Düsseldorf Übungszentrum Feuerwehr: Und plötzlich sind die Flammen überall ...

WZ-Reporterin Juliane Kinast hat für einen Tag den Schreiber weggelegt und Feuer gelöscht — im neuen Übungszentrum der Düsseldorfer Feuerwehr in Garath.

Düsseldorf. Eine riesige Stichflamme schießt aus dem Gasofen in der Ecke rechts oben. Zwei bis drei Meter weit lodert sie in den Raum hinein. Aber das ist noch nicht alles. Ich weiß, was kommt. Kai Lütkenhaus hat mich vorgewarnt. Er kniet neben mir auf dem Boden, schaut herüber und gibt ein Handzeichen: ducken! Obwohl man es nicht sieht, ahne ich, dass jetzt das flüssige Propangas nachgepumpt wird. Und plötzlich ist das Feuer überall, breitet sich unter der Decke aus, erhellt die dunkle Garage. Roll-over nennt die Feuerwehr diese Flammenwalze. Sie erhitzt die Luft bis auf 650 Grad. Und diese Hitze sinkt langsam herab, dringt durch die Schutzkleidung, beißt sich in die Haut. Und es fällt schwer, noch an die Worte von Kai Lütkenhaus zuvor zu glauben: „Es kann nichts passieren ...“

Ein Tag im Feuer. Löschen wie die Feuerwehr. Mit Atemschutz und allem drum und dran. Das ist nicht mal eben so gemacht. Schon einen Monat zuvor begann die Vorbereitung für diesen Selbsttest: Termin beim Arbeitsmediziner, Erstuntersuchung nach „G 26.3“. Bin ich „feuerwehrtauglich“? Sehtest, Hörtest, Belastungs-EKG, Lungenfunktionstest, Blutbild. Nach zwei Wochen flatterte dann das offizielle Schreiben ins Haus mit dem Kreuzchen bei „keine gesundheitliche Bedenken“. Grünes Licht für das Training im neuen Atemschutzübungszentrum der Feuerwehr in Garath.

Ein Tag im Übungszentrum der Feuerwehr
17 Bilder

Ein Tag im Übungszentrum der Feuerwehr

17 Bilder

Die Trainingseinrichtungen auf der Feuerwehrschule an der Frankfurter Straße waren lange ein Ungemach. Kaputte Endlosleitern, eine Brandsimulationsanlage, die nach rund 10 000 Bränden marode war. Anfang dieses Jahres dann ging das neue moderne Übungszentrum für 4,6 Millionen Euro in Betrieb. Seither üben die Düsseldorfer Retter, aber auch Werks- und Berufsfeuerwehren der Umgebung auf höchstem Niveau. Und heute eben die Reporterin.

Der Tag beginnt allerdings nicht mit Feuer, sondern mit Wasser. Eine Literflasche reicht Kai Lütkenhaus zur Begrüßung: „Sie werden, ganz, ganz, ganz viel schwitzen!“ Zuerst aber wird im Fundus nach passender Schutzkleidung gesucht — mit für Feuerwehrmänner eher untypischen Maßen nicht ganz einfach. Schuhe in Größe 43 gibt es von Guido Volkmar, seit 2001 Fachbereichsleiter Realbrand und Atemschutz in der Feuerwehrschule, persönlich. Vier Nummern zu groß. „Aber Luft dämmt ja“, sagt er nur lächelnd. „Dann legen wir los!“

Mit rutschender Hose und schlappenden Schuhen geht es in den Vorbereitungsraum im Erdgeschoss des roten Übungszentrums. Dort baut Volkmar eine Tragschale, eine gelbe Flasche mit Atemluft und einen Lungenautomat zusammen. Die komplette Ausrüstung wiegt zwischen 25 und 30 Kilo. In der Flasche ist Luft für etwa 30 Minuten. Fällt der Druck auf 50 bar ab, ertönt eine Pfeife.

Vom Tisch wird die Atemluftflasche auf den Kopf gewuchtet, rutscht dann runter auf den Rücken, die Trageriemen fallen über die Schultern. Bauchgurt zu, Maske übers Gesicht, fünf Schnallen festzurren. Dann greift Kai den Lungenautomat und schraubt ihn in meine Maske. Plötzlich ist die „echte“ Luft weg, heiseres Schlürfen wie beim Star-Wars-Bösewicht Darth Vader ertönt, als ich einatme. So soll ich jetzt quasi ins Fitnessstudio.

Im Arbeitsraum geht es an den Schlaghammer; ein Trainingsgerät, bei dem ein Bügel mit Schmackes abwärtsgezogen wird. 50 Schläge, dann 15 Meter auf der Endlosleiter klettern, die wie ein Laufband unter meinen Füßen wegrollt. „Alles klar“, ruft Guido Volkmar. „Wieder 50 Hammerschläge!“ Kai läuft schon zum Schlaghammer. Aber bei mir geht plötzlich nichts mehr.

