Verkehr Wie das Fahrrad für Schüler attraktiver werden soll

Düsseldorf · Die Stadt fördert Eigeninitiativen der Schulen. Nachholbedarf gibt es bei Abstellplätzen.

Jan Hüttenbernd (Schicke Mütze) beim „Wintercheck“ für die Fahrräder an der Hulda-Pankok-Gesamtschule.

Foto: Koep

Montagmorgen in Bilk. Im Karree von Brinckmannstraße, Bittweg und Redinghovenstraße strömen über 2000 Schüler zu den anliegenden Schulen. Viele kommen mit der Bahn, einige hundert auch mit dem Rad. Aber vor dem Geschwister-Scholl-Gymnasium und der Hulda-Pankok-Gesamtschule stauen sich auch die „Mutti-Taxis“, die die Kinder vor dem Schultor abliefern. „Wir wohnen nicht so weit weg, aber Corneliusstraße und Hennekamp sind mir zu gefährlich, da bringe ich meinen Sohn lieber“, begründet Beate Zwerenz ihre Entscheidung für den Chauffeurdienst. Dass sie damit Teil des Problems ist, ist ihr bewusst. „Wenn es sichere Radwege gäbe, dann würde ich David selber fahren lassen. Aber jetzt kommt die dunkle Jahreszeit, man sieht die Kinder schlecht, es wird glatt...“

Gustav Dollnik kommt fröhlich angeradelt. Der Sechstklässler findet den Schulweg mit dem Rad klasse. „Das ist mein Frühsport, dann bin ich richtig wach, wenn ich ankomme.“ Doch einen Haken hat die Sache: „Die Fahrradständer sind schnell voll und dann kann ich das Rad nicht richtig abschließen. Im Februar hat jemand mein tolles Dirtbike geklaut, obwohl ich es angekettet hatte.“

Angesichts der EU-Vorgaben zur Luftreinheit und drohenden Fahrverboten haben Politik und Verwaltung längst erkannt, dass die Priorisierung des Radverkehrs ein probates Mittel zur Erfüllung des Luftreinhalteplans ist. Seit 2016 setzt die Straßen- und Verkehrsplanung mit der Initiative RADschlag auf das Fahrrad als das „optimale, innerstädtische Verkehrsmittel der Zukunft“. Doch die Nachwuchsförderung an den Schulen ist noch nicht im Fokus. „Wir arbeiten an einem gesamtstädtischen Netz von Radverkehrsanlagen. An dieses Netz sind auch Schulen angeschlossen. Aber ein eigenes Schulnetz macht keinen Sinn“, so Pressesprecher Volker Paulat.

Schüler leisten wichtigen Beitrag beim „Stadtradeln“

Steffen Geibhardt ist mit der Initiative RADschlag zuständig für die Radwegeplanung beim Amt für Verkehrsmanagement. Er erläutert das Problem: „Zunächst müssen wir unterscheiden zwischen Grundschulen und weiterführenden Schulen. Bei den Grundschulen sind Radwege nicht erforderlich, weil die Schüler ja auf dem Bürgersteig fahren dürfen. Gefahren drohen hier eher aus dem Parkverhalten von Autofahrern.“ Auf Wunsch können die Schulen sich von RADschlag eigene Schulwegpläne erstellen lassen.

Einen besonderen Stellenwert haben die Schulen beim bundesweiten Wettbewerb „Stadtradeln“, der für die Stadt Düsseldorf vom Umweltamt organisiert wird. Fast ein Fünftel der knapp 1,2 Millionen geradelten Kilometer für die Kommune Düsseldorf wurde 2018 von den 25 teilnehmenden Schulen mit knapp 2000 Aktiven beigetragen. „Wir beraten und unterstützen die Schulteams beim „Stadtradeln“. Grade hier hat sich die Beteiligung sehr positiv entwickelt“, freut sich Ernst Schramm vom Umweltamt. „Das ist schon toll, was die Schüler da auf die Kette kriegen.“

