Erste Bilanz Folgenreiches Sturmwochenende - Millionenschäden und Tote

Update | Berlin · Orkan „Zeynep“ hat sich über Deutschland ausgetobt. Mindestens drei Menschen sterben. Hamburg erlebt erstmals seit Jahren eine sehr schwere Sturmflut. Der Bahnverkehr läuft am Samstag nur langsam wieder an. Und schon am Sonntag soll es wieder stürmischer werden.

Die Stürme am Wochenende haben viele Schäden in Deutschland verursacht.

Foto: dpa/Annette Riedl

Orkantief „Zeynep“ hat zum Start ins Wochenende für eine Sturmflut, Unfälle und Einschränkungen im Bahnverkehr gesorgt. Mindestens drei Menschen starben wegen des Sturms. Die Feuerwehren zählten Tausende Einsätze, meist zu umgestürzten Bäumen, umherfliegenden Gegenständen und beschädigten Gebäuden - in NRW rückten sie bis Samstagmittag zu über 12 000 Einsätzen aus, die Berliner Feuerwehr zählte 1300 wetterbedingte Notfälle, die Hamburger Feuerwehr berichtete am Morgen von gut 650 Einsätzen.

Am Samstag schwächte der Wind etwas ab, vor allem im Norden gab es aber auch noch Sturmböen. Am Sonntag gibt es tagsüber laut Deutschem Wetterdienst (DWD) im Flachland zunächst eher starke bis stürmische Böen. Teilweise soll es länger regnen. „Richtig turbulent und mitunter auch gefährlich könnte es dann in der Nacht zum Montag werden“, sagte Adrian Leyser von der Wettervorhersagezentrale des DWD über Sturmtief „Antonia“: Schwere Sturmböen oder sogar orkanartige Böen sind nicht ausgeschlossen. „Die ohnehin durch die vorangegangenen Stürme in Mitleidenschaft gezogenen und in teilweise stark aufgeweichten Böden stehenden Bäume können dabei leicht umstürzen“, sagte Leyser. Erst ab Dienstag beruhigt sich das Wetter.

Wann die Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn im Norden und Osten wieder regulär fahren, war am Samstag zunächst unklar. „Es verkehren keine Fernverkehrszüge nördlich von Düsseldorf, Hannover und Berlin bis mindestens 18 Uhr“, teilte die Bahn am Samstag mit. Auch die ICE-Züge auf den Strecken Köln - Hannover - Berlin sowie Kassel-Wilhelmshöhe und Berlin fallen bis dahin aus. Die Bahn tue alles dafür, den Zugverkehr so schnell wie möglich Schritt für Schritt wieder aufzunehmen. Wegen des Sturms war der Zugverkehr am Freitag teilweise eingestellt worden.

„Zeynep“ überquerte Deutschland ab dem Freitagnachmittag mit Windgeschwindigkeiten von örtlich mehr als 160 Stundenkilometern. Der höchste Wert wurde in der Nacht zum Samstag mit rund 162 Kilometern pro Stunde am Nordsee-Leuchtturm „Alte Weser“ gemessen, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Am Vormittag hob der DWD alle Unwetterwarnungen vor Orkanböen auf.

Am Samstag war von drei Sturmtoten die Rede. In Hopsten (NRW) starb ein 17 Jahre alter Beifahrer. Der Fahrer des Wagens war nach Polizei-Angaben möglicherweise einem Ast ausgewichen und dadurch von der Fahrbahn abgekommen. Das NRW-Innenministerium zählt ihn nach vorläufigen Erkenntnissen als Sturmtoten. Ein 56 Jahre alter Autofahrer starb nach Angaben der Polizei bei Altenberge in Nordrhein-Westfalen, als er mit dem Auto gegen einen quer auf der Fahrbahn liegenden Baum prallte. In der niedersächsischen Gemeinde Wurster Nordseeküste verunglückte ein Mann tödlich, als er während des Sturms das beschädigte Dach eines Stalls reparieren wollte. Der 68-Jährige brach nach Polizeiangaben durch das Dach und stürzte rund zehn Meter in die Tiefe.