Aus dem Nichts steigt Panik hoch. Es ist so verdammt viel Kleidung, so viel Zeug um den Kopf. Maske, Helm, Kragen. Der Körper sagt, er will richtige Luft und nicht ständig gegen diesen fiesen, kleinen Widerstand des Lungenautomaten atmen. „Ich glaube, ich will aus der Maske raus“, höre ich mich sagen. Am liebsten möchte ich sie sofort herunterreißen. Aber dann ist es vorbei. Das ultimative Scheitern. Denn natürlich würde genau das im Ernstfall, in einem verrauchten Brandhaus, den sicheren Tod nach wenigen Atemzügen bedeuten.

Kai Lütkenhaus beim Versuch, die Reporterin vor einer Panikattacke zu bewahren

Kai und Guido — zwischen Panik und lautem Darth-Vader-Atmen hat sich das höfliche Siezen erledigt — kennen diese Panikreaktion. Als Ausbilder haben sie das bei vielen jungen Wehrleuten erlebt. „Bleib’ einfach einen Moment hier stehen, komm’ ein bisschen runter und versuch’, ganz ruhig zu atmen“, rät Kai. Immer wieder spricht er in ruhigem Ton. Was er genau sagt, ist egal. So vergehen die Sekunden. Vielleicht eine Minute. Und dann ebbt die Angst ab. Einfach so. Der Körper fügt sich in sein Schicksal aus Enge und Kunstluft. „Puh, ich glaube, es geht wieder“, sagt meine gepresste Stimme durch die Membran der Atemmaske. Die nächsten 50 Hammerschläge und Endlosleiter-Meter überstehe ich ohne Probleme. Dann können wir in den Käfig.

240 Gitter-Quader mit je einem Meter Durchmesser sind über- und nebeneinander in der neuen Atemschutzstrecke verbaut. Mit allerlei Stolperfallen und Hindernissen. Kai krabbelt vor, dreht sich um, lässt sich über eine Kante in einen tieferen Gittergang rutschen. Ich hinterher. Es geht durch eine Röhre, in der die Tragluftflasche überall aneckt. Dann durch eine noch engere. Ich zuerst. Kai muss mich an den Füßen schieben, bis ich den Rand zu fassen bekomme und mich vorwärtsziehen kann. Als ich herausgerobbt bin, ziehe ich den 40-Jährigen an den Händen zu mir heran. Wir müssen Klappen öffnen und durch ein buntes Bällebad krauchen, in dem man sich mit Schutzanzug wie ein auf den Rücken gefallener Käfer fühlt. Zum Finale pustet Guido Volkmar vom Kontrollraum aus dann auch noch Disko-Nebel in die Übungsstrecke. Aber das jagt mir jetzt keine Angst mehr ein. Wir absolvieren unseren Weg, dann wieder Schlaghammer und Endlosleiter, bis erst meine Pfeife, dann auch die von Kai ertönt. Mit der letzten Luft geht es zurück in den Vorbereitungsraum und für das knallrote, verschwitzte Gesicht endlich raus aus der Maske. Die komplette Kleidung ist so nass, als hätte ich damit geduscht.

Bei weiteren Litern Wasser wird danach resümiert — der Körper muss regenerieren, bevor es weitergeht. „Diesen Moment unterschätzen viele“, warnt Kai Lütkenhaus. „Schon allein der Flüssigkeitsverlust ist enorm.“ 200 Hammerschläge und 45 Meter auf der Endlosleiter liegen hinter uns. „Du bist schon gut unterwegs“, beteuert Guido Volkmar. Und fast glaube ich ihm.

Nach der Pause gibt es einen Luxus, der Einsatzkräften im Notfall nie vergönnt ist: Ich darf mir die „Brandwohnung“ schon mal angucken. Unten die Garage mit Werkbank und Gasflaschen, ein dunkles und enges Treppenhaus, dann eine Küche und daneben ein Schlafzimmer. Alles aus superhartem Corten-Stahl, rußgeschwärzt. Und ich treffe schon mal das „Opfer“: eine Puppe aus feuerfestem Material in der Größe eines Kindes.

