Stadt-teilchen Gnadenlos aus dem Frühlingstaumel gerissen
Es war so schön. In dieser Woche ließ sich der Frühling erahnen. Und jetzt schlägt der Winter wieder zu.
Düsseldorf. Ich war in dieser Woche sehr glücklich. Es geschah am Mittwoch, als sich am Himmel so ein komisches gelbes Ding breit machte und mir sagte: „Komm doch mal raus aus deiner Schnupfenhöhle.“ Ich tat, wie mir geheißen, und siehe da, es war wunderbar. Es war warm. 13 Grad. Das komische gelbe Ding am Himmel stellte sich als Frau Sonne vor, und ich erwog sofort, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Ich zog meine Wanderschuhe an und machte mich auf die Socken. Immer am Rhein entlang, mit den Wellen gehen, da ist man schneller.
Ich sah entspannte Menschen, die offenbar wie ich dem Befehl von oben gefolgt waren und nun am Rheinufer hockten, sich unterhielten, lachten oder einfach nur auf die Wellen guckten. Es lag was in der Luft, eindeutig. Etwas Freundliches, etwas Hoffnungsvolles.
Ich spürte Säfte in mir aufsteigen und fühlte mich auf einmal wie ein Baum kurz vor der Blüte. Ich ging schneller, weil ich Angst hatte, dieser Zustand könne flüchtig sein. Aber er blieb. Ich sah immer mehr Menschen mit guter Laune, die entspannt ihr Leben oder wenigstens diese hellen Stunden zu genießen schienen.
Wie gut, dass es den Rhein gibt, dachte ich. Was wäre Düsseldorf ohne Rhein? Ohne diese plötzliche Weite mitten in der Stadt? Wie leben Städte ohne Fluss in der Mitte? Verdorren dort die Menschen in den Straßenschluchten? Kriegen Sie etwas mit von dem gelben Ding ganz oben?
Ich ging noch schneller, ich schwitzte ob der Anstrengung, ich keuchte ein bisschen, aber es tat gut. Ich schüttelte etwas ab, das mich bislang zu belasten schien. Dieses Gefühl, sich ständig schützen zu müssen gegen ein undefiniertes Draußen. Ich passierte die Kniebrücke, die Oberkasseler Brücke und die Theodor-Heuss-Brücke. Immer gewärmt von Frau Sonne. Ich kam schließlich an die Fußgängerüberführung in den Nordpark. Ich dachte: Schaust du mal nach, was dort so los ist. Ich erwartete nicht viel.
Was ich dann erlebte, verschlug mir den Atem. Ich sah Menschen in der Sonne sitzen, lachend, giggelnd. Ich sah Paare in inniger Umarmung. Vor allem aber sah ich Blumen. Richtig! Blumen. Stiefmütterchen, Krokusse, nicht einzeln, sondern als ein Meer von Farben. So viele Blumen reckten dort ihre bunten Köpfchen, dass ich nicht wusste, wo mir der Sinn stand.
Auf einer Wiese fotografierte ein Mann seine hochschwangere Frau inmitten der Blumen, und natürlich war sofort klar, dass er seine Angebetete für die schönste Blume hielt. Ein paar Meter weiter übte ein Kind erste Schritte vor der Kamera der überglücklichen Eltern. Das Kind bückte sich nach einer Blume, es bekam eine zu fassen und zupfte sie aus. Das war schön anzuschauen, und es tat nicht weh, weil da so viele Blumen waren. Bei den Stiefmütterchen duftete es gar. Ich begann unmerklich zu schweben. Düsseldorf im Frühling ist so schön.
Ich kam zu den Wasserspielen, und erneut hob es mich höher. Wie sich das Sonnenlicht in den spritzenden Fontänen spiegelte, das war atemberaubend. Frühling, wirf dein Band aus, dachte ich. Ich lass mich gerne von dir fesseln. Das Ergebnis war klar: Ich hatte unfassbar gute Laune. An einem stinknormalen Mittwoch mitten in Düsseldorf.
Dann der Dämpfer. Meine Frau rief an und fragte, ob ich den Wetterbericht gesehen hätte. Hatte ich nicht, sie berichtete. Eine Kaltfront sei im Anmarsch, von Skandinavien her. Zum Wochenende seien Temperaturen zu erwarten, die den Nullpunkt nur von unten zu sehen bekommen. Minusgrade. Mitten in meinem Frühling.
Ich wurde sehr traurig. Ich fürchtete um meine Blumen im Nordpark. Was würde die anrückende Schwedenschelle, wie die Kaltfront kurzerhand betitelt wurde, mit ihnen anstellen? Sollte ich Decken besorgen, um sie zu schützen? Ein aussichtsloses Unterfangen. Es wären zu viele, die Schutz bräuchten, und das Wetter ist halt überall. Und was geschähe wohl mit dem Lächeln auf den Gesichtern der Mitmenschen? Würde es aufgesogen von der klirrenden Kälte, von diesem doofen Herrn Winter?
Ich beschloss, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Wenn Sie an diesem Wochenende jemanden mit einem grundlosen Lächeln auf dem Gesicht durch die Straßen ziehen sehen: Das bin ich. Ich will die gute Laune retten. Helfen Sie mir! Lächeln Sie mit! Bis die Blumen wieder blühen.