Von Lord B. zum verliebten Pfau: Aus dem Leben eines Richters
Richter Stefan Coners über Kuriositäten und menschliche Abgründe vor Gericht.
Düsseldorf. Papagei Lord B. ist tot. Auch der Gerichtsprozess zwischen seinen ehemaligen Besitzern ist nach zehn Monaten beendet. Amtsgerichtssprecher und Richter Stefan Coners erklärt, wie man als Richter bei kuriosen Fällen ernst bleibt und den Einblick in menschliche Abgründe verarbeitet.
Herr Coners, müssen Richter nicht auch schmunzeln, wenn es vor Gericht um die Asche eines toten Vogels geht?
Stefan Coners: Es gibt immer wieder Fälle, bei denen man ins Schmunzeln gerät und sich denkt: Hätte ich eine solche Klage vor Gericht gebracht? Richter sind auch nur Menschen, aber das darf im Prozess keine Rolle spielen. Ein Richter verfällt sofort in die gleiche neutrale Professionalität wie bei jeder Mietrechtsklage, auch wenn es „nur“ um einen Papagei geht.
In manchen Prozessen geht es um Centbeträge. Bremsen diese nicht unnötig die Gerichtsbarkeit?
Coners: Wenn wir nach diesen Maßstäben gingen, müssten wir einen Großteil der Verfahren aussortieren. Aber die Menschen haben einen Anspruch auf gerichtliche Klärung, wenn eine Einigung auf anderem Wege unmöglich ist. Nicht selten ist das Gericht der letzte Ausweg für Menschen, die aufgrund ihrer Emotionen nicht mehr miteinander sprechen können. Gerade Streitfälle um Haustiere sind oft so emotional wie Sorgerechtsverfahren.
Welches war Ihr kuriosester Fall?
Coners: Der eines verliebten Pfaus. Der hatte in Hubbelrath einen schwarzen Mercedes mit dem Schnabel zerkratzt, weil er sein Spiegelbild für einen Balz-Konkurrenten hielt. (Der Halter musste den Schaden von knapp 3000 Euro zahlen, Anm. d. Red.) Aber ich vergesse die meisten Fälle nach dem Urteil schnell.
Ist das ein Schutz vor den menschlichen Abgründen, in die Richter oft blicken?
Coners: Ich muss an manchen Tagen sechs bis acht Strafrechtssachen entscheiden, da kann ich mir nicht alles merken. Aber: Uns Richtern öffnen sich die Tiefen des Lebens beinahe täglich. Beispielsweise im Familienrecht haben wir oft blank-gelegte Seelen vor uns. Das lässt auch einen Richter nicht kalt. Aber man muss sich dem entziehen, sonst kann man keiner Partei im Gerichtssaal gerecht werden.
Wann fällt Ihnen das besonders schwer?
Coners: Bei Sexualstraftaten an Kindern. Diese Sachen lassen einen nicht sofort los. Was da hilft, ist der Austausch mit Kollegen.
Wie schaffen Sie es, sich in der Urteilsfindung nicht von Ihren Gefühlen beeinflussen zu lassen?
Coners: Das ist eine Frage der Persönlichkeit, die man in diesem Beruf entwickelt. Man lernt, sich seine innere Unabhängigkeit zu bewahren. Dabei helfen Grundsätze unseres Rechtssystems, wie der, dass man immer beide Seiten anhören muss. Ich vermeide es auch, Medienberichte über meine Prozesse zu verfolgen.