Politik So tobt im Internet schon der Düsseldorfer Wahlkampf
Düsseldorf · Personen und Persönliches rücken ins Zentrum des politischen Streits – vor allem in den Sozialen Medien.
Noch knapp zehn Monate vergehen bis zur Kommunalwahl am 13. September 2020. Doch der Kampf um die Mehrheiten und das Amt des Oberbürgermeisters hat schon begonnen. Vor allem in den Sozialen Medien ist das deutlich wahrnehmbar. Personen und Persönliches rücken zunehmend ins Zentrum der Debatten und auch Angriffe. Zielscheibe ist in erster Linie Amtsinhaber Thomas Geisel (SPD), aber auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann teilt als Kandidatin der FDP und bislang einzige Herausforderin nicht nur aus, sondern steckt auch ein.
Obwohl die CDU noch keinen eigenen Kandidaten für die Wahl nominiert hat, arbeitet sie sich bereits kräftig an Geisel ab. Den „Problem-OB“ hat die Fraktion diagnostiziert, und widmet ihm eine Serie mit bislang sechs Folgen und Sprüchen auf Grafiken, die bei Facebook erscheinen. Vom OB im „Gebühren-Rausch“ ist etwa mit Blick auf die höheren Parkgebühren in Folge vier die Rede. In Folge fünf behauptet die Partei sogar, dem OB seien 1500 Jobs bei der abwandernden SMS Group „egal“.
Auch die Umweltspuren hat die CDU bereits zu „Geiselspuren“ umformuliert und gleich weitergedichtet: „Alle Räder stehen still, weil es der OB so will.“ Fraktionsvorsitzender Rüdiger Gutt will allerdings noch nicht von einer Kampagne sprechen. Vielmehr wolle man in der Vorwahlkampfzeit in den Sozialen Medien Dinge ausprobieren. Um mehr Aufmerksamkeit geht es sicher auch, was bei gerade einmal 521 Abonnenten bei Facebook auch nötig erscheint. Erstaunlich: Die Kreispartei der CDU hat noch gar keinen eigenen Facebook-Auftritt. Sehr aktiv ist zwar der Vorsitzende Thomas Jarzombek in den Sozialen Medien, allerdings vor allem in eigener Sache.
Strack-Zimmermann hat sich da schon anders in Position gebracht. Ausprobiert wird bei ihr nicht mehr. Sie sagt ganz offen, dass sie mit beiden Beinen voll in den Wahlkampf eingestiegen ist. Und das nicht alleine, sondern mit Profis an ihrer Seite – der Agentur Heimat. Sie hatte ihren Anteil am recht erfolgreichen Abschneiden von Christian Lindner bei der Bundestagswahl.
Auch dieses Mal soll nicht nur der Inhalt, sondern auch die Verpackung stimmen. Strack-Zimmermann wird als Marke in Szene gesetzt, nicht nur bei Facebook, auch auf Instagram und Twitter. Sie verweist im Gespräch auf die Einschätzung einer Journalistin vor 15 Jahren, die ihr aufgrund ihres komplizierten Doppelnamens und ihrer grauen Haare keine große Karriere voraussagte. Genau daraus hat die Agentur ein Logo mit grauer Kurzhaarfrisur und Lippenstiftmund als Markenzeichen und dem Motto „MASZ macht’s“ entwickelt, eingetragen beim Deutschen Patent- und Markenamt. Ihr Silhouetten-Logo ist übrigens je nach Thema flexibel einsetzbar, zu Karneval mit Narrenkappe, zum Fußball mit Fortuna-Schal.
