Kafkas letzte Liebe spielte am Düsseldorfer Schauspielhaus Auf den Spuren von Dora Diamant in Düsseldorf

Düsseldorf · Die Liebe der Schauspielerin zu Franz Kafka kam kürzlich ins Kino. Doch wer war die Frau und was verband sie mit Düsseldorf?

Große Liebe auf der großen Leinwand: Sabin Tambrea als Franz Kafka und Henriette Confurius als Dora Diamant in einer Szene des aktuellen Kinofilms „Die Herrlichkeit des Lebens“.

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Derzeit ist auf der Kinoleinwand eine besondere Liebesgeschichte zu sehen: In der Verfilmung von Michael Kumpfmüllers Roman „Die Herrlichkeit des Lebens“ trifft Franz Kafka während eines Genesungsaufenthalts in Müritz am Ostseestrand eine junge Frau, deren Energie und Leichtigkeit dem bereits schwer kranken Schriftsteller guttun. Die beiden verlieben sich, und obwohl rund 15 Jahre Altersunterschied zwischen ihnen liegen, begegnen sie sich auf Augenhöhe.

Dora folgt Franz nach Berlin, erlebt mit, wie er an seinen Texten arbeitet, daran verzweifelt, sie verbrennt und wieder neu schreibt. Sie weicht nicht von seiner Seite, als er mit Kehlkopftuberkulose ins Sanatorium kommt und nicht mehr sprechen kann.

Bei der NRW-Premiere des Films kürzlich im Düsseldorfer Cinema erzählte Henriette Confurius, die auf der Kinoleinwand in Doras Rolle schlüpfte, dass sie „fasziniert von diesem schönen Namen war und schon allein deshalb zugesagt“ habe. Erst dann hätte sie sich die Frage gestellt, die auch viele Menschen im Publikum an diesem Abend hatten: Wer war eigentlich diese Dora Diamant? Warum ist sie kaum bekannt im Vergleich zu Kafkas vorheriger Liebe, der tschechischen Journalistin und Schriftstellerin Milena Jesenská?

Dora Diamant (1898–1952) Foto: Stadtarchiv Neuss

Foto: Stadtarchiv Neuss

Dora Diamant kam
1926 nach Düsseldorf

Es mag daran liegen, dass den beiden kaum ein gemeinsames Jahr vergönnt war. Dora war bei Kafkas Tod am 3. Juni 1924 erst Anfang 20. Ihr stand die Welt noch offen. Es zog sie nach Berlin, um ihre Pläne, Schauspielerin zu werden, umzusetzen. Auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz kam Dora Diamant 1926 nach Düsseldorf, um sich an der Theaterakademie des Schauspielhauses zu bewerben. Die galt damals schon als hoch angesehene Institution.

Dem Dumont-Lindemann-Archiv des Theatermuseums ist zu entnehmen, dass Dora Diamant für den Jahrgang 1926/27 als eine von dreißig Studierenden angenommen wurde. Sie hatte Unterricht in Sprechtechniken, Theatergeschichte, Rollenstudium, Fechten und Gymnastik. Abends durfte sie gemeinsam mit ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen an verschiedenen Proben teilnehmen und auch schon kleine Rollen in diversen Inszenierungen übernehmen.

In den 1920er-Jahren stand das Schauspielhaus noch am Graf-Adolf-Platz. „Doras Aufnahme an dieser renommierten Schule war eine ungeheure Chance“, schreibt ihre Biografin Kathi Diamant (die beiden sind nicht verwandt). Wenn Dora die zweijährige Ausbildung abschloss, würden ihr die Bühnen im ganzen Land offenstehen.

Im Melderegister des Stadtarchivs ist als ihr Wohnsitz die Remscheider Straße 3 eingetragen. Allerdings veränderte Dora die Schreibweise ihres Namens in „Dwora Dimant“. Auch mit ihrem Geburtsjahr ging sie großzügig um und machte sich einfach ein Jahr jünger. Nur bei der Angabe ihres Berufs, blieb sie korrekt: Schauspielerin/Studentin.

Laut ihrer Biografin zog Dora am 1. August 1927 um an die Heresbachstraße. Dort hatte das Schauspielhaus für die Mitglieder des Ensembles Wohnungen und für die Studierenden der Akademie Zimmer angemietet beziehungsweise bezuschusste die Mieten. In Düsseldorf traf Dora Anfang 1927 wohl auch Kafkas alten Freund Max Brod wieder. Denn im Kleinen Haus der Städtischen Bühnen in der Jahnstraße wurde seine Komödie „Die Opunze“ aufgeführt. Brod kam nicht nur zur Premiere, er hielt auch einige Vorträge im Theater. Kathi Diamant schreibt, dass Brod Tantiemen für Kafkas letzten Roman „Amerika“ ausgehandelt hatte, die Dora zugutekamen. So waren ihre Finanzen gesichert, und sie konnte ihre Ausbildung abschließen. Die Lehrenden bescheinigten der Nachwuchsschauspielerin eine „starke, eigenartige Begabung“. Kathi Diamant führt diese positive Einschätzung auch darauf zurück, dass Dora zum Zeitpunkt ihres Studiums an der Akademie bereits 29 Jahre alt war und über mehr Lebenserfahrung als viele ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen verfügte.

Ihre Eigenwilligkeit ist dokumentiert. So schwänzte sie mehrfach den Unterricht und weigerte sich bei einer Aufführung die Bühne zu verlassen, als ihr Part beendet war. Was ihr mehrere Verweise durch den Akademieleiter einbrachte. Ihre ersten Rollen spielte Dora Diamant in Kleists „Der Prinz von Homburg“, „Der zerbrochene Krug“, ebenfalls aus Kleists Feder, in „Die Marquise von O.“ und „Per Gynt“.

Schon bevor Dora Diamant Franz Kafka kennenlernte, war sie bereits politisch engagiert gewesen. Während ihrer Düsseldorfer Zeit lernte sie einige Kommunisten kennen, darunter den Schauspieler Wolfgang Langhoff sowie ihre spätere Schwiegermutter, die Schriftstellerin Berta Lask. Kurz vor ihrem Abschluss an der Akademie bewarb sich Dora Diamant erfolglos an verschiedenen Bühnen. Schließlich ergatterte sie ein Engagement für die kommende Saison am Rheinischen Landestheater Neuss, dort trat sie unter anderem in Schillers „Kabale und Liebe“ auf. Inzwischen hatte sie die Schreibweise ihres Nachnamens noch einmal verändert und nannte sich Dymant. Auch von Düsseldorf hatte sie sich verabschiedet und war nach Neuss gezogen. Die „Düsseldorfer Nachrichten“ besprachen die Stücke, in denen sie spielte, weitgehend positiv.

Im Frühling 1929 verließ Dora Diamant dann auch Neuss und zog zurück nach Berlin. Sie heiratete 1932 Lutz Lask und wurde drei Jahre später Mutter einer Tochter. Dora Diamant starb am 15. August 1962 in London.