Urteil Jobcenter in NRW muss Kosten für eingefrorene Samenzellen übernehmen
Essen · Wegen eines Immundefekts muss sich ein Mann einer Chemotherapie unterziehen. Das Jobcenter lehnte die Übernahme der Kosten für die Einfrierung der Samenzellen ab. Die Maßnahme diene der persönlichen Familienplanung. Ein Gericht sah das anders.
Bei einer drohenden Unfruchtbarkeit in Folge einer Chemotherapie hat ein Bezieher von Sozialleistungen Anspruch auf Übernahme derjenigen Kosten durch das Jobcenter, die für ein Einfrieren der Samenzellen und deren Aufbewahrung anfallen - die sogenannte Kryokonservierung. Dies entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, wie ein Gerichtssprecher am Donnerstag mitteilte. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls ließ das Gericht die Revision zu. (Az. L 7 AS 845/19)
Im vorliegenden Fall hatte sich der klagende Leistungsbezieher wegen eines Immundefekts einer Chemotherapie unterziehen müssen. Das Jobcenter lehnte die Übernahme der Kosten für die Kryokonservierung in Höhe von 297,50 Euro pro Jahr ab: Es handle sich um eine Maßnahme, die nicht der Sicherung des Lebensunterhalts, sondern der persönlichen Familienplanung diene. Das Sozialgericht Duisburg bestätigte dies.
Anders das Landessozialgericht: Die Essener Richter erkannten die Kosten nun als "unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf" gemäß dem Sozialgesetzbuch II an. Die Kosten zählten zur Gesundheitspflege, überstiegen den hierfür im Regelbedarf vorgesehenen Betrag von 180 Euro jährlich deutlich und hätten "aufgrund eines atypischen Sachverhalts einen atypischen Umfang".
Zur Erhaltung der Fähigkeit, eigene Kinder zu haben, sei die Kryokonservierung eine medizinisch zwingend notwendige, ärztlich empfohlene und in das Gesamtbehandlungskonzept eingebundene Maßnahme gewesen, befand das Landessozialgericht. Im vorliegenden Fall handle es sich nicht um eine Maßnahme, die lediglich die Wünsche eines Versicherten für seine individuelle Lebensgestaltung betreffe.
Vielmehr gehe es um einen Bestandteil einer umfassenden Krankenbehandlung und damit einen existenziell notwendigen Bedarf im Sinne des Grundgesetzes. Dieser dürfe dem Kläger nicht deshalb verschlossen bleiben, weil er nicht über die erforderlichen finanziellen Mittel verfüge.