In Hamburg gab es am Samstagmorgen erstmals seit 2013 wieder eine sehr schwere Sturmflut mit mehr als 3,5 Metern über dem mittleren Hochwasser: Die Elbe erreichte gegen 5.30 Uhr am Pegel St. Pauli nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) 3,75 Meter über dem mittleren Hochwasser. Feuerwehrleute retteten in der überfluteten Speicherstadt mit einem Schlauchboot zwei Männer, die mit ihrem Auto eingeschlossen waren. Laut Polizei waren die Männer stark unterkühlt. Nachdem das Wasser vormittags sank, sollte das Abendhochwasser eine weitere Sturmflut bringen.

In Bremen stürzte ein 55 Meter großer Baukran in ein im Rohbau befindliches Bürogebäude. „Es sieht verheerend aus“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Auch ein gerade vorbeifahrender Laster sei in der Nacht auf den Samstag von dem Kran erwischt worden. Der Fahrer sei unverletzt geblieben. In Hamburg stürzten bei einem viergeschossigen Wohnhaus im Stadtteil Eilbek am Freitagabend Teile der Fassade ein. Insgesamt seien im Giebelbereich rund 25 Quadratmeter Mauerwerk abgefallen, sagte ein Feuerwehrsprecher. In Bad Zwischenahn (Niedersachsen) kippte eine rund neun Meter hohe Fichte um und fiel auf ein Klinikgebäude. 17 dort untergebrachte Patienten wurden laut Feuerwehr in Sicherheit gebracht. Verletzt wurde den Angaben zu Folge niemand.

In Gronau bei Hildesheim (Niedersachsen) wehte der Sturm eine rund 80 Kilogramm schwere Kupferplatte von einem Kirchturm. Sie sei etwa 80 Meter weiter in ein Haus eingeschlagen, sagte ein Sprecher der Feuerwehr. Einige Kilometer entfernt, auf der Autobahn 7 bei Hildesheim, fiel nach Angaben der Polizei am Freitagabend eine Verkehrstafel wegen des Sturmes auf die Fahrbahn. Ein Sattelzugfahrer habe nicht mehr ausweichen können und sei über die Hindernisse gefahren. Dabei riss der Tank auf und 400 Liter Diesel-Kraftstoff ergossen sich über die Fahrbahn. In Thüringen warf „Zeynep“ die nach lokalen Angaben höchstgelegene Bockwindmühle Deutschlands (438 Meter über dem Meeresspiegel) um.

In den Häfen in Emden und Wilhelmshaven mussten mehrere Schlepper die größeren Schiffe sichern, sagte ein Sprecher der Wasserschutzpolizei. Die Fehmarnsundbrücke, die die Insel Fehmarn in der Ostsee mit dem Festland verbindet, wurde gesperrt. Zuvor waren in der Nacht zwei Laster umgekippt. Ein Fahrer wurde dabei verletzt. In Nordrhein-Westfalen wurde die Rheinbrücke Emmerich bis auf weiteres gesperrt. Grund dafür seien umgestürzte Gerüstteile, die in die Fahrbahn ragen, teilte die Polizei am frühen Samstagmorgen mit.

Die Nordseeinsel Wangerooge büßte im Sturm etwa 90 Prozent ihres Badestrandes ein. „Auf einer Länge von einem Kilometer gibt es kaum noch Sand“, sagte Wangerooges Inselbürgermeister Marcel Fangohr. Die Schutzdünen vor dem Trinkwasserschutzgebiet hätten kein Deckwerk mehr, dies müsse wie der Strand neu aufgeschüttet werden. Dennoch sei der Sturm glimpflich ausgegangen. Auch auf der ostfriesischen Insel Langeoog wurde der Strand beschädigt. „In Teilen ist gar kein Strand mehr da, die Abbruchkante geht bis zu den Dünen“, sagte Inselbürgermeisterin Heike Horn.

In anderen europäischen Ländern sorgte „Zeynep“ ebenfalls für Schäden, teils schon am Freitag: In den Niederlanden gab es vier Todesopfer wegen des Sturms - drei wurden von umfallenden Bäumen getroffen, ein Autofahrer starb bei der Kollision mit einem umgestürzten Baum. Großbritannien meldete drei Todesopfer. Auf der Isle of Wight im Süden von England wurden Windgeschwindigkeiten von 196 Stundenkilometern gemessen, was dort als Rekord gilt. In Irland starb ein Mann infolge des Orkantiefs.

In Deutschland war „Zeynep“ das zweite Orkantief innerhalb weniger Tage. Zuvor hatte „Ylenia“ ab dem Mittwochabend zu Tausenden Einsätzen geführt. Mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt waren bei wetterbedingten Unfällen gestorben.

(dpa)