Mit großer Verspätung ging das Steinkohlekraftwerk ans Netz. Doch bleibt das so? Gerichtsstreit um Datteln 4
MÜNSTER · Vor gut elf Jahren kippte das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht einen Bebauungsplan der Stadt Datteln für ein Steinkohlekraftwerk - eine Entscheidung mit Folgen. Jetzt beschäftigt sich das OVG wieder mit dem Meiler Datteln 4, der inzwischen Strom liefert.
Am kommenden Donnerstag verhandelt das Gericht in Münster über Klagen der Nachbarstadt Waltrop, der Umweltschutzorganisation BUND sowie von vier Privatpersonen gegen den neuen Bebauungsplan. Das Urteil wird voraussichtlich am selben Tag verkündet.
Der neue Bebauungsplan soll die Milliarden-Investition des Kraftwerksbetreibers Uniper nachträglich absichern. In der mündlichen Verhandlung vor dem 10. OVG-Senat dürfte es auch wieder um die Standortfrage gehen. Beim 8. OVG-Senat sind zudem Klagen gegen erteilte Genehmigungen anhängig, die auch Fragen von schädlichen Umwelteinflüssen des Steinkohlekraftwerks betreffen. Sollte der Bebauungsplan gekippt werden, hätte das möglicherweise Folgen für die noch ausstehenden Entscheidungen zur Genehmigung.
Während der Klimadebatte ging das Steinkohlekraftwerk ans Netz
Das Kraftwerk ist seit vielen Jahren Streitobjekt. Es ging 2020 in Betrieb. Klimaschützer sehen darin einen Verstoß gegen die Empfehlungen der Kommission zum Kohleausstieg. Bundesregierung und NRW-Landesregierung betonen, dass im Gegenzug für Datteln 4 ältere Steinkohlekraftwerke abgeschaltet werden. Dadurch würden die zusätzlichen Kohlendioxid-Emissionen des neuen Kraftwerks ausgeglichen.
Das Projekt hatte bereits die rot-grüne Landesregierung unter Hannelore Kraft (SPD) gespalten. Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) und Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) standen sich mit ihren unterschiedlichen Standpunkten gegenüber. 2009 hatte das OVG einen Bebauungsplan der Stadt Datteln gekippt. Ein Landwirt aus Waltrop setzte sich mit seiner Klage durch. Die obersten NRW-Verwaltungsrichter monierten, dass der Plan nicht mit der Landesentwicklungsplanung übereinstimme. Der sah als Standort für ein Großkraftwerk ein weiter entferntes Gebiet im Nordosten der Stadt Datteln vor. Außerdem seien die Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes nicht ausreichend beachtet worden. Die damalige rot-grüne Landesregierung änderte daraufhin die Landesplanung, damit der Bau des damaligen Besitzers Eon an der falschen Stelle - rund fünf Kilometer entfernt - nachträglich rechtens war.
Das Kraftwerk, das in Anlehnung an die abgeschalteten Vorgängerblöcke als Datteln 4 bezeichnet wird, sollte eigentlich viel früher Strom liefern. Baubeginn war 2007, angefahren werden sollte der Block bereits 2011. Doch eine Serie von Versäumnissen und Pannen verzögerte die Inbetriebnahme. Vor dem Start traten noch Mängel an den Schweißnähten des neuen Kessels zutage.
Das letzte in Deutschland gebaute Kohlekraftwerk hat eine Leistung von 1100 Megawatt. Wie lange es in Betrieb bleiben kann, ist Sache der Politik. Im Mai 2021 verwies Uniper-Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach auf die Frage nach geplanten schärferen deutschen Klimaschutzzielen bei der Bedeutung für Datteln 4 auf das Kohleausstiegsgesetz. Das erlaube Uniper das Kohlekraftwerk bis 2038 zu betreiben. Wenn eine künftige Regierung da noch einmal rangehen wolle, werde Uniper eine Einladung zu Gesprächen nicht ausschlagen. Die Bundesregierung will als Reaktion auf das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts die CO2-Emissionen schneller senken als bisher geplant.
Uniper verkauft den in Datteln produzierten Strom unter anderen an RWE und die Deutsche Bahn. Außerdem kann Datteln 4 nach Unternehmensangaben rechnerisch 100 000 Haushalte mit Fernwärme versorgen.
Neben den Klägern sind die Stadt Datteln als Beklagte, der börsennotierte Kraftwerksbetreiber und das Land NRW zur mündlichen Verhandlung ans OVG geladen. „Das Steinkohlekraftwerk erfordert und bindet hohe Investitionen und berührt im Hinblick auf die Energieversorgung der Wirtschaft und der Bevölkerung auch Belange des Landes“, schreibt das OVG. Aus Infektionsschutzgründen weicht das Gericht beim Sitzungsort in das Bildungszentrum der NRW-Polizei in Münster aus.