Thomas Geisel: „Man muss fragen, ob die Schuldenfreiheit sinnvoll ist“
Der OB-Kandidat der SPD Thomas Geisel im Gespräch über Wohnungspolitik, die Libeskindbauten und Maultaschen.
Düsseldorf. In einer Reihe von Sommerinterviews suchen wir nach Antworten auf die wichtigsten politischen Fragen in Düsseldorf. Wir stellen sie Oberbürgermeister Dirk Elbers, den Fraktionsspitzen der vier größten Parteien im Rat und heute Thomas Geisel, dem SPD-Kandidaten für die Wahl des Oberbürgermeisters.
Maultaschen oder Himmel und Ähd?
Geisel: Ich mag beides. Wenn ich mich entscheiden müsste, dann für geschmälzte Maultaschen. Also erst gekocht, dann gebraten.
Altbier oder Mostbowle?
Geisel: Definitiv Altbier. Mostbowle mag ich nicht.
Kirmes oder Oper?
Geisel: Die Kirmes. Ich gehe zwar gerne in die Oper, aber die Kirmes ist ein tolles Familienvergnügen.
Rot-Schwarz oder Rot-Rot-Grün?
Geisel: Rot-Schwarz, soweit es die Bundestagswahl betrifft: wenn wir der größere Partner sind, habe ich kein Problem damit.
Und was halten Sie von Schwarz-Gelb-Grün? Wie sehr ärgert Sie es, dass Ihnen diese Allianz ihr Kernthema „Wohnen“ besetzt?
Geisel: Da wächst zusammen, was nicht zusammengehört. Ich glaube, die Grünen sind gelinkt worden. An der Schwannstraße in Golzheim heißt es, dass die Quote für preisgedämpftes Wohnen nicht durchgesetzt werden kann, weil die Verhandlung mit dem Investor zu weit fortgeschritten ist. Aber genau dort wäre sie nötig. Das bunte Viertel verliert seinen Charakter. Dagegen soll die Quote da durchgesetzt werden, wo sie nicht gebraucht wird, zum Beispiel Am Turnisch in Lierenfeld.
Aber dann stehen Sie ja auch für eine flexible Quote.
Geisel: Sie muss im Sinne der Vielfalt in den Stadtteilen flexibel sein. Jetzt wird sie dem Wunsch der Investoren entsprechend flexibel gemacht.
Ist es nicht logisch, dass an einigen Stellen die Verhandlungen mit Investoren schon zu weit fortgeschritten sind?
Geisel: Im Gegenteil: ich fände es erstaunlich, wenn verbindliche Vertrauenstatbestände geschaffen worden wären, bevor der Rat darüber befinden konnte.
Sie wollen, dass die Städtische Wohnungsgesellschaft mehr preisgünstigen Wohnraum schafft. Wie würden Sie die SWD ausstatten?
Geisel: Wer Wohnraum schafft und das Wohnumfeld aufwertet, schafft nachhaltig Vermögenswerte. Dafür müssen Mittel bereitgestellt werde, vor allem in einer wachsenden Stadt, in der es eine hohe Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum gibt.
Das heißt, Sie würden auch die Schuldenfreiheit aufgeben?
Geisel: Unter OB Geisel wird nichts gemacht, was kaufmännisch nicht vertretbar ist. Aber vor dem Hintergrund einer wachsenden Stadt und historisch niedriger Zinsen kann man fragen, ob es ein sinnvolles Ziel ist, schuldenfrei zu sein. Wenn ein Unternehmen investiert, wird das vernünftigerweise mit einem Mix aus Eigen- und Fremdkapital gemacht. Man kann zwar schuldenfrei bleiben, indem man die Ausgaben durch den Verkauf von Tafelsilber finanziert. Über kurz oder lang aber führt das zum Bankrott.
Ist die Stadt strukturell defizitär?
Geisel: Ja, es gibt genügend Indikatoren dafür. Die sogenannte Ausgleichsrücklage, die durch den Verkauf von Stadtwerke-Anteilen gebildet wurde, schmilzt weiter ab, weil sie zur Deckung der Defizite im Haushalt herangezogen wird. Hinzu kommen hohe Betriebskosten für die Kö-Bogen-Tunnel, ohne dass entsprechende Einnahmen gegenüberstünden.
Das heißt, Sie müssten als OB sparen. Aber wo?
Geisel: Wir werden uns den Haushalt genau angucken. Grundsätzlich gehört jede Position auf den Prüfstand.
Sie befürworten den Ausbau des Reisholzer Hafens. Was sagen Sie den Anwohnern?
Geisel: Ich nehme ihre Sorgen ernst. Wichtig ist, dass es ein transparentes Verfahren gibt und möglichst alle Interessen berücksichtigt werden. Wenn dann am Ende ein Kompromiss herauskommt, sollte das Ergebnis allerdings auch akzeptiert werden.
Welches Potenzial sehen Sie in dem Ausbau?