Die Agentur hat dann auch getextet, was auf dem Plakat stand, das Strack-Zimmermann zum Karnevalsauftakt am 11. November über die Umweltspur hängte. „Die närrischste Idee aller Zeiten: OB Geisel geht als Umweltspur.“ Doch wie zutreffend sind diese Zuspitzungen eigentlich, die sich so häufen in den Sozialen Medien? So war es ja die Bezirksregierung, die Umweltspuren in den neuen Luftreinhalteplan schrieb und eine politische Mehrheit – zunächst sogar mit der FDP – hat für sie gestimmt. „Trotzdem haftet sie dem OB an, er hätte etwa den Einfluss gehabt, die Verwaltungsvorlage zurückzuziehen.“ Das heißt aus ihrer Sicht: Ja, Zuspitzungen sind erlaubt, sie können komplexe Sachverhalte auf den Punkt bringen und machen die Sache spannend, mobilisieren auch Menschen, die sich sonst nicht für Politik interessieren. „Aber es sollte nicht unter die Gürtellinie gehen und es darf keine Fake-News geben.“ Auch eine weitere Aktion an der Umweltspur, bei der sich die FDP-Kandidatin als Mitfahrerin anbot, wurde sogleich im Netz verbreitet.
Bei der SPD jedenfalls haben die Provokationen ihre Spuren hinterlassen. Mit einer Grafik samt Strack-Zimmermann-Foto schoss die Kreispartei zurück. „Sie macht’s: Umfallen.“ Als Social-Media-Beauftragte und Teil des geschäftsführenden Vorstands verantwortlich dafür ist Astrid Bönemann als Chefin ihres Teams. Sie ist ein gelernter „Social Media Marketing Manager“ – und das merkt man auch. Kurz und trotzdem auf den Punkt ist ihre Grafik, man könnte auch sagen Wahlplakat im Internet, getextet. „Da gibt es eine einfache Regel: in drei Sekunden muss so etwas wahrnehmbar und verstehbar sein.“ Im Vergleich mit den CDU-Grafiken fällt auf, dass diese mit Text überfrachtet sind.
In dem Fall sei es nötig gewesen, auch mal persönlich zurückzuschlagen, sagt Bönemann, „aber ich fange nicht damit an“. Sie halte mehr von positiven Botschaften, Informationen oder konstruktiven Vorschlägen. Denn das müsse man dem Populismus, mit denen etwa die AFD im Internet sehr erfolgreich sei, entgegehalten. Eine populistische Tendenz sieht sie etwa auch darin, dass CDU und Strack-Zimmermann die Umweltspur zum alleinigen Projekt des OBs stilisierten.
Social-Media gehört für Bönemann zur täglichen, ehrenamtlichen Arbeit. „Wir arbeiten mit Themenplänen für die ganze Woche, reagieren aber natürlich auch aktuell.“ Für unglaubwürdig hält sie es allerdings, wenn Politiker nur plötzlich vor einer Wahl aktiv werden. „Wir dürfen den Menschen nicht das Gefühl geben, nur dann für sie da zu sein.“
Ruhig ist es bislang im grünen Lager, aus persönlichen Fehden hält man sich in den Sozialen Netzwerken raus. Für ein neues Tarifsystem im ÖPNV wirbt man da etwa aktuell. „Zudem sind diese Plattformen für uns Werkzeuge zur direkten Kommunikation, es sind digitale Versammlungsorte“, sagt Paula Elsholz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Grünen in Düsseldorf.
Sobald allerdings der Kandidat oder die Kandidatin der Grünen Anfang nächsten Jahres feststehe, werde es sicher auch darum gehen, das Profil des Kandidaten in den Sozialen Netzwerken zu schärfen und dafür auch eine klare Sprache zu wählen.
Doch wie soll das denn werden, wenn da jeder gegen jeden ins Rennen geht, und sich die Kandidaten der vier größten Parteien wohl auch tatsächlich so gute Chancen wie noch nie ausrechnen dürfen? Schon jetzt bricht die Ampel-Kooperation ja bei den hochrelevanten Mobilitätsfragen bezüglich Umweltspur und Parkgebühren auseinander, da die FDP nicht mehr so will wie Grüne und SPD. Elsholz beschwichtigt, auch das sei Teil des demokratischen Prozesses, wenn sich Parteien vor Wahlen politisch abgrenzten. Zudem gebe es viele andere Politikfelder, auf denen man gut mit der FDP und auch der SPD zusammenarbeite. Strack-Zimmermann sieht schon, dass „die Atmosphäre schneidiger“ wird. Es dürfe zwar nicht so weit kommen, dass der politische Betrieb gelähmt würde, aber die Situation sei schon neu: „Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass bei einer OB-Wahl automatisch Kandidaten der SPD oder CDU gewinnen.“