Themenschwerpunkt Gründonnerstag Die Farbe Grün: Ätzend oder himmlisch

Düsseldorf · Eine kleine Farbkunde zum Gründonnerstag: Giftgrün oder frühlingsfrisch wie der Mai. Wir haben mit Befürwortern und Kritikern der Farbe gesprochen.

Grün – auch in der Kunst eine besondere Farbe. Manche halten sie gar für unterschätzt.

Foto: picture alliance / dpa/Patrick Pleul

Heute ist Gründonnerstag. In vielen Haushalten gibt es Grünkohl oder Spinat. Die Kulturwissenschaftler sind sich nicht einig, ob dieser Brauch mit dem Fasten in der Karwoche, mit vorchristlichen Vorstellungen für die Kraft des Frühlings oder mit Bauernregeln für die Frühlingsaussaat zu tun hat. Sprachwissenschaftler suchen nach Verbindungen zwischen Grünem und Greinen, verdeutlicht im Klagen und Weinen der Büßer vor Karfreitag. Die christlichen Kirchen erinnern an diesem Tag ans letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Uns geht es schlicht und einfach um das Grün, diese zugleich schöne und teuflische Farbe, wenn man den Künstlern Glauben schenkt.

Cornelius Völker, der in Düsseldorf lebt und eine Professur für Malerei in Münster hat, schüttelt sich fast beim Gedanken an diese Farbe. „Oh ja, Grün! Eine ganz komplizierte Farbe. Schwierig zu handhaben; geht fast immer schief. Eine Mischfarbe der übelsten Sorte“, so schreibt er. Er verbindet also vorwiegend negative Assoziationen mit der Farbe, wobei das Unreife, Giftige und Dämonische eine Rolle spielen mag.

Manche Künstler denken noch an das infam glänzende Schweinfurter Grün, das man mit dem Feuer von Smaragden verglich, das jedoch wegen des hohen Anteils von Arsenik das gefährlichste Gift unter den Farben war und inzwischen verboten ist. Der Maler Sigmar Polke laborierte eine Zeitlang mit giftigen Chemikalien, die möglicherweise zu seinem relativ frühen Tod führten.

Margarete Sonnen von Sonnen Herzog kennt sich aus in Farben und Lacken. Ihr Frühlingskleid ist grün.  Foto: J. Michaelis

Foto: Michaelis, Judith (JM)

Doch Grün hat eine große Bedeutung in Kultur und Religion. Es gilt als Symbol der Hoffnung, des Wachstums und der Frische. Der Prophet Mohammed trug ein grünes Banner, als er Mekka eroberte. Er sagte, das Anschauen des Grünen sei Gottesdienst, weshalb Grün die Kultfarbe des Islam ist. Grün findet sich in vielen Nationalfarben der Wüstenstaaten, wo man sich nach grünen Oasen sehnt.

„Wenn ich an Grün denke, fühle ich den Wald in mir und sehe ihn in meinen Bildern wieder“, so sagt die Künstlerin Rosilene Ludovico und schlägt einen Bogen zur Farbe der Wiesen und Wälder, der Harmonie und Erneuerung des Lebens. Es gibt die These, Grün sei die Farbe der Mitte, bedeute die vollendete Neutralität zwischen allen Extremen, wirke beruhigend, ohne zu ermüden. Farbtherapeuten sehen denn auch im Grün die neutrale Heilfarbe, die keinerlei körperliche Beschwerden oder Gegenreaktionen hervorruft.

Gerhard Richter kaufte die RAL-Farben bei Sonnen Herzog

Für Margarete Sonnen, Inhaberin des 1888 auf der Herzogstraße in Düsseldorf gegründeten Farbengroß- und Einzelhandelsbetriebs Sonnen Herzog, ist Grün die Farbe des Frühlings. Bei unserem Gespräch trug sie eigens ein Kleid mit Blüten- und Wiesenmotiven. Sie kennt auch die Farbtafelbilder von Gerhard Richter. Als die Firma noch in Unterbilk saß, kaufte dort der junge Maler nach der Farbkarte RAL. Die Farben für „192 Farben“ von 1966 stammen von Sonnen Herzog. Sein Bild „4096 Farben“ von 1974 wurde bei Christie‘s in New York 2004 für knapp vier Millionen Euro verkauft. Heute ist es das Mehrfache wert.

Sonnen Herzog hat seinen Hauptsitz seit 2000 an der Pinienstraße auf 7000 Quadratmetern. Dort unterscheidet der Fachberater Stefan Kesseler zwischen Farbe und Anstrichstoff. Er erklärt: „Die Farbe gilt dem Sinneseindruck, also dem, was das Auge wahrnimmt. In den Eimern verkaufen wir einen Anstrichstoff. Von vielen Herstellern können wir die Farbtöne nach Wahl mischen. Die RAL-Farbtonkarte ist noch immer unser Werkzeug.“ Grün sei alles, so der Fachmann, was in der Skala mit der Zahl 6 beginne.

Nun ist Grün eine Sekundärfarbe. Ist sie überhaupt beliebt? „Grün wird unterschätzt“, sagt der Fachmann. Und Margarete Sonnen fügt hinzu: „Das Grün steht ja für den Frühling und die Knospen. Draußen grünt zur Zeit alles.“

Eine Trendfarbe sei die Mischung aus Blau und Gelb in den 1980er Jahren gewesen. Damals liebte man das grüne Badezimmer und trug auf den Reibeputz im Treppenhaus auch noch ein Flaschengrün auf, so dass man unzählige Lampen brauchte, um überhaupt etwas zu sehen.

Dennoch lässt Kesseler aufs Grün nichts kommen: „Farben haben einen großen Einfluss auf die Psyche. Wenn ich Heizkosten sparen will, streiche ich einen Raum rot an. Blau hingegen wirkt kühl, und die Leute drehen die Heizung höher. Grün beruhigt. Es ist die Farbe der Erneuerung und des Lebens.“ Grün sei keine hippe Farbe, aber es sei auch nie aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwunden.

Und das Giftgrün, das zitronige Grün? Was hat es damit auf sich? Die Antwort des Fachmanns: „Grün entsteht durch eine Mischung aus Blau und Gelb. Je nachdem, von welcher Farbe ich mehr gebe, ändert sich das Verhältnis des Betrachters zu ihr. Gebe ich mehr Gelb ins Blau, bin ich in einem Bereich, der von vielen Menschen als unangenehm empfunden wird. Aber die Geschmäcker sind verschieden.“ Vielleicht spricht der Künstler Sven Kroner deshalb vom Grün als einer „ambivalenten Farbe“.

Einige Völker wie die Inder lieben leuchtende Farben. Und die Deutschen? Margarete Sonnen gibt eine diplomatische Antwort: „Es ist eine Frage der persönlichen Haltung, ob man sich für kräftige oder neutrale Töne entscheidet. Die Deutschen sind vernünftig und praktisch. Sie wollen ihr Kleidungsstück über Jahre hinweg tragen. Sie wählen auch eher eine Wand in Beige. Die Deutschen sind immer etwas konservativer, was die Farbgebung angeht.“