Interview Ann-Kathrin Bartzsch und Erik Stephan „Probleme entstehen aus Langeweile“

Interview | Altstadt · Wie blicken junge Leute auf die Situation in der Altstadt? Zwei Vertreter des Jugendrats antworten.

Ann-Kathrin Bartzsch und Erik Stephan engagieren sich im Jugendrat.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Erik Stephan, 20, und Ann-Kathrin Bartzsch, 17, sind im Jugendrat aktiv und verfolgen dort auch die politischen Debatten um die Altstadt-Sicherheit. Aber sie sind auch selbst in dem Partyviertel unterwegs – und fühlen sich dabei nicht immer wohl. Sie berichten, was aus ihrer Sicht die Gründe für Eskalationen sind, und was helfen würde, um die Lage zu beruhigen.

Wann waren Sie selbst zuletzt in der Altstadt unterwegs?

Ann-Kathrin Bartzsch: Karneval dieses Jahr, an Rosenmontag war ich mit ein paar Freunden auf dem Burgplatz.

Erik Stephan: Diesen Samstag (lacht). Ich bin oft und gerne in der Altstadt und habe mittlerweile ein gutes Auge dafür, was hier am Wochenende abgeht und wie die Stimmung so ist. Da bekommt man das Knistern schon immer mit, wenn man von der Rolltreppe an der Heinrich-Heine-Allee hochkommt.

Also haben wir hier eine Person, die häufig, und eine, die selten in der Altstadt unterwegs ist. Wie kommt‘s?

Bartzsch: Ich bin seltener in der Altstadt, dafür häufiger in der Innenstadt unterwegs. Alles ab der Heinrich-Heine-Allee meide ich eher. Da sind meist größere Gruppen unterwegs, die Ärger suchen, mehr betrunkene Menschen, man bekommt immer mal wieder dumme Sprüche ab. Als junge Frau kommt es auch häufig vor, dass man von Jugendlichen und Männern bedrängt wird, sie einen ansprechen und einem hinterherlaufen. Das sind wirklich unangenehme Situationen. Ein oft genutzter Spruch ist da „Ich habe einen Freund“. Egal, ob es stimmt oder nicht.

Stephan: Ich bin regelmäßig in der Altstadt, gerne drinnen in der Kneipe oder im Brauhaus. Wenn es dann rausgeht von einer Kneipe zur anderen, wird es oft unangenehm. Da fühle ich mich zwischen größeren Gruppen schon mal unwohl. Gerade auf der Bolkerstraße kommt es vor, dass Leute von links und rechts brüllen, nicht, weil irgendwas passiert ist, sondern einfach nur, um Stress anzufangen. Die zeigen deutlich, dass sie nicht für ein gemütliches Bierchen in der Altstadt sind. Das sind häufig jüngere Leute – den Hut ziehe ich unserer Generation mal an.

Welche Beobachtungen haben Sie als regelmäßiger Altstadt-Besucher denn gemacht?

Stephan: Im den vergangenen zwei Jahr ist es noch mal deutlich schlimmer geworden, als es vor Corona war. Da liegt wirklich ein Knistern in der Luft, wenn da Gruppen von 25, 30 jungen Männern stehen. Wenn dann eine Frauengruppe kommt, bekommen sie direkt Sprüche ab. Das kommt nicht vereinzelt vor, sondern sind mehrere große Gruppen, die dann auch aneinandergeraten.

Haben Sie Angst, wenn Sie in der Altstadt unterwegs sind?

Bartzsch: Ich würde nicht von Angst reden, das ist ein sehr starker Begriff. Aber wenn ich mit meinen Freundinnen unterwegs bin, passen wir schon sehr auf.

Stephan: Ich gehe nicht mit Angst in die Altstadt, aber mit großer Vorsicht. Ich passe auf, neben wem ich laufe, weil manchmal schon ein Rempler reicht, um eine Faust im Gesicht zu haben.

Es sind ja nicht alle Jugendlichen, die in der Altstadt Probleme machen. Wo liegen die Unterschiede?

Bartzsch: Man erkennt irgendwann schon ein gewisses Schema, am Style, an der Art, wie sie reden, wie sie auftreten. Dann merkt man schon, das könnte ein unangenehmer Abend werden.

Stephan: Es wird ja gerne pauschalisiert, dass es immer derselbe Typ ist. Junge Männer, 17 bis 23 Jahre, Migrationshintergrund, am besten aus einem Arbeiterstadtteil. Aber so ist es nicht. Es gibt genug Jugendliche aus gut situierten Haushalten, die sich nicht benehmen können. Das ist keine Sache der Herkunft, der Sprache, der Bildung, sondern der Erziehung. Das wird gerne über einen Kamm geschoren, aber von dieser generalisierenden Sicht müssen wir weg.

Bartzsch: Oft sind die Gruppen sogar viel jünger. Ich würde die teilweise auf 13, 1 Jahre schätzen, die schon anfangen zu pöbeln.

