Düsseldorf Yoga fürs unsichtbare Netz im Körper
Die Faszien — unser Bindegewebe — sind ein Trendthema in der Forschung. Jetzt gibt es in Düsseldorf spezielles Yoga für sie. Ein Selbstversuch.
Düsseldorf. Der Massageball drückt in die linke Gesäßhälfte — und plötzlich brennt da ein feiner Schmerz. „Jetzt noch einmal tiefer in den Ball fallen lassen“, kommandiert die Stimme von Kerstin Münzer. Also gut. Der Schmerz zieht jetzt durch das ganze Bein und den Rücken. Aber er fühlt sich nicht unangenehm, sondern irgendwie richtig an. Hin und her rollt der Ball, geht der Hintern ein bisschen hoch, sinkt dann wieder tief in den Druck hinein. „Und jetzt nimm den Ball mal weg und fühl den Unterschied“, sagt Münzers Stimme. Der Ball ist weg, der Körper liegt flach auf dem Boden — aber irgendwie fühlt sich die linke Gesäßhälfte leichter und schlanker an. „Beim Faszien-Yoga geht es viel ums Fühlen“, sagt Kerstin Münzer. Also schnell ab mit dem Ball unter die rechte Pobacke, damit sich der Körper gleichmäßig leicht anfühlt.
Die Faszien — oder einfach ausgedrückt: das Bindegewebe — sind derzeit ein trendiges Gesundheitsthema. Ein Netzwerk, das den Körper durchzieht und umhüllt und das fit gehalten werden will. Das will Kerstin Münzer mit ihrem neuen Faszien-Yoga schaffen. Ein Selbstversuch.
Zuerst wird geatmet — flach auf dem Boden liegend, die Arme neben dem Körper, die Handflächen gen Himmel. Tief in den Bauch und mit jedem Atemzug strömen negative Gedanken in den Boden. Dann kommt das Schütteln: Füße parallel, Arme hängen, und der ganze Körper wackelt — erst ein bisschen, dann ganz doll. Als Nächstes geht es um Schwung: Ein Arm bewegt sich nach hinten, nach oben, baut Spannung auf und fällt dann mit all diesem Schwung vor dem Körper herunter, um gleich wieder nach hinten und oben zu kreisen. Erst rechts, dann links. „Und jetzt einfach mal still stehen und fühlen“, weist Kerstin Münzer an. Ein heißes Prickeln erfüllt die Hände.
Dann kommen die Massagebälle. Erst unter den Füßen, bis sich beide durchgeknetete Fußsohlen anfühlen, als würden sie statt auf dem Holzboden des Yogastudios auf feuchtem Sand stehen. Dann vom Gesäß bis zum Nacken. Die Bälle immer neben der Wirbelsäule, in den Schmerz sinken, weiterrollen. Tatsächlich fühlt es sich beim Aufstehen an, als sei der Körper in Zuckerwatte verpackt worden — bis auf eine intensive Hitze direkt zwischen den Schulterblättern, die gerade zuvor von der Schreibtischarbeit noch ganz verspannt waren. „Es schafft eine irre Leichtigkeit im Körper“, erklärt auch Trainerin Münzer.
Sie hat das Faszien-Thema erst kürzlich für sich entdeckt. „Es ist der Mega-Trend“, sagt sie. Denn: Faszien verlaufen direkt unter der Haut, umhüllen Muskeln sowie Knochen und auch die Organe. Sie sind also überall. Und wenn sie nicht funktionieren, dann tut das weh.
Probleme treten häufig bei älteren Menschen und „Schreibtischtätern“ auf, sagt Stephan Geisler, Professor für Fitness- und Health-Management an der IST-Hochschule Düsseldorf sowie Lehrbeauftragter an der Sporthochschule Köln: Die Faszien verfilzen. Das wissen Ärzte seit Jahrzehnten und therapieren entsprechend. Doch jetzt haben die Faszien durch die Forschungen des Ulmer Wissenschaftlers Robert Schleip — bei dem sich auch Kerstin Münzer fortbildet — einen echten Hype erfahren. Er fand heraus, dass sich die Faszien wie Muskeln zusammenziehen können. „Das hat man ihnen vorher nicht zugetraut“, erklärt Geisler. Und: Sie reagieren wohl auf Stress.
Das Faszien-Training gehöre demnach mitnichten in die Welt der Esoterik. „Das hat wenig mit Glauben zu tun, sondern ist Fakt“, sagt Geisler. „Im Moment wird es aufgebauscht, was für die Fitnessbranche typisch ist. Aber es ist an sich eine gute Sache.“ Auch Orthopäde Christoph Müller bestätigt: „Wir verwenden es seit vielen Jahren und freuen uns, dass das Training modern geworden ist.“ Es eigne sich für alle Menschen — auch ohne Beschwerden zur Vorbeugung. Wichtig, so Stephan Geisler, sei gerade bei den Massagebällen die Anleitung durch Ärzte, Physiotherapeuten oder versierte Fitnesstrainer. Denn: „Wenn man gnadenlos über alles drüberrollt, kann man auch viel kaputt machen.“