Vorwürfe gegen Deutsche Tierrettung in Düsseldorf Das Geschäft mit der Tierliebe

Düsseldorf · Die Deutsche Tierrettung verspricht schnelle medizinische Hilfe für Haustiere. Doch was viele Kunden für einen Verein halten, ist eine Kapitalgesellschaft – mit angeblichem Sitz an der Königsallee, satten Gewinnen und fragwürdigen Vertriebspraktiken.

Vor einem Supermarkt in Mülheim an der Ruhr wurde sie angesprochen. Deborah Zander, zu dieser Zeit selbst Halterin von zwei Kaninchen, ließ sich auf das Gespräch ein. Eine rund um die Uhr erreichbare Notrufnummer und medizinische Versorgung mit Rettungswagen – die Arbeit der Deutschen Tierrettungen überzeugte sie. An dem kleinen Infostand schloss sie einen Vertrag ab. Eine Unterschrift, die sie bis heute bereut. Denn was sie für einen Verein hielt, ist eine Kapitalgesellschaft, die nicht nur Tiere rettet, sondern auch Schulden eintreibt.

Deborah Zander weiß nicht mehr, was genau die Mitarbeiter am Infostand 2013 zu ihr sagten. „Aber mir wurde vermittelt, dass die Tierrettung ein gemeinnütziger Verein ist und ich Spenden überweise.“ Unterlagen über den zweijährigen Vertrag, der sich automatisch verlängert, habe sie nicht bekommen, lediglich einen Mitgliedsausweis. Das erste Mal ärgerte sie sich über die Tierrettung, als sie den Notruf alarmierte, weil ihr Kaninchen an einem Blähbauch litt. Anders als sie es erwartet hatte, kam kein Tierarzt, sondern ein Sanitäter. Er habe sich das kranke Tier angeschaut, ihm aber keine Spritze geben dürfen. Er soll gefragt haben: „Soll ich das Kaninchen in die Klinik fahren oder wollen Sie das selbst machen?“

Wirklich stutzig wurde sie aber erst, nachdem sie schon fast zehn Jahre lang regelmäßig Geld an die Deutsche Tierrettung überwiesen hatte. Denn plötzlich seien die halbjährlichen Beiträge in anderen Monaten als zuvor abgebucht worden, nicht nur zweimal, sondern dreimal in einem Jahr. Als sie nach einer Telefonnummer auf der Internetseite der Deutschen Tierrettung suchte, stellte sie erstmals fest: Das ist kein Verein, sondern eine GmbH. Und die macht satte Gewinne für eine kleine Gesellschaft. Rund 1,1 Millionen Euro Überschuss meldete die Tierrettung 2021, im Jahr zuvor waren es fast 950 000 Euro.

Deborah Zander ist längst nicht die einzige Kundin, die sich getäuscht fühlt. Im Internet häufen sich negative Erfahrungsberichte. Die Kunden seien auf der Straße, an der Haustür und am Telefon angeworben, einige mit kostenlosen Probemonaten gelockt worden. Die Tierrettung habe bei einigen Kunden mehr als zwölf Euro monatlich abgebucht, auf Kündigungen reagiere das Unternehmen nicht. Mehrere Kunden berichten von langen Wartezeiten auf die Sanitäter. „Es ist eine GmbH. Also mit klarer Gewinnabsicht“, schreibt ein Nutzer. „Es geht nicht um die Tiere.“

Beschwerden landen bei der Verbraucherzentrale Düsseldorf

Josie Leopold wählte im Juni für ihre Chihuahua-Hündin den Notruf der Tierrettung. Es habe geklingelt, doch es habe niemand abgehoben. Sie habe es mehrfach versucht, ohne Erfolg, berichtet sie. Auch sie erfährt erst danach, dass sie keinem Verein beigetreten ist. „Das wäre ja alles nicht so schlimm, wenn den Tieren tatsächlich geholfen werden würde“, sagt sie. „Aber die Leistung wird noch nicht mal erbracht.“

Auch bei der Verbraucherzentrale in Düsseldorf landen immer wieder Beschwerden über die Vertriebsmethoden und die Vertragsabwicklung der Deutschen Tierrettung. Meist seien die Kunden in Fußgängerzonen oder am Bahnhof angesprochen worden. „Die Verbraucher, die zu uns kommen, fühlen sich in der Regel überrumpelt“, sagt Sebastian Dreyer, Leiter der Verbraucherzentrale NRW. Ob sich die Kosten für das Angebot lohnen, müsse jeder selbst beurteilen. Man sollte aber bedenken, dass es ein Geschäftsmodell mit Gewinnorientierung sei.

Und das ist ungewöhnlich. Ähnliche Tierrettungen – auch in Düsseldorf – sind als Vereine oder gemeinnützige Gesellschaften organisiert. Praxen bieten Hausbesuche an, bei denen die Veterinärmediziner mehr tun dürfen, als Notfallhilfe zu leisten. Auch die Feuerwehr kümmert sich um Wildtiere in Not.

Was also steckt hinter dem Geschäft der Deutschen Tierrettung? Wer sich auf die Suche nach dem Unternehmen macht, landet schnell vor einem Sandsteingebäude in Düsseldorf, Königsallee 14. Mitarbeiter des Unternehmens sitzen dort aber nicht, die Tierrettung hat hier offenbar ein „virtuelles Büro“, beim Anbieter kann man sich eine „repräsentative Geschäftsadresse in zentraler Lage“ buchen. Auch Deborah Zander war hier. Die Empfangsdame habe durchblicken lassen, dass sie nicht die erste Kundin sei, die nach dem Büro fragt.

