Symphoniker glänzen in Wien

Zum ersten Mal in ihrer 150-jährigen Geschichte gastieren die Düsys im legendären Musikvereinssaal.

Foto: Tonhalle

Wien. Golden schimmert der große Konzertsaal mit seinen Standbildern in den rotbraunen Nischen. Wer hier nicht schon alles war: Johannes Brahms, Richard Strauss und die Pultstars Wilhelm Furtwängler, Herbert von Karajan und Karl Böhm — um nur ein paar wenige Namen zu nennen.

Die Wiener Philharmoniker, eines der besten drei Orchester der Welt, gehen hier ein und aus. Nun, zum ersten Mal in ihrer 150-jährigen Geschichte, nehmen die Düsseldorfer Symphoniker Platz auf dem Podium des vielleicht bedeutendsten Musiktempels der Welt.

Es ist 18 Uhr — Anspielprobe. Dabei handelt es sich um die allerletzte Probe vor dem Konzert. Es wird nur noch fein geschliffen, neuralgische Punkte, schwierige Einsätze geprobt, eine Stunde, bevor die Besucher vor der Tür stehen. Bei einem solchen Debüt ist es kaum verwunderlich, dass die Nerven mancher Musiker blank liegen.

Dass wir, die Presseleute in jenem heiklen Moment mit im Saal sind, sorgt für Verwirrung. Intendant Michael Becker bittet uns etwas verlegen, ihn noch einmal nach draußen zu begleiten. Orchestermitglieder beriefen sich auf Bestimmungen, nach denen Öffentlichkeit aus der Probe ausgeschlossen seien.

Wenige Minuten darauf erfolgt die gütliche Einigung: Wir dürfen wieder hinein, die Probe beginnt. Generalmusikdirektor Andrey Boreyko erscheint jetzt noch im legeren Pulli, auch die meisten Symphoniker sind noch im Alltagsdress.

Pianist Igor Levit, Solist des Abends in Ludwig van Beethovens Viertem Klavierkonzert, sitzt entspannt am schwarzen Steinway-Flügel. Der 27-Jährige ist ja auch nicht zum ersten Mal hier. Erst vor wenigen Tagen konzertierte er in dem Saal, als Einspringer für die französische Kollegin Hélène Grimaud.

Die berühmte Akustik des Saales wirft ein neues Licht auf das Orchester. Zunächst einmal fallen hier Fehler leichter auf als anderswo. Und bei der Probe geht auch der eine oder andere Ton daneben. Es wird sofort klar: Hier kommt hohe wie niedrige Qualität glasklar zum Vorschein. Hier kann man grandiose Triumphe feiern und genauso grandios scheitern.

Die Uhr tickt, die Stunde der Wahrheit rückt heran. Fein gemachtes Publikum bevölkert den Saal. Jetzt besetzen die Symphoniker im Frack das Podium, Boreyko hebt den Taktstock, und los geht’s mit Robert Schumanns Ouvertüre zu „Julius Cäsar“ - sozusagen ein Gruß aus Düsseldorf, wo Schumann ja einst Musikdirektor war.

Die majestätische Ouvertüre gelingt tadellos, auch wenn sie nicht eben ein Stück ist, das die Leute von den Sitzen reißen könnte. Größeres Potenzial dafür besitzt das Beethoven-Konzert.

Mit Igor Levit, einem der besten Pianisten seiner Generation, sitzt der ideale Mann dafür am Klavier. Sein Beethoven-Spiel ist vom Feinsten: Virtuosität, Klarheit, Sinn für Spannungsbögen, Akzente und sensible Momente sind bei ihm in höchstem Maße ausgeprägt.

Das bekommt das Wiener Publikum, das als musikalisch verwöhnt gilt, freilich mit. Nach dem Schlussakkord lässt donnernder Beifall nicht auf sich warten. Levit bedankt sich mit einem „Moment musical“ von Franz Schubert, einem zarten Stück, das er mit erlesenem Anschlag dem andächtig lauschenden Publikum zu Gehör bringt.

Die Düsseldorfer Symphoniker haben ihren wichtigsten Auftritt nach der Pause mit Peter Iljitsch Tschaikowskys Vierter Symphonie, einem der zugleich dramatischsten, emotionalsten und effektvollsten Kompositionen des 19. Jahrhunderts. Wie schon beim Sternzeichen-Konzert in der Tonhalle gelingt die Symphonie absolut brillant.

Die Hörner spielen astrein, das Holz lässt Tongirlanden sauber sprudeln, und die Streicher zeigen Gefühl, Leidenschaft und Präzision wie schon lange nicht mehr. Boreyko ist so in seinem Element, dass er den Taktstock im Eifer des Gefechts aus den Händen verliert. Orchestermusiker, die gerade keinen Einsatz haben, reichen ihn von Pult zu Pult wieder zu ihm durch. Das ist live, Drama, Musikerlebnis, wie es sein soll. Starker Beifall, ein schmissiger Slawischer Tanz von Dvorák als Zugabe, alles wunderbar — ein perfektes Debüt.