Stephan: Das eigentliche Problem ist ein Konflikt zwischen den Generationen. Viele Jugendliche zwischen 14 und 20 zeigen gar keinen Respekt, die suchen nicht nur Ärger untereinander, sondern pöbeln auch gegen Ältere, gegen Polizisten oder Ordnungsleute.

Haben Sie als junge Generation das Gefühl, dass Sie häufig in einen Topf geworfen werden mit den Störern in der Altstadt?

Stephan: Jein. Viele Ältere erkennen, dass sich viele Jugendliche aus Düsseldorf nicht in die Altstadt trauen. Das ist ja eines der großen Probleme: Viele, die Ärger machen, kommen gar nicht aus Düsseldorf, sondern aus den umliegenden Städten. Natürlich dürfen junge Leute aus Duisburg oder Essen ans Rheinufer kommen, um friedfertig zu feiern. Aber oftmals sind die es, die sehr konfliktbereit sind und die Konfrontation suchen.

Sie sind beide im Jugendrat und verfolgen auch die politischen Debatten in der Stadt rund um das Thema. Wie bewerten Sie das bislang?

Bartzsch: Wir beschäftigen uns auch im Jugendrat mit dem Thema und haben selbst Anfang des Jahres eine Arbeitsgruppe Altstadt gebildet, wir haben mit Fraktionen und der Polizei Gespräche geführt. Ich finde, dafür, dass es schon sehr lange ein so großes Thema ist, ist relativ wenig passiert. Seit Februar warten wir auf ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister bei einem Spaziergang durch die Altstadt. Das ist jetzt mehrfach verschoben worden – das sagt auch etwas über die Priorität aus.

Stephan: Ich begrüße, dass überhaupt etwas getan wird, dass zum Beispiel die gemeinsame Anlaufstelle von Polizei und Ordnungsdienst am Rheinufer kommt. Aber es ist nicht genug. Wir müssen die Probleme an anderer Stelle beheben. Natürlich ist die Altstadt attraktiv und zieht viele an. Doch es müssen für Jugendliche andere Freizeitaktivitäten geschaffen werden, es muss in den Bezirken und Stadtteilen mehr Angebote geben. Zum Beispiel eine Fläche an den Rheinwiesen, auf der sich Jugendliche ungestört aufhalten können.

Also ist es oft einfach
Langeweile?

Bartzsch: Definitiv. Die Probleme in der Altstadt entstehen oft aus Langeweile. Da gibt es Gruppen, die haben etwas getrunken, es ist nichts los, und um etwas Pepp in den Abend zu bringen, rempeln sie aus Spaß jemanden an. Und dann eskaliert es.

Stephan: Es gibt viele, die machen das ganz gezielt. Das Problem sind nicht die Jugendlichen per se, sondern wenn die Gruppen aneinandergeraten.

Was muss noch passieren, damit sich die Situation ändert?

Stephan: Es muss endlich aufhören, dass über uns jungen Leuten gesprochen wird, sondern es muss mit uns gesprochen werden. Und Düsseldorf muss sich mit den Kommunen im Umland austauschen.

Was halten Sie vom Einsatz von Streetworkern?

Stephan: In der Regel ist das gut, Streetworker sollte es auf jeden Fall geben. Aber die Jugendlichen, die hier Probleme machen, wollen nicht reden. Da sind ganz klare Präsenz durch Polizei und Ordnungsamt und ein hartes Eingreifen, wenn etwas passiert, auf jeden Fall effektiver.

Bartzsch: Ich glaube auch, dass der Einsatz von Streetworkern eher in ruhigeren Stadtbezirken sinnvoll ist. Aber in der Altstadt reicht das nicht mehr. An dem Punkt sind wir leider schon vorbei.

Wie empfinden Sie denn die Präsenz von Polizei in der Altstadt?

Stephan: Das ist ja eine Frage der gefühlten Sicherheit. Wir wissen, dass die Polizei in der größtmöglichen Stärke unterwegs ist und ich bin sehr dankbar für die Präsenz. Die Zahlen sind ordentlich, aber gefühlt ist es zu wenig.

Bartzsch: Man sollte Jugendlichen nicht komplett den Freiraum nehmen, indem überall Polizei steht. Aber es sollte genug sein, dass sie im Notfall eingreifen können. An der Heinrich-Heine-Allee an der Rolltreppe steht oft eine Gruppe von Polizisten, das wissen wir alle und das gibt einem schon Sicherheit. Es beruhigt mich, wenn ich immer mal eine Streife sehe.

Stephan: Ich muss sagen, dass ich mich jetzt sicherer fühle, als noch im Jahr 2020. Die Einsatzkräfte sind präsenter und versuchen immer, sofort da zu sein. Ein wenig Unsicherheit ist aber immer noch da, die würde allerdings mit mehr Präsenz von Polizei und Ordnungsamt auch nicht
verschwinden.