Von Schwelm aus in die Ukraine Fahrt mit medizinischen Hilfsgütern: „Ja, klar hat er Angst – er fährt ganz allein“

Schwelm · Am Montag ist der bereits sechste Sattelzug mit medizinischem Versorgungsmaterial in Richtung Winnyzia im Zentrum der Ukraine gestartet.

An der Spedition Sluis wurde eingeladen, Roman (l.) fährt nun mit Tetiana in die Ukraine – Peter Klein organisiert die Spendenaktion.

Foto: ANNA SCHWARTZ

Normalerweise dauert die Fahrt in die Ukraine etwa 20 Stunden. Das weiß Peter Klein, weil er mit seinem Verein Mensch zu Mensch mit Sitz in Wuppertal seit 22 Jahren regelmäßig in die Ukraine fährt, um dort mit Spenden zu helfen. Aktuell aber dauert die Fahrt mit dem Sattelzug 60 Stunden. Das weiß Peter Klein, obwohl er selbst nicht mehr in die Ukraine fährt, seit dort der Krieg begonnen hat.

Die Stadt Winnyzia wurde
schon zweimal bombardiert

Denn am Montag ist der bereits sechste Sattelzug mit medizinischem Versorgungsmaterial – 26 Betten aus dem Krefelder Helios-Krankenhaus und mit 46 passenden Matratzen – in Richtung Winnyzia, ungefähr im Zentrum der Ukraine, gestartet. 1774 Kilometer zeigt das Navi an für die Strecke – auf der kürzesten Route, die wohl zurzeit nicht befahrbar ist: „Die Straßen sind gesperrt oder zerstört oder zerbombt, sodass der Fahrer wohl eine weitere Strecke nehmen muss“, erklärt Klein. Er berichtet auch, dass die Stadt Winnyzia, in der Fahrer Roman gestern gegen Mittag angekommen ist, bereits zweimal bombardiert wurde. Aus Sicherheitsgründen nennt Klein den Nachnamen des Lkw-Fahrers Roman nicht – und auch die ukrainische Geflüchtete aus Winnyzia, die zur Abfahrt in Schwelm dabei war, nennt er beim Vornamen: Tetiana.

„Ich kann selbst nur 100 Wörter Ukrainisch und gar keine Grammatik“, berichtet Klein. Aus diesem Grund übersetzen Dolmetscherinnen Dokumente, beschreiben den Verlauf der Fahrt für Peter Klein und für seinen Verein Mensch zu Mensch und erklären, dass das Passieren der polnischen Grenze 21 Euro gekostet hat. Doch das größere Problem stellte die nächste Grenze da – die ostpolnische Grenze zur Ukraine. „Roman hat zwar das Rote Kreuz in der Windschutzscheibe, aber es dauert trotzdem bis zu zehn Stunden, die Grenze zu passieren.“ Denn für die Ausfuhr beim polnischen Zoll und die Einreise benötigt der Fahrer fünf Stempel, die er sich zum Beispiel für die Ladung, die Passkontrolle und für das Fahrzeug an verschiedenen Stellen organisieren muss.

Am Montag ist Roman mit dem Sattelzug vom Hof der Schwelmer Spedition Sluis gerollt – und erst am gestrigen Freitag hat er das Krankenhaus erreicht, das die Spenden erhalten soll. Die Betten werden im Krankenhaus gerade am meisten gebraucht – je nachdem, wo gerade was benötigt wird, organisiert Peter Klein die Spenden. Das Helios-Krankenhaus in Krefeld beispielsweise hat die Betten aussortiert, mit denen nun dem Krankenhaus in Winnyzia geholfen wird.

Auch weitere Fahrten plant der Verein Mensch zu Mensch – obwohl die Speditionen immer höhere Preise haben. Das liegt nicht nur an den steigenden Kosten, sondern auch an dem Risiko: Die Gefahr eines Bombenangriffs ist groß.

Der Lkw-Fahrer Roman ist ganz allein unterwegs. Auf die Frage bei der Abfahrt, ob er Angst hat, antwortete Peter Klein für den Ukrainer: „Ja, klar hat er Angst, Angst beschossen zu werden. Zehn Stunden an der Grenze zu warten, ist nicht schön – er fährt ganz allein.“

Inzwischen ist der Sattelzug in Winnyzia angekommen und hat die Hilfsgüter, die Betten, die Matratzen, das Verbandmaterial und die Schmerztabletten sowie einen Multifunktionsrollstuhl im Krankenhaus abgeladen. Peter Klein, der bis zum Kriegsbeginn jedes Jahr in die Ukraine gefahren ist, konzentriert sich inzwischen auf das Sammeln von Spenden und die Öffentlichkeitsarbeit für den Verein. Vor den Fahrern, die sich auf den Weg in die Ukraine machen, hat er größten Respekt.