Geburten Was die Gerresheimer Sana-Klinik von Hamburger Hebammen lernen kann

Düsseldorf · Die Sana-Klinik musste ihren Kreissaal Ende 2018 schließen. Ein anderes Modell: Hebammen gründen eigene Firma.

Babys werden derzeit nicht mehr im Gerresheimer Krankenhaus geboren.

Foto: dpa/Holger Hollemann

Die Nachricht kam vor Weihnachten: Das Sana-Klinikum in Gerresheim muss wegen Personalmangels die Geburtenabteilung schließen. Von acht festangestellten Hebammen waren drei längerfristig erkrankt, eine weitere schwanger. Notärzte und Rettungsdienste wurden informiert, das Gerresheimer Klinikum bei Entbindungen vorerst nicht mehr anzusteuern. Versuche, das Team aufzustocken scheiterten – der bundesweite Hebammenmangel zeigte im Düsseldorfer Osten sein ganzes Ausmaß.

Die Hebammen selbst gingen Monate zuvor schon auf dem Zahnfleisch, sprangen gegenseitig füreinander ein. Doch der Personalplan gab schließlich keinen Puffer mehr her. Zunächst hofften alle, vor allem die Hebammen selbst, dass die Schließung vorübergehend ist. Aber nur wenige Wochen später wurde die größte Befürchtung Gewissheit: Der Kreißsaal bleibt geschlossen. Versuche der Klinikleitung, das Team aufzustocken, waren endgültig gescheitert. „Deutschlandweit wurden Stellenanzeigen geschaltet – ohne Erfolg“, so Sana-Sprecherin Katharina Stratos.

Seit 2015 mussten allein in NRW 14 Kreißsäle dauerhaft schließen, deutschlandweit sind 93 bereits geschlossen oder aufgrund Personalmangels von einer Schließung bedroht. An einer Hamburger Klinik haben Hebammen das Aussterben der Geburtenversorgung nicht weiter ansehen wollen und wurden aktiv. 2016 suchte das unterbesetzte Team der Geburtenstation der Asklepios Klinik Altona das Gespräch mit der Leitung. Die war zwar bereit, Hebammen einzustellen, wie aber auch in Düsseldorf scheiterte die Suche aufgrund mangelnder Bewerber. Und selbst wenn es Bewerber gegeben hätte – das begrenzte Budget der Kliniken ließ wenig Spielräume. Denn Krankenhäuser arbeiten bei der Betreuung von Geburten mit einer Fallpauschale. Darüber werden sämtliche Personal- und Sachkosten abgegolten.

Für die Hebammen in Altona war klar: Wenn sie als Angestellte keine Veränderung bewirken, dann müssen sie sich zusammenschließen. Im Juni 2017 gründeten sie die Partnerschaftsgesellschaft „Hebammenkontor Altona“ und damit den ersten Beleg-Hebammen-Kreißsaal in Hamburg. Sie arbeiten nun als Zusammenschluss von Freiberuflern mit der Klinik zusammen anstatt angestellt zu sein.

Das Modell berücksichtigt auch die Wünsche der Patienten

Das bringt für beide Seiten Vorteile: Die Geburtshelferinnen sorgen dafür, dass der Kreißsaal immer gut besetzt ist, die entbindenden Frauen sich gut betreut fühlen und die Klinik weiterempfehlen. Im Gegenzug arbeitet die Klinik nur noch mit dem Kontor zusammen und bietet deren Patienten ein Umfeld, nach dem sich viele unsichere Mütter sehnen: einen hochwertigen medizinischen Standard, eine enge Zusammenarbeit mit Chefarzt und Ärzte-Team sowie der angrenzenden Kinderklinik.

Die Hebammen rechnen jede Einzelleistung über die Krankenkasse ab. Das Haus verdient nun weniger pro Geburt, dafür spart es Personalkosten. Die Hebammen verdienen nun besser, müssen als Selbständige aber für Alter und Krankheit vorsorgen.

Die Hebammen in Altona sprechen von einer befriedigenden Arbeitssituation. Seitdem sie sich zusammengeschlossen haben, gibt es wieder eine Betreuung während der Geburt und im Wochenbett, die ihrem beruflichen Anspruch gerecht wird: Eine Hebamme kümmert sich seit der Umstellung nicht mehr um fünf, sondern in der Regel um maximal zwei Frauen im Kreißsaal. Sie ist dadurch nun in der Lage, die Ruhe mitzubringen, die vor, während und nach der Geburt so wichtig ist und die zuvor im hektischen Klinikalltag völlig verloren ging.

Die Zufriedenheit der Hebammen hat sich herumgesprochen: Sobald eine Stelle im Hebammenkontor frei wird, stehen zahlreiche Bewerber bereit, um das Team wieder aufzustocken. Und auch auf Patientenseite lässt sich die Zufriedenheit messen: Die Asklepios Klinik Altona hat eine Weiterempfehlungsrate von 97,5 Prozent.

In Düsseldorf sieht die Lösung für den Hebammenmangel anders aus: Das Personal aus Gerresheim wird seit Dezember am Standort in Benrath gebündelt. Und das soll auch so bleiben. „Es gibt zurzeit keine Anstrengungen, die Abteilung für Geburtshilfe in Gerresheim wieder zu öffnen“, sagt Katharina Stratos.

Die Schließung hatte im Stadtteil Protest ausgelöst. Der zuständige Bezirksbürgermeister im Stadtbezirk, Karsten Kunert, reagierte verärgert und appellierte an den Versorgungsauftrag des Sana-Klinikums im Düsseldorfer Osten. Er sieht den Fehler auch in der Vorgehensweise: „Es ist immer auch eine Frage, wie ein privatwirtschaftliches Unternehmen seine Fachleute heranzieht.“ Zudem sei erst 2012 in Gerresheim der Neubau eröffnet worden, in dem sich auch der neue Kreißsaal befindet.

Zumindest die Hebammen selbst scheinen mit dem Umzug nach Benrath zufrieden zu sein: „Dort ist die Arbeitssituation nun deutlich besser“, sagt Katharina Stratos. Das Haus in Benrath sei sehr familiär, die Fluktuation der Hebammen sehr gering. „Nun bekommt das Team weitere Hebammen aus Gerresheim hinzu. Das ermöglicht insgesamt eine entspannte Arbeitssituation.“ Und das wüssten auch schwangere Frauen unter der Geburt zu schätzen. Einige Schwangere, die für die Geburt in Gerresheim angemeldet waren, haben sogar in Benrath entbunden – und eine Entfernung von knapp 30 Kilometern in Kauf genommen.