Corona-Pandemie Wie viel Risiko steckt in dieser Schul- und Kitaöffnung?

Meckernde Verbände, scheinbar neue Infektionszahlen, Kita-Reihentest in Düsseldorf mit einer Infektion unter 5152 Kindern.

Eine Reinigungskraft geht mit einem Putzwagen durch eine Schule.

Foto: dpa/Fabian Strauch

Die Nerven liegen blank. Tag für Tag dringen offenbar neue Infektionszahlen aus den Schulen und Kintertagesstätten in Düsseldorf. Dazu ein mutmaßlicher Maulkorb aus dem Schulministerium, der Schulleiter vor zu politischer Meinungsäußerung vor der anstehenden Kommunalwahl bewahren will. Außerdem zeternde Lehrer- und Elternverbände, die die zweiwöchige Öffnung der Grundschulen im Normalbetrieb vor den Sommerferien als Zumutung und Schikane, auf jeden Fall aber als Bedrohung der Gesundheit von Schülern und Lehrern erleben. „Es bleibt ein unkalkulierbares Risiko“, sagt Sylvia Burkert aus dem Leitungsteam der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Düsseldorf.

Für die Landeshauptstadt gilt: Es gibt in Düsseldorfer Schulen seit Anfang April 46 Fälle von Covid19-Erkrankungen. Was auf den ersten Blick wie ein Hochrisikogebiet wirkt, ist es auf den zweiten eher nicht: Alle Fälle von Infektionen bei Schülern fanden nach Aussagen des Düsseldorfer Gesundheitsamts außerhalb der Schule statt und stammen aus jener Zeit, als es die Grundschule im Normalbetrieb noch gar nicht gegeben hat. Das sei, heißt es von der Stadt, wohl auch bei den vier jüngeren Düsseldorfer Schul-Infektionsfällen so. Zudem seien in der Gesamtstatistik wirklich alle Fälle von Schülern verzeichnet – eben auch dann, wenn diese infizierten Schüler gar nicht in der Schule gewesen seien. „Man muss schon genau hinschauen“, warnt Stadtdirektor Burkhard Hintzsche. Alles zusammenzufassen, meint er – das verfälsche nur.

Auch für die Düsseldorfer Kindertagesstätten scheint die Gefahr geringer, als derzeit in der Stadt unter vielen Eltern befürchtet: Bei der von NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) initiierten Reihentestung in Düsseldorfer Kindertagesstätten als abgestecktes Versuchsfeld sei unter den 5152 Teilnehmer-Kindern aus insgesamt 110 Einrichtungen im ersten Durchlauf eine einzige Infektion nachgewiesen worden, sagt ein Stadtsprecher. Die Tests werden wöchentlich wiederholt.

Eine vergleichbare Feldstudie hat Stamps Parteifreundin Yvonne Gebauer für die Schulen nicht in Auftrag gegeben. Trotzdem tritt die in die Kritik geratene NRW-Schulministerin mit bisweilen erstaunlich klarer Haltung auf, wenn sie trotz erster wieder geschlossener Schulen vor Tagen einen kompletten Regelbetrieb für die Zeit nach den Sommerferien ansetzte. Voraussetzung: Das Infektionsgeschehen müsse das zulassen. Was das genau heißt, bleibt unklar.

GEW kritisiert: Begehung fällt an jeder fünften Schule aus

Man habe sich mit  Ländern und Kanzlerin verständigt, auf „regionales und lokales Infektionsgeschehen mit regionalen und lokalen Maßnahmen zu reagieren“, sagt Gebauer auf Anfrage und resümiert: „Trotz regionaler Vorkommnisse war und ist angesichts des landesweiten Infektionsgeschehens die schrittweise Schulöffnung in den vergangenen Wochen richtig. Die Schülerinnen und Schüler haben ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Bildung.“ Die Öffnung sei an den Schulen gelungen. „Hygiene- und Schutzkonzepte minimieren die Ansteckungsrisiken und ermöglichen im Falle bekanntgewordener Infektionsfälle eine effektive Nachverfolgung von Infektionsketten“, sagt Gebauer. Den Kommunen bleibt die Detailarbeit: Sollte es vor Ort zu erhöhtem Infektionsgeschehen kommen, „so entscheiden die zuständigen Gesundheitsbehörden“ über Maßnahmen. „Sie verfügen hierfür über die nötige Expertise.“

Dazu gehört dann auch die Frage, wie man künftig bei Infektionsfällen einzelner Schüler mit der sie umgebenden Klasse umgeht, die ja einen Mindestabstand nicht mehr einhalten muss. Ob dann die ganze Klasse in Quarantäne gehen muss oder weiter nur jene Schüler, die direkte Kontaktpersonen mit 15-minütigem so genannten „Face-To-Face“-Kontakt zum Infizierten gewesen sind, ist auch in Düsseldorf noch nicht abschließend geklärt.

Ohne Mindestabstand in der Schule – das ist für Gewerkschafterin Burkert immer noch indiskutabel. „Wir sind uns über die Bedingungen im Hygieneschutz absolut nicht einig mit der Schulministerin“, sagt sie. Auch nach den Ferien müsse der Mindestabstand gelten, fordert sie, sei eingeschränkter, aber eben nicht voller Regelbetrieb möglich. Zudem wendet Burkert sich weiter dagegen, Risikogruppen unter den Lehrern wieder in den Schuldienst zu zwingen. Und: „Das Problem des Lehrermangels ist auch noch da. Darüber redet gerade nur niemand.“ Was Burkert für einen Skandal hält: Laut einer Umfrage unter knapp 2000 NRW-Lehrkräften gebe es bei 19 Prozent der Schulen keine vom Ministerium angeordnete gemeinsame Begehung von Schulleitung und Schulträger als Hygienemaßnahme.