Am Eingang hängen Schilder von hundert Unternehmen. Ganz klein steht dort auch die DTR GmbH – für alle, die nach der Tierrettung suchen, kaum zu erkennen. Wo der tatsächliche Firmensitz ist, bleibt unklar. Das geht selbst aus dem Handelsregister nicht eindeutig hervor. Auch die Geschäftsführerin lässt diese Frage unbeantwortet. In einer Stellenausschreibung für einen Ausbildungsplatz bei der DTR steht als Standort: Oberhausen.

Die Historie der Tierrettung offenbart Verflechtungen mit diversen Firmen, die sich in ganz anderen Branchen bewegen. Alles geht zurück auf ein Duo aus Düsseldorf, bestehend aus der 44-jährigen Geschäftsführerin und einem 50-jährigen Kompagnon. Im Jahr 2008 gründen sie die HD Holding GmbH, zu der heute unter anderem ein Hotelbetrieb mit drei Häusern in Dortmund gehört. In den Folgejahren bauen sie zwei weitere Unternehmen auf: 2015 zunächst die DDM24, kurz für Deutsches Debitorenmanagement. Die Firma bietet auf einer aus der Zeit gefallenen Internetseite an, für einen jährlichen Festbeitrag von 399 Euro offene Rechnungen einzutreiben. Kurzum: ein Inkassobüro.

2016 folgt die Gründung der Deutschen Tierrettung GmbH, zunächst mit Sitz an der Kurfürstenstraße, einen Monat später wechselt die Adresse zur Königsallee. Noch in demselben Jahr kommt es zur Verschmelzung beider Firmen. Die DDM24 übernimmt die Tierrettung und ihr gesamtes Vermögen, alles unter dem Dach der HD Holding und nun unter alleiniger Führung der 44-jährigen Geschäftsfrau.

Verboten sind solche Fusionen nicht. Es ist sogar üblich, dass Firmen verschmelzen, um den Betrieb zu vereinfachen, Doppelaufgaben zu vermeiden, Personal zu sparen. Doch in diesem Fall sind die Geschäftsfelder so unterschiedlich, dass sie kaum zusammenpassen wollen. Das fusionierte Unternehmen macht nun beides: Tiere retten und Schulden eintreiben.

Deutsche Tierrettung weist Vorwürfe vehement zurück

Die beiden Betriebsteile, teilt die Geschäftsführerin mit, seien komplett voneinander getrennt. Warum es zur Fusion kam, beantwortet sie nicht. Die Gründe zu erläutern, würde zu weit führen, schreibt sie. Doch das Inkassogeschäft schrumpfe und mache nur noch einen geringen Teil aus.

Von den 24 festangestellten Mitarbeiter sei dort keiner tätig. Für den Vertrieb bei der Deutsche Tierrettung hingegen sucht das Unternehmen weiterhin Personal: Online sind Stellen für den Innen- und Außendienst ausgeschrieben. Da heißt es: „Du bringst unsere Dienstleistungen an den Haustierbesitzer.“

Auch alle anderen Vorwürfe weist die Deutsche Tierrettung vehement von sich. „Die Behauptung, unser Unternehmen handele gemeinnützig, stellen wir nicht auf“, teilt die Geschäftsführerin mit. Kunden erhielten Vertragsunterlagen, Beiträge würden wie vereinbart abgebucht, man reagiere auf Kündigungen.

Bei vielen Tausend Kunden könne es aber im Einzelfall zu Abweichungen kommen. Dass die Tierrettung zeitweise nicht erreichbar war, führt sie auf den Telefonanbieter zurück.

Außerdem komme es immer wieder vor, dass Kunden die Nummer der Verwaltung wählen statt den Notruf. „Wir sind 24/7 unter der genannten Telefonnummer erreichbar“.

Keine Fälle bei der Staatsanwaltschaft gelandet

Alle Informationen zur Tierrettung seien online zugänglich. Das stimmt. Doch wie Deborah Zander und Josie Leopold dürfte es auch anderen Kunden gehen: Als sie das erste Mal auf die Internetseite geguckt haben, hatten sie den Vertrag schon längst unterschrieben.

Auf ihre Kündigung bekam Deborah Zander ein Standardschreiben, berichtet sie. Den Lastschrifteinzug hat sie widerrufen, seit Oktober 2022 fließt kein Geld mehr an das Unternehmen. Doch sie möchte die gezahlten Beiträge, die sie für Spenden hielt, zurück und hat eine Anwältin eingeschaltet. Auf ein Schlichtungsschreiben habe die Deutsche Tierrettung bislang nicht reagiert.

Die Verbraucherzentrale hat bereits mehrere Kunden im Streit mit der Tierrettung rechtlich vertreten. In einigen Fällen konnten die Verträge noch widerrufen werden, sagt Sebastian Dreyer, in anderen Fällen wegen Irrtums angefochten. Bei der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht sei bislang keiner der Fälle gelandet.

Der Leiter der Verbraucherzentrale NRW rät, niemals Verträge in der Fußgängerzone oder an der Haustür zu unterschreiben, die Kontoverbindung anzugeben und sich nicht unter Druck setzen zu lassen.

„Wenn man etwas unbedingt unterstützen möchte, sollte man sich die Unterlagen mitgeben lassen und zu Hause genau überlegen, mit wem und zu welchen Konditionen man einen Vertrag abschließt.“

Einen unterschriebenen Vertrag sollte man widerrufen und sich Unterstützung von Verbraucherschützern oder Rechtsanwälten holen. „Selbst, wenn man absolut sicher ist, keinen Vertrag abgeschlossen zu haben.“