Spur des Hasses: Prozess um Amoklauf in Anwaltskanzleien

Drei Morde, vier Mordversuche: Dem 48-jährigen Yanqing T. (48) droht die Höchststrafe. Er soll der Mann sein, der Ende Februar eine Spur des Grauens in Anwaltskanzleien in Düsseldorf und Erkrath hinterließ.

Einer der Tatorte: Ein Anwaltsbüro am Höherweg in Düsseldorf-Flingern.

Foto: Young David (DY)

Düsseldorf (dpa). Scharfschützen postieren sich auf Dächern, dunkle Limousinen rasen mit Blaulicht durch Düsseldorf. Spezialeinheiten durchkämmen Wohnblöcke und Gewerbegebiete, stoßen auf brennende Büros und entstellte Leichen, Hubschrauber kreisen über der unheimlichen Szenerie.

Rund 600 Polizisten waren am 28. Februar in Düsseldorf und Umgebung im Einsatz, um einen mörderischen Amokläufer zu stoppen. Es soll sich um Yanqing T. handeln, einen Koch und Familienvater aus Düsseldorf, der bereits früher im Zusammenhang mit kleineren Gewaltausbrüchen aufgefallen war. Fünf Monate später, am kommenden Donnerstag, beginnt der Prozess gegen den Angeklagten: Ihm werden drei Morde und vier Mordversuche vorgeworfen.

Der Vorsitzende Richter Rainer Drees hat bereits mitgeteilt, dass der 48-Jährige im Fall einer Verurteilung auch mit anschließender Sicherungsverwahrung rechnen muss. Aus Rache und Wut über einen verlorenen Prozess wegen Körperverletzung soll er der Anklage zufolge zwei Anwaltskanzleien, deren Anwälte ihn zuvor vertreten hatten, heimgesucht haben.

Der zunächst unbekannte Amokläufer ersticht und erschießt Menschen, die er dort antrifft. Anschließend vergießt er Benzin und setzt die Kanzleien in Brand. Die Polizei löst Großalarm aus, sämtliche Spezialeinheiten der NRW-Polizei eilen in die Landeshauptstadt, werden zum Teil von Hubschraubern abgesetzt.

Blutbad in Anwaltskanzleien: Polizei fasst Verdächtigen
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Die Ermittler suchen fieberhaft nach einem Zusammenhang der eingehenden Schreckensmeldungen und kommen schließlich auf Yanqing T. als Verdächtigen. Doch der ist verschwunden.

Seine Wohnung wird gestürmt, der Kindergarten seines Kindes evakuiert und observiert. Die Bevölkerung ist beunruhigt, ständig gehen falsche Hinweise auf den mutmaßlichen Killer ein, die aufwendig überprüft werden müssen und neue Einsätze auslösen.

In Erkrath rettet ein Passant einen im Rollstuhl sitzenden und durch einen Bauchschuss lebensgefährlich verletzten Anwalt aus der brennenden Kanzlei.

Doch der mutmaßliche Dreifachmörder ist der Anklage zufolge zu dieser Zeit bereits unterwegs ins 80 Kilometer entfernte Goch am Niederrhein, um in einer Pizzeria seinen Rachefeldzug zu vollenden. Dort sucht er seine Ex-Chefin, die er geohrfeigt haben soll - es war der Anlass für den verlorenen Rechtsstreit. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er auch sie umbringen wollte.

Doch als die Töchter der Chefin angegriffen werden, bemerkt dies ein couragierter 22-jähriger Passant vor der Pizzeria. Er stürmt hinein, überwältigt den Angreifer mit Hilfe der Frauen und übergibt ihn der Polizei. Bei dem Angreifer, der später als Yanqing T. identifiziert wird, werden Schusswaffen und mehrere Messer sichergestellt. Gegenüber der Polizei soll er die Taten gestanden haben.

Mutige Retter hätten eine doppelt so hohe Zahl der Todesopfer verhindert, betont die Polizei später. Zudem soll die Pistole des Amokläufers mehrfach durch Ladehemmungen blockiert gewesen sein.

Ein Psychiater untersucht den angeklagten Familienvater, doch bislang gebe es keine Hinweise für eine verminderte Schuldfähigkeit, sagt Staatsanwalt Christoph Kumpa. Das Landgericht hat bis Ende Oktober 17 Verhandlungstage für den Mordprozess angesetzt.

Rechtsanwältin Gülsen Celebi wird den mutmaßlichen Anwaltsmörder vor Gericht verteidigen. Der habe wie jeder Angeklagte das Recht auf einen Anwalt, sagt sie. Ob ihr Mandant ein Geständnis ablegen wird, sagt sie nicht.