Eigeninitiativen unterstützt das Umweltamt mit dem Förderprogramm „Mach was draus!“. Mit dem städtischen Zuschuss konnte die Hulda-Pankok-Gesamtschule für ihre Aktion „Gratis Fahrrad Wintercheck“ (s. u.) realisieren. In Kooperation mit dem Fahrradladen „Schicke Mütze“ können die Schüler ihr Rad gratis auf Winterfestigkeit prüfen lassen. Jan Hüttenbernd, Zweirad-Techniker bei Schicke Mütze, zieht eine positive Bilanz: „Mir ist noch einmal klar geworden, wie wichtig so ein Check ist. Viele Räder waren einwandfrei, aber bei einigen gab es bedenkliche Mängel.“ Johannes Boeker, der an der Schule die Fahrrad AG leitet, setzt sich intensiv für die Förderung des Rades ein. „Wir wollen, dass sich die Kinder aber auch die Eltern sicher fühlen, wenn sie mit dem Rad zur Schule fahren, gerade jetzt im Herbst und Winter.“ Dabei sieht der Pädagoge den Nutzen des Rades nicht nur für die Umwelt. Neben der praktischen Verkehrserziehung sieht er auch den Fitness-Aspekt als klaren Vorteil. „Wenn die Kinder mit dem Auto gebracht werden, werden sie nicht sicherer. Auf dem Fahrrad werden aber auch die motorischen Fähigkeiten geschult und da hapert es mittlerweile oft.“ Seine Einschätzung wird von Verkehrswacht und dem Fahrradclub ADFC geteilt: Immer weniger Kinder fahren sicher Fahrrad.

Doch trotz Zuschüssen bleiben bei den Schulen noch Wünsche offen. „Die Abstellanlagen sind schlecht und überfüllt.“ Thorsten Graeßner, Schulpflegschaftsvorsitzender an der Hulda-Pankok-Gesamtschule, ist sehr unzufrieden. „Die Schüler können die Räder nur mit dem Vorderrad abschließen, oft müssen sie auf den Drahtzaun ausweichen. Das ist für Diebe eine Einladung.“

Tatsächlich ist der Endpunkt des Radwegs zur Schule ein Problem. Die Abstellplätze sind nicht ausreichend und entsprechen nicht mehr den Empfehlungen der Polizei. Außerdem sind die Flächen schlecht einsehbar und Diebe können mit dem Schulgong quasi die Uhr für günstige Gelegenheiten stellen. Am Geschwister-Scholl-Gymnasium kam es im September gar zum Raub. Der Täter entriss einem Schüler das Rad und flüchtete. Die Polizei kennt das Problem, aber weder Verkehrsunfälle noch Fahrraddiebstähle werden schulspezifisch erfasst. Fast 3700 Fahrraddiebstähle wurden 2017 angezeigt, die Aufklärungsquote liegt bei mageren 4,5 Prozent.

Florian Dirszus kümmert sich als Leiter der gesamtstädtischen Koordination schulischer Hochbaumaßnahmen auch um die Ausstattung der Schulen mit Radabstellplätzen. Auch er sieht Nachholbedarf. „Wir haben im Moment ein riesiges Bündel an Ausbaumaßnahmen für 70 Schulen. Wo wir umbauen, setzen wir auch unsere Standards um, aber nicht überall ist das technisch möglich.“

Die Standards sehen einen Schlüssel von einem Stellplatz für vier Schüler vor. „Wir versuchen aber mittlerweile ein Verhältnis von 1:2 zu erreichen. Statt der alten Vorderrad-Anlagen kommt ein „Düsseldorfer Modell“ als Abschließgestell zum Zug. Die Stahlkonstruktion ist im Boden verankert und das Bike kann mit Rad und Rahmen festgeschlossen werden.

Bis allerdings Gustav Dollnik sein Rad so sichern kann, muss er sich noch eine Weile gedulden.