Irische Traveller in NRW unterwegs - Nomaden mit Problemen
Schlecht ausgebildet, arbeitslos, arm: Viele Landfahrer aus Irland führen ein hartes Leben. Oft sind die Traveller nicht willkommen - nicht nur auf der Grünen Insel, sondern auch in etlichen Städten Nordrhein-Westfalens.
Dublin/Kevelaer. Sie sind meist mit dem Wohnwagen unterwegs. Und wo sie campen, sorgen sie schnell für Aufsehen und Beschwerden von Anwohnern - zuletzt auch wieder in Nordrhein-Westfalen. Dabei folgen sie nur ihrer Tradition. Aber irische Traveller, die in diesem Sommer auch in den Niederlanden und in Bulgarien unterwegs sind, treffen vielerorts auf Vorurteile.
Das Ausmaß der Wanderbewegung sei geringer als es die Schlagzeilen vermuten lassen, betont ein Sprecher der irischen Traveller-Bewegung ITM in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Dublin. „Einige Familien mögen zum Arbeiten ins Ausland reisen, etwa zum Teeren. Aber es gibt traditionell im Sommer keinen allgemeinen Exodus, sicherlich nicht aus Dublin.“
Diebstähle, Lärm, Sachbeschädigung, Müllberge nach illegalem Campen - so manches wird den Landfahrern auf ihren Reisen vorgeworfen, zuletzt auch in Neuss, Düsseldorf, Kevelaer und Hürth sowie Iserlohn. Meist bekommen die Wildcamper die Erlaubnis der Städte, für eine Nacht zu bleiben, müssen dann aber am Folgetag wieder abreisen.
Mehrere Kommunen wehren sich bereits: Im hessischen Ginsheim-Gustavsburg kam es 2016 zum Streit mit Anwohnern. Jetzt blockierte die Stadt Rasenflächen vorsichtshalber mit Findlingen. In Menden wurde am Donnerstagabend ein Privatgelände geräumt, nachdem sich Traveller mit etwa 50 Wohnwagen dort niedergelassen hatten. Auch im Wallfahrtsort Kevelaer tauchten die Traveller vor rund zwei Wochen auf. Nichts Ungewöhnliches für die Stadt, denn die Iren kommen immer zu „Maria-Himmelfahrt“ am 15. August. Drei Paare wollten vorher in Kevelaer heiraten. Mit Blick auf besondere Wallfahrtstage mit rund 15 000 Besuchern bat die Stadt die Iren aber, vorübergehend den Platz zu räumen.
So zog die Gruppe nach Neuss, Düsseldorf, Düren - angewachsen auf rund 140 Gespanne und rund 500 Menschen. Überall wurden sie vertrieben: Mal wurde gerade die Kirmes auf dem Platz abgebaut, mal die Kirmes aufgebaut. Und überall wurden die Probleme mit Lärm, Müll und fehlenden sanitären Anlagen gemeldet - auch in Kevelaer. Trotzdem ist die Stadt auf eine mögliche Rückkehr der Traveller vorbereitet: „Toleranz steht uns gut zu Gesicht. Die Welt ist bunt und nicht alle sind so wie wir“, sagt Bürgermeister Dominik Pichler (SPD).
„Viel Lärm um nichts“, sagt auch der Betreiber eines Campingplatzes in Eppstein nahe Frankfurt. Rund 60 bis 100 Landfahrer seien im Frühling wie jedes Jahr rund zwei Monate auf seinem Platz gewesen. „Es ist wie immer harmlos verlaufen.“
Nach Angaben von ITM gibt es in Irland rund 25 000 Traveller oder fast 4500 Traveller-Familien. Diese Minderheit führt traditionell ein Nomadenleben. Mitglieder der Gemeinde arbeiten üblicherweise als Klempner, Blechschmiede, Hufschmiede, Pferde- und Schrotthändler.
Schätzungen zufolge leben weitere 15 000 irische Traveller in Großbritannien. Rund 10 000 Traveller irischen Ursprungs sind in den USA ansässig. „Vielleicht sind unter den Traveller-Familien, die auf dem europäischen Festland unterwegs sind, auch welche aus Großbritannien“, sagte der ITM-Sprecher. So genau könne er das nicht sagen. Seine Organisation kümmert sich auch um die sozialen Probleme der irischen Traveller. Dazu gehörten die schlechten Unterkünfte, die hohe Suizidrate, Diskriminierung und schlechte Bildungschancen.
Nach einer Studie des University College Dublin von 2010 ist die Lebenserwartung eines männlichen Travellers mit 61,7 Jahren rund 15 Jahre niedriger als die eines Mannes aus der Gesamtbevölkerung. Traveller-Frauen wurden demnach im Schnitt 70,1 Jahre alt und starben damit knapp 12 Jahre früher als andere. Die Suizidrate in der Traveller-Gemeinde ist sechs Mal so hoch wie in der Gesamtbevölkerung.
Viele glauben, dass die Traveller in Irland während der Hungersnot im 19. Jahrhundert ihres Landes enteignet wurden. Doch Forscher fanden kürzlich heraus, dass die Traveller schon um 1650 als separate Gruppe auftauchten. Wissenschaftler des Royal College of Surgeons in Dublin und der britischen Universität Edinburgh erklären genetische Unterschiede zwischen der Traveller-Gemeinde und der sesshaften Bevölkerung damit, dass die Landfahrer jahrhundertelang isoliert waren. Sie seien auch nicht, wie oft vermutet, mit den Roma verwandt.
Nach jahrelangen Kämpfen und Kampagnen erkannte das irische Parlament am 1. März dieses Jahres die Traveller erstmals als ethnische Minderheit an. „Für uns ist das ein erster Schritt in Richtung eines langfristigen Wandels“, sagt der Traveller John O'Sullivan, der sich für die Gesundheit männlicher Landfahrer engagiert.
Gemeinsam mit der Traveller-Gemeinde hat die irische Regierung einen neuen Inklusionsplan für Landfahrer und Roma ausgearbeitet. Bisher seien sie als „sesshafte Menschen mit Defiziten“ behandelt worden, die man reformieren müsse, kritisierte O'Sullivan. „Diese erzwungene Anpassung hat einen enormen Einfluss auf Traveller gehabt, die ihre eigene Identität verleugnen mussten.“ Nach Ansicht von O'Sullivan brauchen Landfahrer Bildung und Arbeit für eine bessere Zukunft.
Traditionell waren die Männer die Versorger in Traveller-Familien. Mit dem Verschwinden alter Handwerke und Berufssparten beträgt die Arbeitslosigkeit in der Gemeinde heute mehr als 80 Prozent. O'Sullivan sagt daher: „Ich habe große Hoffnung, dass der neue Status als Ethnie mehr Druck auf die staatlichen Behörden ausüben wird, um bessere Resultate für die Traveller zu schaffen.“