Stadt-teilchen Der Künstler schuf die Symbolfigur für das Projekt Radschläger-Kunst und viele andere Objekte

Stadt-teilchen Der Künstler schuf die Symbolfigur für das Projekt Radschläger-Kunst und viele andere Objekte

Foto: B. Schaller/B. Nanninga/dorofotograf1/

Düsseldorf. Es gibt da einen Düsseldorfer, der begegnet einem immer wieder in der Stadt: der Radschläger. Mal abgesehen von Schüler-Wettbewerben schlägt heute kaum noch einer ein Rad für „eene Penning“, noch nicht einmal für zehn Cent oder gar einen Euro. Dafür setzen ihm Künstler ein Denkmal: Über hundert Skulpturen waren’s, die 2001 für das Projekt Radschläger-Kunst im Stadtgebiet eine zwei Meter breite gute Figur abgaben. Schon im Hauptbahnhof begrüßten sie die Reisenden und stimmten sie auf die Stadt ein.

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Ein Teil der Truppe fand später private Liebhaber oder Firmen-Freunde, beispielsweise in Lichtenbroich, Lohausen, Golzheim, Mörsenbroich, Hamm oder Vennhausen. Ein Entwurf von Jaques Tilly steht heute sogar in Moskau. Den prominentesten Standplatz hat wohl der kupferfarbene Radschläger von Ulli Maier vorm Brauereiausschank Uerige in der Altstadt.

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Die Stadt hat keinen gekauft, wahrscheinlich hätte sie Rad schlagen müssen zur Finanzierung. Bedauernswert, heißt es nicht nur beim Stadtrundgang auf den Spuren von Friedrich Becker. Der war der Schöpfer der Symbolfigur als Vorbild für den Wettbewerb, des Radschlägers, der heute noch als Türklopfer an der Pforte von St. Lambertus in Bewegung ist. Beckers Witwe Hildegard erinnert sich beim Rundgang, dass dort ursprünglich ein Drachen hin sollte.

Foto: B. Schaller/B. Nanninga/dorofotograf1/

Bewegung ist überhaupt das Stichwort, wenn es um Friedrich Becker geht, den Erfinder des kinetischen Schmucks. Gerade im letzten Jahr machte er noch einmal Schlagzeilen, als im Düsseldorfer Auktionshaus Dorotheum über hundert Stücke aus einer Sammlung zu sehen waren. Zugegeben, ich hätte auch gern einen schlichten Ring gehabt, habe sogar ein Angebot abgegeben, wurde jedoch in Abwesenheit überboten. Die meisten Stücke erbrachten ein Vielfaches der aufgerufenen Preise.

Foto: Lepke

Aber auch ohne Besitzer zu sein, kann man sich in Düsseldorf an den Werken des wohl bedeutendsten Düsseldorfer Schmuckkünstlers erfreuen. Es gibt neuerdings Rundgänge auf den Spuren von Friedrich Becker in der Altstadt, kunstsinnig kommentiert vom Historiker und Galeristen Klaus Siepmann. Der nächste ist heute, wenn auch ein Friedrich-Becker-Preis im Stadtmuseum vergeben wird. Die internationale Wertschätzung Beckers, die seine Werke bei der Auktion erfuhren, wird beim Rundgang auf den Spuren des Schmuckgestalters von der Stadt jedoch vielerorts vermisst. Zwar gibt es im Rathaus einen Raum, in dem Beckers Arbeiten ausgestellt sind, finanziert wurde der allerdings vom rührigen Professor-Friedrich-Becker-Verein. Der hat auch das Verkürzen der Oberbürgermeister-Kette bezahlt, die von Becker einst auf dem Küchentisch seiner Altstadtwohnung entworfen wurde. Die Kürzung war nötig geworden, weil Dirk Elbers seinen Nachfolger Thomas Geisel zumindest an Zentimetern überragte. Zur Anprobe war Geisel dann nicht greifbar. Sein Chauffeur - gleiche Größe, gleiche Figur - sprang als Double ein.

Friedrich Becker entwarf auch den großen Ehrenring mit Edelsteinen in den Stadtfarben rot-weiß. Queen Elizabeth hat auch so einen. Den Ehrenring des Rates ziert ein Hochrelief des Stadtwappens, den Jan-Wellem-Ring das Porträt des Großfürsten. Weitere Becker-Werke: der Pokal der Landeshauptstadt Düsseldorf und die Ratsglocke. Der Becker kümmert sich auch um die Pflege des Nachlasses und den Verbleib der Werke. Das ist oft reinste Detektivarbeit. Immer wieder verschwinden oft und gerade großformatige Werke spurlos.

Beispiel: Beckers imposante, aus Silberplatten getriebene Figur des auferstandenen Christus auf einem Kreuz aus blutroter Emaille. Die schuf er Ende der 50-er Jahre für die damalige Dominikaner-Kirche an der Herzogstraße in der Friedrichstadt. Als die an die Andreasstraße verlegt wurde, war das Kreuz verschwunden. Wieder entdeckt wurde es schließlich in Hamburg auf dem Dachboden der dortigen Dominikaner. Der Verein brachte es in einem gemieteten Kleinlaster zurück in seine Heimatstadt Düsseldorf.

Nur kurz hatte das Werk danach seinen optimalen Platz über dem Hochaltar von St. Andreas, dort wo heute ein Kreuz-Teppich von Ewald Mataré hängt. Jetzt versteckt es sich in der Taufkapelle, wo es eigentlich überdimensioniert wirkt. Zudem ist es arg angelaufen. Früher wurde es zweimal im Jahr abgenommen und in Beckers Werkstatt wieder auf Hochglanz gebracht - auf Kosten des Künstlers versteht sich. Ich erinnere mich noch gut an die aus sechs beweglichen Scheiben bestehende Skulptur, die jahrelang am Signal-Iduna-Haus an der Ecke Kasernen-/Grabenstraße prangte. Als das Haus verkauft wurde, wäre sie beinahe verloren gegangen. Friedrich Conzen setzte sich dafür ein, dass sie ans Tanzhaus kam, dank großzügiger Spender, darunter der Düsseldorfer Mäzen Udo van Meeteren. Dessen Frau Irmel hatte mit Becker studiert. Als Alternative war auch mal der Breidenbacher Hof im Gespräch, doch die HPP-Architekten waren dagegen. Eigentlich würde ich sie mir, nachdem die U-Bahn-Baustelle beendet ist, an ihren alten Platz zurückwünschen. Aktuell auf der Vermisstenliste des Becker-Vereins: Der Radschlägerbrunnen, der der Baustelle an den Schadow-Arkaden weichen musste. Der Verein sucht noch und hofft, dass er nach der Beendigung der Bauarbeiten wieder aufgestellt werden kann. Wer soll das bezahlen? Da wird wohl wieder ein gewiefter Radschläger an irgendeine Tür klopfen müssen. Eine Kunst der kinetischen Finanzierung ist gefragt - wie so oft in dieser Stadt. Der ideelle Mehrwert für alle: Friedrich Beckers Werk bleibt in Bewegung in Düsseldorf.