Düsseldorf Tag des Bieres: Eine Safari von Brauerei zu Brauerei

Die Altbiersafari ist inzwischen die beliebteste Stadtführung in Düsseldorf. Sie bietet Halbwissenschaftliches und Vollmundiges.

Düsseldorf. Es ist Fast-Dämmerung vor dem Goldenen Kessel an der Bolkerstraße, als man sich zu wundern beginnt, ob das wirklich alles so stimmt. Gerade noch hat Eberhard Fischer alias „Ebo“ erklärt, dass der Körper 750 Kilojoule Energie verbraucht, um ein Glas Bier auf Körpertemperatur zu bringen, mit diesem Glas aber nur 400 Kilojoule zu sich nimmt — dass also Bier überhaupt nicht fett, sondern dünn macht. Und jetzt erklärt er, dass die Östrogene aus dem weiblichen Hopfen im Bier bei Männern für die Anlagerung von Fett an der Bauchdecke verantwortlich sind. „Und bei Frauen macht es größere Brüste!“ Beim dritten Bier dieser Führung sorgt das für brüllende Lacher.

Vor fünf Jahren hat Eberhard Fischer seine Altbiersafari erfunden, die mit jährlich rund 20 000 Teilnehmern inzwischen die beliebteste Stadtführung Düsseldorfs ist. „Ebo“ ist prädestiniert: Sein Geburtstag ist am 23.4., am Tag des deutschen Bieres. Allerdings hat er vor seinen Altbierführungen als Geschäftsführer eine kleine Kölsch-Brauerei geführt ...

Die Safari dieses Abends startet in der Brauerei Kürzer mit einer kleinen Auffrischung des Bierwissens zwischen Läuterbottich und Lagertank. Mehr als einer Auffrischung bedarf es ja nicht. „Bier brauen in Deutschland ist wie Fußball“, erklärt Ebo, „alle sind Trainer!“ Deshalb reitet er nur mal flott durch Röstmalze und Hopfen, während das erste Tablett Bier des Tages verkostet wird — 34 Bittereinheiten, 4,8 Prozent Alkohol. „Kann man schoa trinken“, sagt eine Blondine mit unüberhörbar bayerischem Akzent.

Susanne Seidler und Mann Karlheinz haben Düsseldorf nicht umsonst zum Ziel ihres Kurzurlaubs erkoren. „Ich war mal in Mainz und weiß deshalb, dass am Rhein lauter lustige Menschen wohnen“, erklärt der Freisinger. „Außerdem finde ich es schön, dass es hier die kleinen Gläser gibt“, sagt sie. „So ein Masskrug steht immer a bissl ab“, ergänzt er wieder. Mit drei Düsseldorfern und vier Touristen ist diese Safari eine typische — sie ist wohl die einzige Stadtführung mit einem durchschnittlichen Düsseldorfer-Anteil von 50 Prozent.

Vom Kürzer geht es Richtung Retematäng, die in napoleonischen Tagen Rue de Matin hieß, was aber „keine Sau aussprechen“ konnte, erklärt Ebo. Sieben Brauereien gab es dort früher — jetzt noch eine. Vor dem Füchschen haut der Köbes den Safariführer um zwei Euro an, nimmt sich selbst ein volles Glas vom Tablett, stößt mit den verdutzten Gästen an und zieht das Bier ohne Absetzen weg. „Düsseldorfer Tradition“, behauptet er achselzuckend und flitzt weiter. Das Freisinger Paar staunt nicht schlecht, als sie lernen, dass die Bestellung eines Wassers hier mit Worten quittiert werden könnte wie: „Dreckig oder durstig — entscheid’ dich!“

Gemütlich wackelt die kleine Truppe weiter zum Goldenen Kessel und zur Lehrstunde, wie viel man beim Biertrinken abnimmt und was die bösen Östrogene so machen. Dann zum Schlüssel mit dem mildesten der Düsseldorfer Altbiere — 28 Bittereinheiten, aber stolze fünf Prozent Alkohol — und der einzigen Altbier-App überhaupt. Mit ihr rechnet ein virtueller Bierdeckel für den betrunkenen Smartphone-Nutzer aus, was er löhnen muss. „Wie heißt die genau“, fragt Bielefelder Rainer Paulus sehr interessiert. Er war früher beruflich zur Medica in der Stadt — und jetzt mindestens einmal im Jahr einfach so. Zum Glück führt sein Supermarkt daheim aber auch Düsseldorfer Alt.

Der Abend endet, wie er begonnen hat, mit Bier unter blauem Himmel vor einer Brauerei. Dem Uerige. Das, so erklärt Ebo, heiße auf Rheinisch „unfreundlicher alter Sack“. Und genau so einer sei der erste Chef gewesen. Uerige sei ja auch einfacher zu merken als „Obergärige Hausbrauerei im Heidelberger Fass“, wie sie eigentlich mal hieß. Und es gibt: das bitterste Bier Deutschlands mit 55 Bittereinheiten. „Ihr seid jetzt alle Altbierexperten“, ruft ein rotwangiger Stadtführer seinem rotwangigen Gefolge zu. Na gut, immerhin weiß man jetzt, dass das Schlüsselgebäude in der Bolkerstraße auf den Gatz-weiler-Etiketten zu sehen ist. Das Bier große Brüste macht. Und dass es im 19. Jahrhundert mal 196 Brauereien hier gab. Da hätte eine Altbiersafari vielleicht gedauert. „Und“, sagt Ebo grinsend, „was hätten wir da alle abgenommen!“