Späte Vaterfreuden: „Die Geburt war für uns wie ein Sechser im Lotto“
Jedes 20. Kind hat mittlerweile einen Vater über 50. Für die besteht kaum ein Gesundheitsrisiko.
Düsseldorf. Eigentlich wollte Dirk Morgner nie Kinder haben. Er war 27, als er sein Studium beendete und anfing, als Schauspieler zu arbeiteten. Er wollte auf die ganz großen Bühnen — Karriere machen. Heute ist Morgner 53 Jahre alt und trägt stolz seine einjährige Tochter Clara im Tragegurt spazieren.
Über Frauen, die jenseits der 40 ein Kind bekommen, wird viel gesprochen. Männer, die mit 50 ihr erstes Baby durch den Park schieben, sind dagegen eher selten ein Thema. Aber es gibt sie, die späten Väter.
Laut Bundesamt für Statistik — Düsseldorfer Zahlen werden nicht erfasst — hat mittlerweile jedes 20. geborene Kind einen Vater über 50, jedes vierte einen über 40 und mindestens jedes dritte Kind einen Vater über 35 Jahren. Ein Trend, der sich laut Bundesministerium für Familie bereits seit den siebziger Jahren abzeichnet.
„Kinder waren oft ein Konfliktthema in meinen Beziehungen“, sagt Morgner. „Einige Beziehungen sind auch daran gescheitert, dass ich keine Kinder wollte.“ Er hatte immer einen großen Wunsch nach Freiheit, erzählt er. Auch heiraten kam nie für ihn in Frage. Erst seine heutige Frau Petra konnte ihn überzeugen.
„Ich habe mich in den die letzten Jahrzehnten ausgelebt und habe heute nicht mehr das Gefühl, etwas zu verpassen“, sagt er. Petra Morgner war selbst über 40, als sie und ihr Mann sich entschieden, Kinder zu haben. „Meine Frau war da eindeutig die treibende Kraft. Aber irgendwann merkte ich selbst, dass der Wunsch nach eigenen Kindern vorhanden war.“
Nachdem ihr Arzt eine Wahrscheinlichkeit von etwa 20 Prozent prophezeite, dass sie in ihrem Alter auf natürlichem Weg ein Kind bekommen könnten, ließen sie das Schicksal entscheiden. „Da die Chance sowieso gering war, haben wir es dann einfach versucht“, erzählt der 53-Jährige. Etwa ein Jahr später erwarteten sie ihr erstes Kind.
Auch für Thomas Hülsmann (54) war es nie ein Thema, im fortgeschrittenen Alter Vater zu werden. Der „Eiermann vom Carlsplatz“ ist bereits Vater eines 30-jährigen Sohns und einer 23-jährigen Tochter, als die heute zweijährige Paula geboren wird.
Seine erste Frau und Mutter seiner beiden älteren Kinder stirbt mit 35 Jahren, plötzlich muss er die Rollen von Vater und Mutter für seine beiden Kinder übernehmen. „Als ich meine Freundin kennenlernte, war ich 42“, erzählt er. „Mein Sohn war damals schon 20 und das Thema Kinder für mich gelaufen.“
Etwa zehn Jahre später änderte sich seine Meinung. Seine damals 42-jährige Freundin Henrike Bretnütz überzeugte ihn, dass er mit über 50 noch nicht zu alt sei, Kinder zu haben und er sich außerdem überlegen müsse, auf was sie — bis dahin selbst kinderlos — eigentlich verzichte.
„Ich habe dann versucht, mich in ihre Situation zu versetzen und gedacht — entweder jetzt oder nie.“ Ein Jahr später war Henrike Bretnütz schwanger. „Im Nachhinein war das die beste Entscheidung, die ich jemals treffen konnte“, sagt Hülsmann.
Die Tatsache, dass Paula für seine Enkelin gehalten werde, ist Hülsmann nicht unangenehm. „Ich lebe immer im Jetzt“, sagt er. Außerdem wurde sein achtjähriger Enkel auch schon für seinen Sohn gehalten.
„Da entstehen schon komische Situationen, wenn ich mit meinem Sohn, meinem Enkel und meiner Tochter unterwegs bin“, schmunzelt der 54-Jährige. Gesundheitsrisiken, die eine späte Schwangerschaft mit sich bringt, hängen kaum vom Alter des Vaters ab, erklärt Martin Petsch von der Paracelsus-Klinik in Golzheim.
„Die Risiken sind so marginal, dass sie im Grunde keine Rolle spielen“, sagt der Facharzt für Andrologie (ein Spezialgebiet der Medizin, das sich mit den Fortpflanzungsfunktionen des Mannes und deren Störungen befasst, es ist die männliche Entsprechung der Gynäkologie).
Viel mehr spiele das Alter der Frau eine Rolle. „Ab 40 Jahren steigt das Risiko auf ein Prozent, dass das Kind mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) geboren wird — also eine von hundert Geburten. Das halte ich bereits für ein großes Risiko“, so Petsch weiter.
Dirk Morgner und seine Frau waren sich dieses Risikos bewusst. „Hätte sich bei den Voruntersuchungen herausgestellt, dass das Kind Trisomie 21 hat, hätten wir es aber bekommen. Was bei schwereren Erkrankungen gewesen wäre, weiß ich nicht. Aber zum Glück haben sich diese Fragen nie gestellt — die Voruntersuchungen haben ergeben, dass das Kind gesund ist.“ Auf eine Fruchtwasseruntersuchung haben sie verzichtet.
Auch Thomas Hülsmann und Henrieke Bretnütz haben sich bewusst gegen die Fruchtwasseruntersuchung entschieden. „Es besteht immer ein Risiko, dass das Kind durch die Untersuchung verletzt wird“, sagt er. „Und was wäre gewesen, wenn die Untersuchung etwas Negatives ergeben hätte? Diese Entscheidung wollten meine Frau und ich damals beide nicht treffen.“
Aber Bretnütz und Hülsmann haben ebenfalls Glück — trotz ihres Alters von zusammen 96 Jahren kommt Paula gesund auf die Welt. „Das war für uns wie ein Sechser im Lotto“, so Hülsmann.
Einige ihre Freunde hätten damals gedacht, sie seien verrückt, erzählt der 54-Jährige. „Denk doch mal daran, wie alt du bist, wenn sie in die Schule kommt“, hätten sie gesagt. „Aber ich fühle mich jung“, so Hülsmann. „Schließlich gibt es solche und solche 50-Jährige. Ich bin einfach vom Typ her anders, habe immer gern Blödsinn gemacht.“ — „Und mit einem kleinen Kind darf man das schließlich auch wieder“, fügt Morgner hinzu.
Dennoch, das gibt der 53-jährige Dirk Morgner zu, fühlt er sich heute nicht mehr so belastbar wie früher. „Vor zehn Jahren hätte mir der Schlafmangel wahrscheinlich weniger ausgemacht. Dafür bin ich aber bestimmt gelassener, als viele junge Eltern es sind.“