Komplex muss abgerissen werden Nach Großbrand in Essen: Wie Polizei-Roboterhund „Herbie“ Erkenntnisse liefern soll
Update | Essen · Bei dem Großbrand in Essen sind 35 Wohnungen zerstört worden. Der Komplex muss abgerissen werden. Ein Polizei-Roboterhund zieht bei den Ermittlungen zu dem verheerenden Feuer die Blicke auf sich.
Er fuhr im schmucken blau-gelb lackierten Transporter mit dunkel getönten Scheiben vor und wurde begleitet von einem großen Polizeiaufgebot: Um kurz nach 11.00 Uhr öffnete sich die Heckklappe und der Blick auf den Hightech-Roboterhund der Polizei wurde frei gegeben für die Kamera-Teams, Reporter und Fotografen in Essen. Vorsichtig hoben die Einsatzkräfte des Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD) den vierbeinigen Roboter aus dem Kofferraum und setzen ihn auf die Straße, ehe er zu Demonstrationszwecken hin- und herstolzierte.
Sogar eine Verbeugung vor den zahlreichen Zaungästen gelang, ehe der tatsächlich einem Hund sehr ähnliche Laufroboter seine ernsthafte Arbeit in dem tags zuvor durch den verheerenden Brand zerstörten und einsturzgefährdeten Wohnkomplex in Essen aufnahm. Nach dem Ende der Löscharbeiten erkundete der rund 35 Kilogramm und mit insgesamt zwölf Kameras - darunter eine hochauflösende 360-Grad-Kamera - ausgestattete Roboter die ausgebrannten Wohnungen.
„Der Roboter soll dahin gehen, wo es für den Menschen zu gefährlich ist“, sagte Dominic Reese, Stellvertretender Projektleiter des LZPD, der mit seinem Team die örtliche Feuerwehr und Polizei unterstützt. Auch Beamte vom Landeskriminalamt (LKA) sind gekommen. Reese ist selbst gespannt und neugierig, wie sich der Roboter in seinem ersten Praxiseinsatz vor Ort macht. „Wir wollen herausfinden, ob alles funktioniert, wie wir uns das vorstellen. Er kann den Ermittlern vielleicht wertvolle Hinweise geben. Zunächst soll er uns einen Überblick liefern, wie es in dem Gebäude aussieht, ehe Menschen dort hineingehen.“
Wie die Polizeifahrzeuge ist der Roboter, der intern den Spitznamen „Herbie“ trägt, aber laut Reese offiziell „noch keinen Namen“ hat, in blauer und gelber Signalfarbe lackiert. Erst vor wenigen Wochen war „Spot“, so lautet der Hersteller-Name des US-amerikanischen Produkts, bei einem Termin mit NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in Duisburg vorgestellt worden. Nun folgt die Ernstfall-Premiere.
Gesteuert wird der rund 60 000 Euro teure Roboter mit einem Akku für etwa 90 Minuten von einem Beamten mittels einer hochtechnisierten Steuereinheit. Sie ähnelt der Bedienung einer Spielekonsole mit Joystick und funktioniert auch nicht viel anders. Per Funk werden die Daten der Kameras in Echtzeit auf Computer übertragen, wo sich die Ermittler „live“ ein genaueres Bild von der Unglücksstelle machen können. „Auch wenn da eine Menge Technik drinsteckt, die Steuerung des Roboters selbst ist sehr einfach“, erklärt Reese.
Am Montag ist „Spot“ alias „Herbie“ auf den Spezialeinsatz vorbereitet und entsprechend programmiert worden. Reese: „Das Besondere ist, dass wir nicht wissen, welche Hindernisse es drinnen gibt: Ist es glitschig? Liegt viel Schutt?“ Sollte der Roboter, der problemlos Treppen steigen und Hindernisse überwinden kann, ausrutschen oder hinfallen, kann er sich selbst wieder aufrappeln.
Während die Brandermittler sich Erkenntnisse in Bezug auf die noch immer unklare Ursache des Großfeuers erhofften, steht bereits fest: Der betroffene Komplex, in dem 35 Wohneinheiten völlig zerstört und weitere in Mitleidenschaft gezogen wurden, muss abgerissen werden. Das sagte der Chef des Eigentümerunternehmens Vivawest, Uwe Eichner, in Essen. Der Schaden liege in zweistelliger Millionenhöhe. Abriss und Sanierung der Brandstelle inklusive der darunterliegenden Tiefgarage seien sehr langwierig. Das Unternehmen kümmere sich nun vor allem darum, den 128 betroffenen Menschen neue Wohnungen zu vermitteln.
NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) sprach vor Ort mit Brandopfern. Sehr unterschiedliche Menschen seien betroffen - vom 86-Jährigen und einem alleinlebenden Rollstuhlfahrer bis zu Familien. Die Ministerin zeigte sich erleichtert, dass die drei Verletzten, die Rauchgasvergiftungen erlitten hatten, inzwischen das Krankenhaus verlassen konnten.
Nach Studium der Bauakten gebe es bisher keinerlei Hinweise auf Unregelmäßigkeiten oder Pfusch am Bau beim 2015 fertiggestellten Haus, sagte der Essener Ordnungsdezernent Christian Kromberg. „Sowohl im Baugenehmigungsverfahren als auch bei der Bauabnahme hat es keine Schwierigkeiten gegeben.“ Man gehe zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass alles korrekt gelaufen sei.
Aussagen zu den Gründen für die rasend schnelle Ausbreitung des Feuers seien nach wie vor nicht möglich, betonte der Vivawest-Chef. Dazu müssten die Sachverständigengutachten abgewartet werden. Womöglich liefert der Roboter auch dazu erste Hinweise.