Sozialpolitik in der Landeshauptstadt Wie Düsseldorf gegen Kinderarmut kämpft
Düsseldorf · Fast jedes fünfte Kind in Düsseldorf ist auf Sozialhilfe angewiesen. Präventionsprojekte sollen die Chancen der Betroffenen verbessern.
Düsseldorf will die Chancen von Kindern, die in schwierigen Verhältnissen aufwachsen, verbessern. „Im Kern geht es darum, die Folgen von Kinderarmut zu mindern“, sagt Stephan Glaremin, Leiter des Jugendamtes. Mehr als 200 000 Euro werden dafür zusätzlich bereitgestellt – vorausgesetzt der Jugendhilfeausschuss stimmt am Mittwoch (1. Juni 2022) den Plänen zu. Düsseldorf ist sozial gespalten. Zwar wird die Landeshauptstadt oft als reich und wohlhabend wahrgenommen.
Und im Vergleich zu Kommunen beispielsweise im Ruhrgebiet ist der Lebensstandard in der Metropole am Rhein tatsächlich höher. An der prekären Situation vieler Familien ändert das aber nichts. „Fast jedes fünfte Kind ist in Düsseldorf von Armut betroffen“, sagt Thomas Klein von der Jugendhilfe-Planung. Fast 19 000 Kinder unter 18 Jahren bezogen zur Jahreswende 2021/22 Sozialhilfe-Leistungen. „Die Zahlen zeigen uns, dass Kinder und Jugendliche beim Thema Sozialhilfe-Bezug einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt sind als die Gesamtbevölkerung“, sagt Klein.
Die Maßnahmen, für die nun zusätzliches Geld ausgegeben werden soll, zielen vor allem auf Vorbeugung. Im Fokus stehen dabei Quartiere mit hohem sozialen Handlungsbedarf. Ausgebaut werden soll in bestimmten Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen das Programm FreizeitFit4Kids (FF4K), das auf Bewegung, ausgewogene Ernährung und Stressregulation zielt. Geplant sind hier zusätzliche Module wie ein pädagogischer Selbstbehauptungskurs, Kinder-Yoga, Tischtennis sowie ein Tanz- und Entspannungsangebot.
Auch Ernährungskurse in kleinen Gruppen stehen auf der Agenda, weil die Mitarbeiter der Einrichtungen „vermehrt Gewichtszunahmen bei den Zielgruppen wahrnehmen und sich deshalb einen verstärkten Fokus auf Ernährungskompetenzen im Alltag wünschen“, heißt es in der Vorlage. „Wir hoffen, dass wir den Trainerpool mit aktuell zwischen sieben und zehn Fachkräften ausbauen können“, sagt Katharina Lis, eine der beiden Projekt-Koordinatorinnen von FF4K.
Die Erziehungswissenschaftlerin will zudem neue Akzente in den Bereichen psychische Gesundheit und Stressregulation setzen: „Die Pandemie hat deutliche Spuren hinterlassen, weil über weite Strecken Freizeitmöglichkeiten und soziale Kontakte fehlten.“
Die Pandemie-Folgen nimmt auch das Projekt „Fortuna bewegt“ in den Blick. Eingebunden ist hier neben Fortuna die Universität mit einer Bedarfsanalyse. Das Bewegungs- und Sportangebot zielt auf Kita- und Schulkinder im Alter von drei bis zehn Jahren in Flingern-Süd. Dass der Handlungsbedarf zuletzt noch einmal gewachsen ist, machen die Initiatoren des Projekts an den Daten der Schuleingangsuntersuchungen fest.
Sie stellen im Vergleich der Jahre 2021/22 und 2020/21 einen deutlichen Rückgang der Fähigkeiten bei den Schulneulingen fest. So hätten diese Kinder im letzten Jahr in den Deutschaufgaben 25 Prozentpunkte weniger als die Vorjahresgruppe erreicht, bei der Körperkoordination seien es 16,6 Prozent weniger gewesen.
Zum zweiten Mal aufgelegt wird der Armutsfonds. „Wir wollen noch einmal 50.000 Euro in die Hand nehmen, um in den Quartieren bei einzelnen Fällen, die eine unbürokratische Hilfe erfordern, helfen zu können“, sagt Glaremin. Stimmt der Ausschuss zu, wird zudem der Ausbau gesundheitsfördernder Strukturen bei Kleinkindern weiter vorangetrieben.
Ausgangspunkt sind die Kita-Eingangsuntersuchungen, die bereits in Rath/Mörsenbroich, Wersten Südost und Hassels Nord umgesetzt werden. „Diese Präventionsprojekte haben sich als sehr wirksam erwiesen, wir wollen sie deshalb auf Flingern Süd und Holthausen ausdehnen“, sagt der Jugendamtschef. Mit im Boot sind die Awo und die Diakonie, die die dortigen Stadtteiltreffs betreiben. Die zusätzlich geschaffenen Stellen finanziert die Stadt. Um Barrieren abzubauen, will die Verwaltung auch Fachkräfte weiterfinanzieren, die benachteiligte Familien dazu motivieren, Geld aus dem Paket „Bildung und Teilhabe“ zu beantragen. „Ohne diese Ansprache bleibt die Hilfe oft ungenutzt“, sagt Glaremin.