Gesetze sind für Menschen da, nicht Menschen für Gesetze

zu: „Ausgangssperre: Wuppertal will ab Montag die Notbremse ziehen“, WZ vom 16. April und „FDP zieht vor Gericht - Stadt verändert Ausgangssperre“, WZ vom 21. April.

Menschenleere Straßen in Elberfeld.

Foto: Fries, Stefan (fri)

 

Jetzt wird also auch in Wuppertal die Schraube fester angezogen, weil die Lage so dramatisch ist. Wenn sie so dramatisch ist, fragt man sich, wieso mitten in der Pandemie noch letztes Jahr Krankenhäuser geschlossen wurden. Darüber hinaus hat man ab 1. Februar die Untergrenzen für das Pflegepersonal um 20 Prozent in Tagschicht und 15 Prozent in Nachtschicht gesenkt. Man fährt also Kapazitäten runter. Gleichzeitig hört man nur wenig davon, dass zusätzliches Personal rekrutiert wird. Es gibt eine große Anzahl von ausgebildeten Ärzten und medizinischem Personal, die nicht medizinisch tätig sind.

In China hat man in Wochenfrist neue Krankenhäuser gebaut. Warum werden bei uns nicht die Behandlungsmöglichkeiten ausgebaut? Ja, Covid-19 ist eine ernste Erkrankung. Davon gibt es viele. Mein dringender Appell an die verantwortlichen Politiker: Fangen Sie doch endlich damit an, die Voraussetzungen für ein gutes Leben zu schaffen. Hören Sie auf, ständig Panik und Angst zu schüren und nur auf die Toten durch Covid zu schauen. Setzen Sie diese ins Verhältnis zu der Anzahl der Mitmenschen, die ganz normal täglich sterben. Zu einem großen Teil an auch furchtbaren anderen Krankheiten. Das stille Sterben durch diese ständigen Lockdowns wird zu wenig ernst genommen.

Unser Land hat eine Bevölkerung von circa 80 Millionen. Nach einem Jahr haben wir also insgesamt 80 Millionen Lebensjahre Verzicht geübt. Bei einem Durchschnittsalter von 80 Jahren hätten also umgerechnet eine Million Menschen allein in Deutschland ihr komplettes Leben mit Verzicht auf sehr vieles, was das Leben ausmacht, verbracht. Das ist nur ein kleiner Aspekt. Hunderttausende Existenzen werden vernichtet, die Innenstädte sterben, die Menschen werden immer trübsinniger und depressiv. Schon unsere kleinsten Kinder werden mit Testen traktiert und lernen als erstes, ihren Freunden aus dem Weg zu gehen.

Ich bin 70 Jahre alt und habe keine Angst, an Covid zu erkranken. Wenn es passiert, ist es Schicksal. Die Wahrscheinlichkeit eine andere ernste Krankheit zu bekommen, ist mindestens genauso groß. Wenn ich mich da ständig fürchten sollte, könnte ich nicht leben. Was mich hingegen besorgt ist: Was tut man den jungen Leuten an? Das Risiko zu erkranken, ist für sie nur gering. Wir rauben ihnen Lebenszeit und Zukunftschancen, hinterlassen ihnen einen Riesenberg Schulden, den sie abzutragen haben. Können wir das wirklich verantworten?

Helga Pantke, per E-Mail

Die FDP in Wuppertal möchte also vor Gericht die Verhältnismäßigkeit der Ausgangsperre überprüfen lassen und ist der Meinung, dass „ein Sieben-Tage-Inzidenzwert allein eine solche Maßnahme nicht rechtfertigt“. Meines Erachtens reicht ein Inzidenzwert von 246, 247 und heute 273,8 sehr wohl für eine Ausgangssperre von 21 bis 5 Uhr, allemals auch von 22 Uhr.

Wenn man dann noch die Belegung der Intensivbetten hinzu nimmt, ist eine Ausgangssperre erst recht dringend notwendig. Das Wort notwendig bedeutet Not abzuwenden. Die Ausgangssperre ist zweifelsohne eine Einschränkung der persönlichen Bewegungsfreiheit, gleichwohl haben wir alle ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Im Grundgesetzartikel 11 heißt es zudem noch: „Alle Deutschen genießen Freizügigkeit. Dieses Recht darf nur durch Gesetz zur Bekämpfung von Seuchengefahr eingeschränkt werden.“

Eine Seuchengefahr ist zur Zeit gegeben! Gesetze sind für die Menschen da und nicht die Menschen für die Gesetze. Wenn jetzt die FDP vor Gericht zieht, um die zuletzt genannten Grundrechte einzuschränken, ist das an Überheblichkeit und Nichtbeachtung der prekären Situationen in den Intensivstationen in Deutschland nicht zu überbieten.

Winfried Stöber, per E-Mail an die Redaktion