Aber zuerst müssen ein paar nasse Trockenübungen mit dem Schlauch im Hof der Schule sein. Hebel zum Ein- und Ausstellen des Wassers in der einen Hand. Rad zum Verstellen zwischen Voll-, Sprühstrahl und Mannschutzbrause in der anderen. Vorwärtsdackeln, hinhocken, Hebel runter und direkt wieder hoch, drei Sprühstöße. Die sollen später vor den großen Flammen des Roll-over schützen. „Das ist supercool — wirklich“, verspricht Kai. Und es könne ja auch bestimmt nichts passieren. „Die ganze Bude ist gespickt mit Sicherheitseinrichtungen.“

Kai Lütkenhaus unmittelbar vor der Feuerwalze

Also wieder anziehen. Hose, Hemd, Schutzhose mit Trägern, vier Nummern zu große Schuhe, Jacke, Haube. Kai stopft jede Haarsträhne akribisch unter den Spezialstoff — was rausguckt, fackelt in kürzester Zeit ab. Helm, Tragluftflasche, Maske. Diesmal bleibt das Unwohlsein aus, als der Ausbilder den Lungenautomat verschraubt und der Schlürf-Atem ertönt. Zwei Minuten später hocken wir auf dem Boden der Garage, Köpfe runter, Blick in die Zimmerecke.

„Jetzt kommt erst die Stichflamme — zum Gewöhnen“, sagt Kais dumpfe Stimme. Der Ofen röhrt kurz, dann sprüht die Feuerfontäne in den Raum und über unsere Köpfe. „Drei kurze Sprühstöße“, befiehlt Kai. Nervös hampele ich am Hebel herum, bringe das Wasser in Gang — aber nicht mehr so ganz zum Versiegen. Kai muss helfen. Trotzdem geht die Flamme aus. Erst jetzt sinkt die Hitze von oben langsam auf den Körper. „Jetzt kommt der Roll-over. Bereit?“ Ich nicke und schreie viel zu schrill: „Ja!“ Dann röhrt der Ofen richtig los und die Feuerwalze rollt durch die Garage. „Mannschutzdusche!“, tönt die dumpfe Stimme. Gefummel am Sprühkopf, Gewackel am Hebel. Irgendwie geht das Wasser dann doch an, formt einen Schirm aus Tropfen und lenkt die gewaltigen Flammen um uns herum. Die Hitze spüre ich kaum mehr, merke nur, wie das Shirt unter der feuerfesten Jacke immer nasser wird. Wie viele Sekunden vergehen, bis das Feuer erlischt und es wieder dunkel wird — keine Ahnung. Kai hatte Recht: Das WAR supercool.

Zeit für das Finale: praktische Einsatzübung. Guido Volkmar versteckt die Puppe im Brandhaus, dann startet er per Knopfdruck die Flammen. „Wir gehen rein“, meldet Kai über Funk. Er hält den Sprühkopf. Ich soll den Schlauch hinterherziehen und gleichzeitig den Korb mit Extra-Schlauch tragen — falls wir verlängern müssen. An der ersten zufallenden Tür stoße ich damit auf Probleme, quetsche einen Fuß durch den Spalt, drücke mit dem Bein gegen die Tür. „Mehr Schlauch!“, fordert Kai, der schon halb das dunkle Treppenhaus hinaufgestürmt ist. Also Tragekorb abstellen, am Schlauch zerren. Der hängt oder ist am Ende. Wie finde ich das jetzt raus? Ich zerre, so weit ich kann. Dann in der Finsternis nach dem Korb fischen. Mist, wo ist er jetzt hin? Da, ein Metallgriff. Jetzt Stufen suchen. Mit Riesenstiefeln und null Sicht. Ungeduldig guckt von oben ein behelmter Kopf um die Ecke. Kai wartet.

Zum Glück reicht der Schlauch. Mit ein paar kräftigen Sprühstöße sind die Flammen aus den Küchenschränken erstickt. Davor liegt das „Kind“. Kai greift die Füße und hebt sie an. Wohl mein Zeichen, den Oberkörper zu packen. Mit geübten Schritten marschiert der Ausbilder vorneweg und die dunkle Treppe hinunter, während ich hinterherstolpere. Ein schriller Pfeifton ertönt — es ist Kais Luft, die sich dem Ende neigt. Mit der Puppe geht es durch die Garage ins Freie. Jetzt pfeife ich auch.

Aber erst, als unser Opfer in Sicherheit ist, dürfen die Masken vom Gesicht. Die zweite Montur Kleidung ist komplett durchgeschwitzt. „Sei ehrlich, das Kind hätte mit mir keine Chance gehabt, oder?“, keuche ich. „Ach was“, antwortet Kai lächelnd. „Höchstes Verbrennungen zweiten Grades.“ Er klopft mir auf die Schulter: „Im Ernst: Respekt.“ Ich glaube ihm kein Wort. Bin trotzdem stolz. Aber auch sehr dankbar, dass es in meinem Fall eben nicht wirklich um Menschenleben ging. Und das ich für den Rest des Tages jetzt echte Luft atmen darf.