ARD überträgt die Tour Tour de France - Die Tour der Zahlen und Emotionen
Die ARD überträgt die Tour und erleichtert damit die Vorbereitungen der Stadtspitze in Düsseldorf. Dort wird gerechnet, geschwärmt und gehofft.
Düsseldorf. Thomas Geisel ist ein stolzer Mann. Nichts nervt den SPD-Oberbürgermeister von Düsseldorf mehr, als die ständigen Zweifel an seinen Ideen und seiner Amtsführung. Und die Nörgeleien, wenn ihm dann doch selbst gefühlt ein großer Coup gelungen ist. Wie jener, die Tour de France nach Deutschland zu holen. Das erste Mal seit dreißig Jahren, 1987 startete das größte Radsportrennen der Welt in Berlin. Kostet zu viel - schimpften die einen, weil tatsächlich rund 12 Millionen Euro aufgebracht werden müssen. Andere bezweifeln, dass Radsport noch Massen bewegen kann. Zuletzt mehrten sich die Zweifel daran, dass die ARD werbewirksam überhaupt noch live von der Tour de France berichten würde. Es wäre schlecht gewesen: für Geisel, für die Farbe der Zahlen unter dem Strich, für die so genannten Media-Effekte. Aber: Die ARD hat am Dienstag anders entschieden und den Vertrag mit dem Tour-Veranstalter ASO bis 2018 verlängert.
Kurz darauf tickerte es aus dem Düsseldorfer Rathaus, O-Ton Geisel: „Ich freue mich sehr, dass die ARD die Tour 2017 und insbesondere die Etappen in Düsseldorf in voller Länge übertragen wird.“ Und dann kam der etwas trotzige Nachsatz: „Es gab freilich nie einen Anlass hieran zu zweifeln, wenn man bedenkt, dass die Tour erstmals seit 30 Jahren wieder ihren Ausgang in Deutschland nimmt und in diesem Jahr voraussichtlich das größte Sportereignis weltweit darstellt. Die Sportwelt schaut auf Düsseldorf!“
Zweifel waren durchaus erlaubt: Vergangenes Jahr hatten im Schnitt nur 1,18 Millionen Radsportfans die 21 Etappen im Ersten verfolgt. 9,8 Prozent Marktanteil pro Etappe. Die Werte lagen deutlich hinter den Zahlen aus den Jahren vor dem drei Jahre anhaltenden Ausstieg der ARD wegen des Dopingskandals bis 2015.
Seit Geisel mit einer Bewerbungsmappe zu ASO-Chef Christian Prudhomme nach Paris gereist ist und Düsseldorf den Zuschlag bekommen hat, muss sich der Radsportfan in der Heimat rechtfertigen. Und Kosten decken, die Lizenzgebühr, logistischer Aufwand, Absperrungen, Brücken oder das Rahmenprogramm aufwerfen. Und so viel mehr. 12 Millionen Euro sind aufgerufen, etwa 6,3 Millionen Sponsoreneinnahmen sind Geisels Ziel, um den städtischen Zuschuss zu den Kosten zu senken. Bislang sind rund 4,5 Millionen eingenommen, sagte der OB am Montag auf dem SpoBis-Kongress in Düsseldorf, etwa die Hälfte davon durch nicht städtische Unternehmen. Derzeit verkauft die Stadt 50 Gursky-Werke, die der Künstler speziell für die Tour gefertigt hat — samt Hospitality-Paket. Man lässt sich etwas einfallen. Der Druck ist hoch.
Ein emotionaler Tour-Film flimmerte auf dem SpoBis vor den Gästen in Raum 28 des Congress-Centers: Bilder aus Paris und Düsseldorf, der Oberbürgermeister parlierte auf englisch und französisch, über den Asphalt rollten die Stars, das Ganze war eine gute Werbung für den Tour Start. Und Geisel nutzte die Chance zu demonstrieren, dass die Verbindung Radsport und Düsseldorf nicht zwingend defizitär sein muss — weder pekuniär noch moralisch. Und ohnehin so viel mehr sei: Etwa ein Musterbeispiel für gelingende regionale Zusammenarbeit, an deren Spitze sich Düsseldorf gesetzt habe und andere Städte wie Mönchengladbach gefolgt seien.
Geisel nannte auch Zahlen: 100 Sender übertragen in 190 Ländern, 3,5 Milliarden Zuschauer sehen den Grand Depart. Der 53-Jährige erhofft sich 2,28 Millionen Steuermehreinnahmen in 2018, mit 57,1 Millionen Euro sind die wirtschaftlichen Effekte beziffert. „Der Media-Wert liegt bei 30 Millionen Euro, die Visibilität können sie kaum kaufen“, rief Geisel, der mit rund einer Million Zuschauern in Düsseldorf rechnet. Wobei das schwer zu planen sei.
Rund 1800 Volunteers haben sich schon gemeldet, 2000 werden am Ende dabei sein. Der OB will den Anteil des Radverkehrs in Düsseldorf von derzeit 14 auf 25 Prozent steigern. Ein Anspruch, der sich in London erfüllt hat, als der dortige Bürgermeister den Grand Depart 2007 mit einer Kampagne für mehr Radverkehr in der Stadt verband. Und am Abend des 1. Juli spielen die Bands Kraftwerk und Air im Düsseldorfer Ehrenhof - auch auf Wunsch von ASO-Chef Christian Prudhomme, der die Düsseldorfer Band Kraftwerk, die ihr Album „Tour de France“ komplett aufführen werden, einst in Paris erlebt hatte.
Auf derlei Pathos steht Prudhomme: In Frankreich habe die Bekanntheit Düsseldorfs stark zugenommen, sagte er am Montag in Düsseldorf. Vor zehn Jahren, so Prudhomme, habe Deutschland die dunkelsten Kapitel des Radsports erlebt. „Damals ist alles zusammengebrochen, jetzt suchen wir nach dieser erwachsen gewordenen Leidenschaft. Und hier haben wir sie gefunden“, sagte er pathetisch. Die Tour de France gehe über den Sport hinaus: „Kultur, Geschichte, Geografie — das ist die wahre Kraft des Radsports.“ Geisel nickte begeistert. Jetzt will auch er sich nicht mehr aufhalten lassen. Die beiden kann bis zum Juli nichts mehr trennen.