Pöbeleien und körperliche Angriffe In diesen NRW-Städten leben Rettungskräfte besonders gefährlich
Sie kommen um Leben zu retten und werden selbst zur Zielscheibe. Rettungskräfte sind oft verbalen Angriffen oder sogar Gewalt ausgesetzt. In einer NRW-Studie wird das ganze Ausmaß deutlich.
Münster. Viele Rettungskräfte in Nordrhein-Westfalen werden an ihren Einsatzorten zur Zielscheibe für Beleidigungen und Gewalt. Diese bitteren Erfahrungen sind bei weitem keine Einzelfälle, wie eine Studie der Ruhr-Universität Bochum zeigt. Jeder achte Feuerwehrmann und Rettungsdienstmitarbeiter ist demnach schon einmal Opfer von körperlicher Gewalt geworden. Mehr als jeder Zweite ist in jüngster Zeit angepöbelt worden. Diese ersten Studienergebnisse waren bereits im Oktober 2017 veröffentlicht worden. An diesem Freitag wurde die gesamte Studie am Institut der Feuerwehr NRW in Münster präsentiert.
Laut der Studie wurden in den zwölf Monaten vor der Befragung 26 Prozent Opfer von körperlicher Gewalt, bereits 92 Prozent der Notärzte, Sanitäter und Rettungsassistenten im Einsatz beschimpft, 75 Prozent berichteten auch von nonverbalen Übergriffen wie Kehlschnittgesten, geballten Fäusten oder dem Mittelfinger. Für die Umfrage hatte die Uni 4500 Einsatzkräfte befragt. Allerdings hatten nur knapp über 800 den Fragebogen auch ausgefüllt (18 Prozent). „Das liegt sicherlich auch an der Einstellung dieser Berufsgruppe. Hier gilt oft der Spruch „Indianer kennen keinen Schmerz““, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Freitag bei der Präsentation in Münster .
Zu gewaltsamen Übergriffen kommt es laut den Studienergebnissen besonders häufig in Großstädten mit mehr als 500 000 Einwohnern wie Düsseldorf, Köln oder Essen. Die Täter sind demnach in rund 90 Prozent der Fälle 20 bis 39 Jahre alte Männer. In fast drei Viertel der Fälle gehe die Gewalt von den Patienten selbst aus. Die Gewalt kommt den Schilderungen zufolge zumeist ohne Vorwarnung. Die befragten Retter berichteten, dass sie zum Beispiel während der Diagnose und Erstversorgung angegriffen worden seien.
Etwa 80 Prozent der Betroffenen meldeten den letzten Übergriff auf die eigenen Person nicht. Als Grund gaben sie an, es würde sich ohnehin nichts ändern. Außerdem hielten sie die Angriffe für Bagatelldelikte. Die Hälfte der betroffenen Einsatzkräfte gab an, dass der Meldeweg nicht eindeutig beschrieben sei.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte vor dem Hintergrund der Studie einen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft. „Wenn unsere Retter selbst zu Opfern werden, dann stellt das zivilisatorische Errungenschaften auf den Kopf. Das dürfen wir nicht zulassen“, sagte Reul der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag) vorab.
Kriminologen der Uni Bochum hatten das Forschungsprojekt im Auftrag der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen, des NRW-Innen- und Arbeitsministeriums sowie der Gewerkschaft Komba NRW umgesetzt. dpa