Ausnahmezustand in Bonn Gangster und Henker für „Babylon Berlin“ gesucht
Bonn · Kurzer Auftritt für die große Fernsehserie: Tausende Bewerber kamen am Samstag ins Bonner Brückenforum, um sich für die dritte Staffel als Statisten casten zu lassen.
lgsserie, gedreht mit einem 40-Millionen-Euro-Budget: „Babylon Berlin“. Eine Krimi-Vorzeige-Produktion, der es mit starken Effekten, Schauplätzen und -spielern tatsächlich gelingt, Millionen Zuschauer zu beeindrucken und den Mythos der goldenen Zwanzigerjahre auf den Bildschirm zu katapultieren. Am Samstag wollten Tausende mittendrin und nicht nur vor dem Fernseher dabei sein. Sie waren dem Aufruf zum Casting in Bonn gefolgt. Für die dritte Staffel werden rund 500 Komparsen und 40 Kleindarsteller benötigt. Gedreht wird neben Berlin und Babelsberg ab Februar in Solingen, Krefeld, Köln, Düren und Bonn.
Der Andrang im Stadtteil Beuel war so riesig, dass das Casting teils unterbrochen und Hunderte der laut Organisatoren mehr als 3000 Bewerber wieder nach Hause geschickt werden mussten. Schon vor Beginn um 12 Uhr zog sich die Schlange der wartenden Bewerber fast auf einen Kilometer um einen ganzen Häuserblock. Die Zufahrtsstraßen in Beuel waren dicht, Autofahrer schimpften, nur langsam und hupend ging es voran. Trotz der frostigen Temperaturen riss die Menschentraube nicht ab, an einem improvisierten Stand wurde heißer Tee für einen Euro verkauft.
Casting-Bewerber standen stundenlang in der Kälte
Viele hatten die Ausdauer, stundenlang in der Kälte auszuharren – offenkundig ein Warmlaufen fürs lange Warten am Set. Wer es endlich ins Brückenforum geschafft hatte, musste einen Bewerbungsbogen ausfüllen und seine persönlichen Daten eintragen. Gefragt wurde nach Körper- und Schuhgröße, Tätowierungen, Piercings, gefärbten Haaren, Rauchgewohnheiten. Ob man bereit wäre, sich eine Glatze zu rasieren oder vor der Kamera zu küssen, waren weitere Fragen, die man per Kreuzchen beantworten musste.
Keine Altersgrenzen – für jeden gibt es eine potenzielle Rolle
Die Regie führt an diesem Tag die Castingagentur Eick. „Wir sind zwar gut vorbereitet, aber dieser Andrang sprengt alle unsere Erwartungen“, sagt der Chef der Agentur, Burkhard Eick. Für das Casting sei ein Kleinwüchsiger aus Leipzig angereist, es gab sogar Anfragen aus New York, erzählt er. In Düren werde jetzt noch einmal ein weiterer Casting-Termin angesetzt.
Die gesuchten Rollenprofile variieren. „Wir suchen nach Menschen, die Gangster, Polizisten, Passanten, Henker, Kneipengäste, Gefängniswärterinnen, hochrangige Offiziere und Politiker spielen. Menschen, die in die Zeit hineinpassen“, erklärt Agentur-Mitinhaber Gregor Weber. Regie-Assistentin Dorothea Popovic wird konkreter: „Es gibt eine große Szene im Waisenhaus und 60 Frauen sollen als Gefängnis-Insassen mitspielen. Wir versuchen, mit Gesichtern Geschichten zu erzählen.“ Popovic trägt das berühmte Metro-Goldwyn-Löwen-Logo auf ihrem schwarzen Sweatshirt und trifft bereits eine Vorauswahl für die Regie. „Mit Solariumbräune, Piercings und rasierten Augenbrauen hat man keine Chance, wer sich die Haare oder sogar eine Glatze schneiden lässt, kommt schon eher zum Zug. Für die Gefängnisszene suchen wir verlebtere Gesichter.“
Passend im Stil der Zwanzigerjahre gekleidet
Auch Torben Wesche, seine Frau Yvonne Kaiser-Wesche sowie die Kinder Fritz (5), Otis (4) und Caruso (1) kommen in die engere Auswahl. Mit Schiebermütze und Schnurrbart passt der junge Familienvater schon perfekt ins Berlin der Zwanzigerjahre. Die Familie posiert mit einer Casting-Nummer kurz vor der Kamera von Benedikt Schickentanz. Das war’s. Sie sind fertig. „Hoffentlich klappt’s“, sagt Wesche und verzieht sein Gesicht. Wer mitspielt, erfahren die Bewerber erst kurz vor Drehbeginn.
Gute Aussichten hat Andrea Bey-Otten. Sie kam mit nur einem Arm zur Welt. Die Regie-Assistentin fotografiert Bey-Otten mit dem Smartphone. „Ich finde es gut, wenn Filme authentisch sind. Doch, ich würde schon sehr gerne eine Rolle ergattern“, sagt die Haanerin. Bei Cihan Caglar ist die Konkurrenz größer. Es wird nur ein Kleinwüchsiger gesucht, gecastet wurden fünf. „Ich habe zufällig vom Casting gehört, bin schnell ins Auto gesprungen und hierhergefahren“, sagt der 29-Jährige aus Bochum. Dass er die Serie noch nie gesehen hat, empfindet er nicht als Manko.