Düsseldorf Urteil: Anwohner müssen für 80 Jahre alten "Hitler-Asphalt" zahlen

Stadt hat korrekt gehandelt. Erst wenn eine Straße fertiggestellt ist, müssen Gebühren erhoben werden. Das war in Wersten erst 2010 der Fall.

Hausbesitzer müssen für eine Straße bezahlen, mit deren Bau 1937 begonnen wurde.

Foto: David Young/dpa

Düsseldorf. Der Streit zwischen Anliegern aus Wersten und der Stadt Düsseldorf um die Übernahme von Kosten für eine 79 Jahre alte Straßendecke ist am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht beigelegt worden. Zwar müssen die Anlieger den sogenannten Erschließungsbeitrag für ihre Straße zahlen - die Kosten fallen nun aber etwas geringer aus. Die Begründung des Gerichts: Erst mit dem Bau von Gehwegen im Jahr 2010 sei die Erschließung der Straße Auf'm Rott komplett abgeschlossen gewesen. Und erst dann dürfte die Stadt die Anlieger zur Kasse bitten.

2005 hatte das Ehepaar Otto an der Straße Auf’m Rott ein Haus gebaut, ein Jahr später zogen sie ein. Die Fahrbahndecke vor ihrem Haus stammte aus dem Jahr 1937, eine so genannte Teersplitter-Einstreu-Decke.„Es war keine besonders schöne Straße, als wir einzogen. Aber es reichte vollkommen aus“, so Lothar Otto. In den folgenden Jahren baute die Stadt Gehwege, ersetzte die Gaslaternen auf der Straße durch Stromlaternen. Sowohl für den aus dem Jahr 1937 stammenden Asphalt als auch für die weiteren Ausbaumaßnahmen erhielt das Ehepaar im Oktober 2013 dann die Rechnung: Rund 9000 Euro sollten Ottos und weitere Anlieger zahlen. Sie zogen vor Gericht.

Vor dem Verwaltungsgericht machten Beate und Lothar Otto am Donnerstag noch einmal ihren Standpunkt deutlich: Wenn die Stadt knapp 80 Jahre lang nicht von ihrem Recht Gebrauch gemacht habe, die Kosten für die Fahrbahndecke einzufordern, dann könne man als Anlieger auch davon ausgehen, dass der Beitrag gar nicht mehr erhoben wird. Außerdem sei zweifelhaft, ob die Grundlage für die Berechnung der Beitragshöhe korrekt sei.

Der Vorsitzende Richter Stephan Barden brachte Licht ins Dunkel: „Die Beitragspflicht gilt erst, wenn die Erschließungsanlage komplett abgeschlossen ist“, sagte er. Das heißt: Erst wenn eine Straße fertiggestellt ist, Fahrbahndecke, Gehwege und Laternen entsprechend des Bebauungsplans hergestellt sind, muss abgerechnet werden. Die Rechnungen für alle Maßnahmen würden dann zusammengerechnet und auf die Anlieger umgelegt. Es sei also nicht ungewöhnlich, dass so auch alte Rechnungen auf den Tisch kommen.

Erst als die Stadt 2010 die Gehwege gebaut hatte, war der Straßenabschnitt wirklich fertiggestellt. Erst danach schickte die Stadt auch die Erschließungsbescheide. Damit hat die Stadt nach Ansicht der Kammer des Verwaltungsgerichts korrekt gehandelt. Sie habe schließlich nicht, die Straße fertiggestellt und dann 30 Jahre gewartet, bis sie alles in Rechnung stellt.

Bevor sich die Parteien auf einen Vergleich einigten, machte die Kammer des Verwaltungsgerichts einen „historischen Ausflug“. Die Richter forschten nach, zogen unter anderem das Preußische Fluchtlinien-Gesetz heran, um zu klären, wann der Straßenabschnitt nach damaliger Gesetzeslange als fertiggestellt galt. „Es gibt Anhaltspunkte, dass Fluchtlinien existierten und somit Planungsrecht bestand“, sagte der Richter. „Das ist aber nur eine von mehreren Unsicherheiten in diesem Verfahren.“ Weitere aufwändige „Ermittlungsarbeit“ sei nötig, um der Frage weiter nachzugehen.

Mit dem Vergleich kamen die Parteien dieser Arbeit zuvor. Bei der Durchsicht der Unterlagen fiel der Kammer aber auf, dass die Stadt einen Gehweg zu viel gebaut hat. Die Kosten für den zweiten Gehweg wurden nun aus dem Erschließungsbeitrag herausgerechnet. Damit reduzierten sich die Kosten von Lothar Otto um etwa 2000 Euro. „Das ist nicht viel. Aber unser Bauchgefühl, dass etwas nicht stimmte, war richtig. Und insofern bin ich zufrieden“, sagte der 56-Jährige nach der Verhandlung.