar und deutlich: „Die, die jetzt verurteilt wurden, wurden vor zwei Jahren oftmals noch nicht verurteilt.“

Die Polizei unterstützt die beschleunigten Verfahren deshalb vollkommen. „Das ist eine ganz wichtige Geschichte“, sagt Markus Röhrl, Leiter der Direktion Kriminalität im Präsidium. „Das Verfahren wird angewendet, damit die Strafe auf dem Fuße folgt.“ Das beeindrucke die Täter mehr als zahlreiche Warnschüsse — und es wirke abschreckend auch auf andere Täter. „Man muss schauen, dass man Intensivtäter in Haft bekommt“, erklärt Röhrl. „Und auch wenn es nur für ein Jahr ist: Ein Jahr ist er weg von der Straße.“

Im ersten Jahr nach Einführung der Schnellverfahren wurden mehr als 300 Fälle verhandelt — 2016 gab es laut Stüve insgesamt 236 Aktenzeichen. Auch wenn hinter diesen zum Teil mehrere Fälle stecken, sieht es nach einem Rückgang aus. „Ob das schon ein Zeichen für eine abschreckende Wirkung ist — ich weiß es nicht“, sagt Stüve.