Geisel: Im Süden schlägt das industrielle Herz der Stadt. Dies muss man weiter entwickeln. Allein vom Dienstleistungs- und Finanzsektor kann die Stadt nicht leben.
Liegt Ihnen da die Union nicht näher als die Grünen?
Geisel: Ich arbeite mit allen zusammen, die im Interesse der Stadt Lösungen anbieten. Ich kenne viele Grüne und die haben sehr vernünftige Ansichten. Ich kenne aber auch CDU-Mitglieder, von denen ich ebenfalls diesen Eindruck habe.
Klaus-Heiner Lehne, Vorsitzender des CDU-Kreisverbands, hat Sie nicht so nett empfangen. Er hinterfragte Ihre Rolle, als Eon im Jahr 2002 Ruhrgas übernahm. Das war nur durch eine umstrittene Ministererlaubnis von Rot-Grün möglich.
Geisel: Was Herr Lehne da konstruiert hat, war absurd. Als ob die SPD dort einen Funktionär untergebracht hätte. Man muss die Chronologie beachten: 1992 bin ich aus den Diensten der SPD ausgeschieden, 2000 fing ich bei Ruhrgas an, da war von einer Übernahme durch Eon noch keine Rede. Als die kam, war ich bereits erfolgreicher Einkaufsdirektor. Zur politischen Kultur gehört mehr, als nur Sprüche zu klopfen.
Apropos politische Kultur. Wie verlief eigentlich die erste Begegnung mit dem OB?
Geisel: Die erste Begegnung ging in die Hose. Beim Sommerfest der Handwerkskammer bin ich zu ihm hin, er hat sich allerdings eilig fortbewegt. Am Rande des Bilker Schützenfestes haben wir uns dann freundlich gegrüßt.
Wie kam es eigentlich zu Ihrer Kandidatur?
Geisel: Ich bin von verschiedenen Leuten gefragt worden. Es war zu dieser Zeit klar, dass ich bei Eon ausscheiden würde. Ich wollte mit fast 50 Jahren noch mal was Anderes in meinem Leben machen. Oberbürgermeister in Düsseldorf zu sein, ist eine reizvolle Aufgabe in einer großartigen Stadt.
Man hört, dass die Initiative vor allem aus Reihen der Landes-SPD kam?
Geisel: Durch die politischen Salons, die ich mit meiner Frau ausgerichtet habe, kenne ich einige Leute aus der Landes-SPD. Auch Norbert Römer oder Ministerpräsidentin Hannelore Kraft waren bei uns zu Gast. Es kann sein, dass die einen Tipp gegeben haben.
Haben Sie Respekt davor, dass das Privatleben auf der Strecke bleibt?
Geisel: Man muss sich die Zeit freischaufeln. Ich versuche zum Beispiel, dreimal in der Woche morgens um sechs Uhr mit meiner Frau eine Stunde laufen zu gehen. Aber auch die Kinder dürfen nicht zu kurz kommen.
Den Marathon in Düsseldorf sind Sie ja auch gelaufen.
Geisel: Ja, die erste Hälfte mit meiner Frau, die zweite Hälfte allein.
Welche Rolle wird Ihr Privatleben im Wahlkampf spielen?
Geisel: Der OB-Kandidat heißt Thomas Geisel und nicht Familie Geisel. Meine Frau, die berufstätig ist, wird mich begleiten, wenn es bei ihr geht. Die Kinder wollen wir so weit wie möglich raushalten.
Sie wollen den Durchgangsverkehr raus aus der Stadt haben. Wie soll das trotz Kö-Bogen-Tunnel gehen?
Geisel: Das wird man sich genau angucken müssen. Aber die Planung ist offensichtlich nicht Teil einer durchdachten Verkehrspolitik. Logisch wäre es gewesen, wenn die zwei Achsen Rheinufertunnel und Toulouser Allee den Durchgangsverkehr aus der Innenstadt rausgeholt hätten. Jetzt wird der Durchgangsverkehr durch die Kö-Bogen-Tunnel weiter in die Innenstadt gezogen und die Toulouser Allee endet im Nirwana.
Und wie gefallen Ihnen die Libeskindbauten?
Geisel: Mir gefallen sie. Wie schon einmal gesagt: Ich habe nicht vor, den Kö-Bogen abzureißen und den Tausendfüßler wieder aufzubauen.
Der verstorbene OB Joachim Erwin hat sich sehr für den Kö-Bogen eingesetzt. Wie bewerten Sie seine Leistung?
Geisel: Kein Zweifel, dass er viel bewegt hat, es lässt sich allerdings drüber streiten, ob die Richtung immer richtig war.
Wo stimmte Sie nicht?
Geisel: Er hat den Schwerpunkt auf Leuchtturmprojekte in der City gelegt. Das hat dazu geführt, dass die Stadtteile vernachlässigt wurden. Jetzt müssen wir die Stadt wieder von außen nach innen zusammenführen.