Düsseldorf Wehrhahn-Prozess endet mit einem Freispruch

Die Beweise haben dem Gericht nicht ausgereicht. Die Staatsanwaltschaft will Revision einlegen. Der Zentralrat der Juden ist „bestürzt“.

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Düsseldorf. Am 27. Juli 2000 kam die Top-Schlagzeile in allen Nachrichtensendungen aus Düsseldorf. Der feige Bombenanschlag auf zwölf überwiegend jüdische Sprachschüler am S-Bahnhof Wehrhahn löste eine heftige Debatte über rechte Gewalt aus. Fast auf den Tag genau 18 Jahre später stehen die Ermittlungen praktisch wieder am Anfang. Denn der Prozess um Anschlag endete am Dienstag mit einem Freispruch für den 52-jährigen Angeklagten. Wie der Vorsitzende Richter Rainer Drees ausführte, sei es wegen der „dürftigen Beweislage“ nicht möglich, Ralf S. zu verurteilen.

Bei dem Anschlag waren zehn Menschen durch eine mit TNT gefüllte Rohrbombe zum Teil lebensgefährlich verletzt worden, ein ungeborenes Baby starb im Mutterleib. Ralf S. war damals sofort ins Visier der Fahnder geraten, weil er in der Nähe des Tatorts einen Militaria-Laden betrieb und enge Kontakte zur rechtsradikalen Szene pflegte. Doch trotz intensiver Ermittlungen einschließlich Telefonüberwachung und dem Einsatz von V-Leuten war dem Angeklagten die Tat nicht nachzuweisen. Jahrelang ruhten die Ermittlungen.

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2014 meldete sich dann ein Häftling aus der Justizvollzugsanstalt Castrop-Rauxel. Er behauptete, dass Ralf S. ihm beim Freigang gestanden habe, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Die Ermittlungen wurden wieder aufgenommen. Drei Jahre lang trug die Staatsanwaltschaft Indizien zusammen, bevor Ralf S. im Januar 2017 verhaftet und wegen zwölffachen versuchten Mordes angeklagt wurde.

Rainer Drees machte deutlich, wie schwierig ein reiner Indizienprozess nach der langen Zeit ist. Es sei kaum noch auszumachen, was bei den Zeugen noch eigene Wahrnehmung ist oder vom Hörensagen stammt. Außerdem habe Ralf S. inzwischen verschiedene Zeugen gegen sich aufgebracht, die nach der Tat völlig anders ausgesagt hatten.

Hinzu kam die schwierige Persönlichkeit des Angeklagten. Der habe „unentwegt gelogen“ und sei als „Erkenntnisquelle in dem Prozess völlig ungeeignet“ gewesen. Fest stehe, dass der 52-Jährige latent fremden- und ausländerfeindlich ist. Doch das sei kein Beweis für seine Täterschaft.

Die beiden Hauptbelastungszeugen hielt das Gericht für nicht glaubwürdig. Der ehemalige Mithäftling aus Castrop-Rauxel, ein verurteilter Betrüger, verwickelte sich in Widersprüche und sagte teilweise nachweislich die Unwahrheit. Ähnlich endete der Auftritt eines weiteren Zeugen, der sich erst gemeldet hatte, nachdem Ralf S. aus der Untersuchungshaft entlassen worden war. Außerdem hatte das Gericht Zweifel, ob der Angeklagte überhaupt am Tatort gewesen sein kann, weil er vier Minuten nach der Explosion aus seiner Wohnung ein Telefongespräch führte.

Oberstaatsanwalt Ralf Herrenbrück, der lebenslange Haft für den Angeklagten gefordert hatte, kündigte unmittelbar nach dem Urteil eine Revision beim Bundesgerichtshof an. Der Präsident des Zentralrats der Juden hat sich „bestürzt“ über den Freispruch gezeigt. Josef Schuster forderte, dass umso intensiver weiterermittelt werden müsse, um den oder die Täter zu finden.